Dass das Jahr 2020 ein wichtiges Jahr für die Wissenschaftskommunikation in Deutschland werden sollte stand bereits im Vorjahr fest. Pünktlich zum 20. Jubiläum des Memorandums zu “Public Understanding of Science and Humanities” (PUSH) – dem Startschuss für die professionelle Wissenschaftskommunikation in Deutschland – war das Thema auf die Agenda des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) geraten. Daran hat auch die Corona-Pandemie nichts geändert. Ganz im Gegenteil, sie hat die Wissenschaftskommunikation noch stärker in den Fokus des öffentlichen und politischen Interesses gerückt und wie ein Brennglas, sowohl ihre Stärken als auch ihre Schwächen aufgedeckt.

Nun steht mit der vom BMBF initiierten #FactoryWisskomm ein Prozess an, der richtungsweisend für die Zukunft der Wissenschaftskommunikation sein könnte. Zumindest dann, wenn die involvierten Akteur*innen sich nicht in kleinteiligen Diskursen verlieren, sondern gemeinsam an den großen Fragen und Herausforderungen arbeiten, die es zu beantworten gilt: Welche Art der Wissenschaftskommunikation wollen wir in Zukunft in Deutschland haben? Wie kann es gelingen, diese zu stärken? Und welche Rolle kommt dem Wissenschaftsjournalismus dabei zu? Das anzeigenbasierte Geschäftsmodell des Journalismus ist generell und nachhaltig beschädigt – dessen Zukunft wird maßgeblich davon abhängen, ob sich neue Formen der Finanzierung für wissenschaftsjournalistische Qualitätsinhalte finden. Es ist uneingeschränkt zu begrüßen, dass das BMBF auch diese Frage im Rahmen des #FactoryWisskomm-Prozesses aufgreifen wird. Wenn das Ziel des Prozesses ist, Weichen zu stellen für die künftig bestmögliche Information der Öffentlichkeit bei Fragen mit Bezug zur Wissenschaft, müssen Wissenschaftskommunikation und Wissenschaftsjournalismus gleichsam in den Blick genommen werden.

Wissenschaftsjournalismus: Bedeutung anerkannt

Insgesamt hat die Wissenschaftskommunikation in den letzten Jahren zunehmend Ressourcen zugeschrieben bekommen. Von diesen Ressourcen wurden Kommunikationsabteilungen etabliert, neue Formate erdacht und umgesetzt sowie  die Wissenschaftskommunikation insgesamt professionalisiert. Dabei wurde jedoch selten darauf geachtet, ob die Zielsetzung der Kommunikationsaktivitäten gemeinwohlorientiert war oder vor allem reputationsfördernd. Es ist aber eben jene Wissenschaftskommunikation, die es zu fördern und zu stärken gilt. Gemeinwohlorientierte Wissenschaftskommunikation stellt dabei die Bedürfnisse der Zielgruppe in den Fokus und damit die Interessen der Bevölkerung. Im Fokus steht dabei das Bestreben, in der Öffentlichkeit realistische Erwartungen zu wecken, ein informiertes Vertrauen zu bilden, Möglichkeiten und Grenzen der Forschung aufzuzeigen und die Mechanismen der Selbstkritik in der Wissenschaft zu veranschaulichen und nicht ein gutes institutionelles Image zu kreieren. Was den unabhängigen Wissenschaftsjournalismus angeht, wird seine Bedeutung in der bisherigen Diskussion zwar weitgehend anerkannt – ein Finanzierungsmodell indes wurde noch nicht gefunden.

Eine unabhängige, kritische und massenmediale Berichterstattung kann nicht durch Wissenschaftskommunikation ersetzt werden. Sie kann aber von ihr ergänzt, begleitet und vor allem auch angereichert werden. Insbesondere dann, wenn sie nicht vom Interesse der Reputationsstärkung geleitet ist, sondern verstärkt in jenen Räumen agiert, die nicht zu den Aufgaben des Journalismus gehören. So kann Wissenschaftskommunikation beispielsweise direkt an Schulen gehen und dort konkrete Angebote zu wissenschaftlichen Themen schaffen, die den Lehrplan ergänzen. Darüber hinaus kann Wissenschaftskommunikation den Dialog zwischen Bevölkerung und Wissenschaft stärken, Begegnungsräume schaffen und auch Zielgruppen erreichen, die ihre Nachrichten nicht aus den klassischen Medien generieren. Diese Rolle, ebenso wie die Funktion Wissenschaftler*innen auf die Kommunikation vorzubereiten und sie dabei zu unterstützen können sowohl gemeinwohlorientierte als auch institutionelle Wissenschaftskommunikation ausfüllen und damit die Funktionen des Journalismus ergänzen.

Man kann daher sicher nicht pauschal sagen, dass es dem Wissenschaftsjournalismus schadet, wenn in die Wissenschaftskommunikation investiert wird und anders herum. Es schadet letztlich allen, wenn Fördermaßnahmen einfach nur mehr Kommunikation erreichen sollen, statt eine bessere Kommunikation im Sinne der Gesellschaft fördern. In der #FactoryWisskomm muss es deshalb darum gehen, beide Sektoren zu stärken: den Wissenschaftsjournalismus und die Wissenschaftskommunikation. Und zwar so, dass beide ihre jeweilige Funktionen für eine informierte Öffentlichkeit  künftig in bestmöglicher Weise und größtmöglicher Unabhängigkeit ausführen, ohne miteinander in Konkurrenz um Ressourcen und Aufmerksamkeit zu stehen.

RegioScience-Desks könnte ein Lösungsansatz sein

Dafür braucht es neben Ressourcen in beiden Sektoren vor allem innovative Ideen und eine Zukunftsperspektive. Im Wissenschaftsjournalismus – der unter einem höheren finanziellen Druck steht – könnte der Aufbau einer Innovations-Academy ein erster Schritt sein. In dieser sollten insbesondere junge Wissenschaftsjournalist*innen im Umgang mit neuen digitalen Tools geschult werden, die beispielsweise dabei helfen können, den immensen Informationsfluss aus der Wissenschaft zu verarbeiten. Die Academy sollte darüber hinaus auch die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, Kommunikationskanäle und Formate befördern.

Ein Bereich, in dem der Niedergang des Wissenschaftsjournalismus besonders stark ausgeprägt ist, ist der Regionaljournalismus – insbesondere im Bereich der Tageszeitungen. Der Aufbau eines gemeinnützigen RegioScience-Desks könnte hier ein Lösungsansatz sein. Regionale Journalist*innen werden durch den Desk mit qualitativ hochwertigen und unabhängigen Informationen aus dem Wissenschaftsbereich versorgt und erhalten Hilfestellung bei der Einordnung unterschiedlicher Forschungsergebnisse.

Sowohl die Innovations-Academy als auch der RegioScience-Desk sind als Projekte allerdings nur mit finanzieller Unterstützung umsetzbar, denn für innovative Konzepte braucht es Förderung. Deshalb gilt es erneut zu prüfen, in welchem Rahmen eine solche Förderung staatlich unterstützt werden könnte, ohne die Unabhängigkeit des Wissenschaftsjournalismus zu gefährden. Schließlich hat die Corona-Pandemie einmal mehr gezeigt, wie wichtig ein unabhängiger und hochwertiger Wissenschaftsjournalismus ist.

Die Pandemie hat darüber hinaus gezeigt, dass viele Ziele der gemeinwohlorientierten Wissenschaftskommunikation noch nicht erreicht sind. So gibt es beispielsweise trotz einiger Bemühungen keinen effektiven Mechanismus gegen Pseudowissenschaftler*innen und Verschwörungsideolog*innen. Bisherigen Bemühungen fehlt es an Reichweite und Schlagkraft. Hier ist eine gemeinsame Anstrengung der Wissenschaft gefordert. Um diese und andere Herausforderungen künftig besser zu meistern, braucht es einen Diskurs über Qualität und Ziele guter Wissenschaftskommunikation sowie auch eine stärkere Evidenzbasierung von Wissenschaftskommunikationsaktivitäten.

Wir wissen derzeit schlicht zu wenig darüber, wie bestimmte Maßnahmen wirken. Das Feld der “Science of Science Communication” – und insbesondere der Austausch dieser mit der Praxis – sollte deshalb weiter gestärkt werden. Dafür braucht es auf Seiten der Praxis einen weiteren Kompetenzaufbau im Bereich Evaluation und Wirkungsmessung.

Auch die bereits vielfach geforderten Anreiz- und Anerkennungsmechanismen für kommunizierende Wissenschaftler*innen sollten Qualität vor Quantität stellen und klar zwischen PR-Maßnahmen und gemeinwohlorientierten Aktivitäten unterscheiden. Die bereits entwickelten Leitlinien für gute Wissenschafts-PR können dabei eine wichtige Orientierung liefern.

#FactoryWisskomm: beide Bereiche fördern

Sowohl im Wissenschaftsjournalismus als auch in der Wissenschaftskommunikation müssen zudem kreative Ansätze, neue Ideen und Experimente weiter gefördert werden. Es gilt hierbei jedoch die Balance zu finden, zwischen der Förderung von Innovationen und der langfristigen und strukturellen Förderung von Projekten, Initiativen und Institutionen, die sich etabliert und ihre Wirksamkeit nachgewiesen haben.

Für eine evidenzbasierte Information der Öffentlichkeit braucht es in Zukunft einen starken Wissenschaftsjournalismus, der in der Lage ist, wissenschaftliche Erkenntnisse einzuordnen, zu hinterfragen und auch innerwissenschaftliche Prozesse und Kontroversen darzustellen. Und es braucht eine Wissenschaftskommunikation, die nicht so sehr die Interessen der einzelnen Institutionen in den Vordergrund stellt, sondern die der Wissenschaft selbst und insbesondere die der Gesellschaft. Beide Bereiche sollte die #FactoryWisskomm durch gezielte und nachhaltige Förderungen stärken, wenn sie nicht den Kritiker*innen recht geben will, die befürchten, die Stärkung der Wissenschaftskommunikation diene vor allem dazu, der Wissenschaft den Aufbau noch größerer Lautsprecher zu finanzieren.

Nicola Kuhrt, Martin Schneider und Markus Weißkopf