Ein Wochenrückblick des Science Media Center, über welche Forschungsergebnisse viele Wissenschaftsjournalisten zeitnah berichten: 

Der aktuelle Klimawandel ist für die letzten 2000 Jahre einmalig (Nature und Nature Geoscience)

Eis-Bohrkerne, Baumstämme, Seesedimente und Korallen aus aller Welt sind analysiert worden. Das Ergebnis: Einen so raschen und global gleichförmig stattfindenden Klimawandel hat es in den letzten 2000 Jahren nicht gegeben. Selbst in der sogenannten kleinen Eiszeit Ende des Mittelalters habe sich das Klima nicht weltweit abgekühlt. Dagegen erwärmten sich momentan 98 Prozent der Erdoberfläche. Zudem hat die Analyse der letzten 2000 Jahre ergeben, dass ein Großteil der Klimavariation durch Vulkanausbrüche verursacht worden ist. Deren Staub verteilt sich in der Atmosphäre, schirmt die Erde ab und kühlt sie. Die Wissenschaftler der Universität Bern haben ihre Studien am 24.07.2019 in den Fachblättern Nature und Nature Geoscience veröffentlicht. Mindestens sechzehn Mal haben deutschsprachige Medien, teils sehr ausführlich, über die Studien berichtet. Tenor der Berichterstattung: Die Ergebnisse widerlegen klar die Klimawandel-Leugner, die damit argumentieren, solche Klimaschwankungen habe es schon immer gegeben.

Auch die medial zu Wort gekommenen, an der Studie unbeteiligten Experten hielten die Ergebnisse für überzeugend. Beim Deutschlandfunk, in der dpa-Meldung, bei der Presse, beim Standard, bei der Süddeutschen Zeitung und bei Zeit Online ist ein Experte der University of Minnesota aus einem Begleitkommentar zu den Studien zitiert worden. Die Studie zeige, dass die jetzige Veränderung ohnegleichen sei. Und der AFP zufolge meinte ein Experte des University College London, Klimawandel-Leugner könnten nun die derzeitige Erwärmung nicht mehr als natürlichen Zyklus abtun. Auch ein Experte der Eidgenössischen Hochschule Zürich hielt die Studie für eindrücklich, unter anderem, da so viele Daten analysiert worden seien. Er ist vom Schweizer Radio und Fernsehen zitiert worden. Schließlich sind bei tagesschau.de zwei Experten des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg und des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel zur Studie befragt worden. Beide meinten, die Studie bestätige deutlich und mit guten Daten bisherige Vermutungen zu den Klimaschwankungen der Vergangenheit.

Steckbrief

Journal: Nature, Nature Geoscience

Pressemitteilungen: Nature: Ja (vom Forschungsinstitut, Nature Geoscience: Ja (von beteiligtem Forschungsinstitut)

Aufgegriffen von:

  • dpa: BILD Online (24.07.2019), Focus Online (24.07.2019), Redaktionsnetzwerk
  • Deutschland: Kieler Nachrichten (24.07.2019), Welt Online (24.07.2019), Spiegel
  • Online (25.07.2019), Stern Online (25.07.2019), Südwest Presse (25.07.2019), watson
  • (25.07.2019), äquivalent SDA: Blick.ch (25.07.2019)
  • SRF.de (24.07.2019)
  • SRF Tagesschau (Video) (24.07.2019)
  • tagesschau.de (24.07.2019)
  • Zeit Online (24.07.2019)
  • AFP: Tagesspiegel Online (25.07.2019)
  • Berliner Zeitung Online (25.07.2019)
  • Business Insider Deutschland Online (25.07.2019)
  • Deutschlandfunk Forschung Aktuell (25.07.2019)
  • Die Presse (25.07.2019)
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung Online (25.07.2019)
  • heise online (25.07.2019)
  • scinexx.de (25.07.2019)
  • Standard Online (25.07.2019)
  • Süddeutsche Zeitung Online (25.07.2019)
  • Neue Zürcher Zeitung Online (27.07.2019)

Multiresistente Malaria-Erreger breiten sich rascher als vermutet in Südostasien aus

(The Lancet Infectious Diseases (zwei Studien))

Die Standard-Kombinationstherapie aus den Medikamenten Artemisinin und Piperaquin gegen den Malaria-Erreger Plasmodium falciparum hat in Vietnam, Kambodscha und Zhailand in der Hälfte der Fälle versagt. In Nordost-Thailand funktionierte sie sogar bei 87 Prozent der behandelten Patient*innen nicht mehr. Insgesamt haben Wissenschaftler*innen der Mahidol Oxford Tropical Medicine Research Unit 140 Behandlungen mit der Standardtherapie durchgeführt, um diese mit einer neuen Dreier Kombination aus Medikamenten zu vergleichen. Obgleich die Studie zur neuen Kombination noch nicht abgeschlossen worden ist, haben sie die Ergebnisse zur Standard-Therapie schon jetzt veröffentlicht. Diese seien gesundheitspolitisch sehr relevant. So müssten die Anstrengungen, um den Erreger zu eliminieren, intensiviert werden. Es bestehe die Gefahr, dass er sich noch weiter ausbreite. Außerdem sollte die Standard-Therapie in der Region durch eine andere, wirkungsvollere Kombination ersetzt werden. Die Studie ist am 22.07.2019 im Fachblatt The Lancet Infectious Diseases veröffentlicht worden. Zeitgleich und im selben Fachblatt haben Wissenschaflter*innen des britischen Wellcome Sanger Institute eine Studie zum gleichen Thema veröffentlicht. Mit genetischen Analysen von Proben von 2007 bis 2018 hatten sie die Evolution der multiresistenten Erreger nachvollzogen. Demnach sei die relevante Mutation, die in Kambodscha entstanden war, seit 2013 in Nachbarstaaten vorgestoßen und mittlerweile in 80 Prozent aller Erreger in Nordost-Thailand und Vietnam zu finden. Zudem sei nun eine leicht veränderte Variante dominant, die die Erreger noch besser gegen die Standardtherapie wappne. Die Tatsache, dass die Mutation sich so rapide ausgebreitet haben, lasse darauf schließen, dass sie den Erregern einen Überlebensvorteil bringe.

Mindestens acht Mal haben deutschsprachige Medien unabhängig voneinander und meist ausführlich über die Studien berichtet. Insgesamt sind drei an der Studie unbeteiligte Experten zitiert worden. Die dpa hat einen Experten des Hamburger Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin zur Studie befragt. Er sprach von einer dramatischen Situation. Gleichzeitig gab er weitestgehend Entwarnung für Tourist*innen: Die gängige Standby-Medikation sei nicht von den Resistenzen betroffen. Neben ihm hat die dpa auch einen Experten des Pariser Institut Pasteur aus einem ebenfalls im Lancet veröffentlichten Kommentar zur Studie zitiert. Ihm zufolge zeigten die Studien, dass sich die Erreger mit zunehmendem Tempo ausbreiteten. Es sei dringend notwendig, neue Therapien zu entwickeln. Und schließlich ist bei Nau.ch die Sichtweise eines Experten des Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Instituts wiedergegeben worden. Demnach seien die Resistenzen eher ein kleines Problem. Es gebe noch genügend andere Therapien. Für Thailand-Tourist*innen sei das Ansteckungsrisiko ohnehin gering.

 

Steckbrief

Journal: The Lancet Infectious Diseases (Studie der Mahidol Oxford Tropical Medicine Research Unit, Studie des Wellcome Sanger Institute)

Pressemitteilungen: Studie der Mahidol Oxford Tropical Medicine Research Unit : Nein.

Studie des Wellcome Sanger Institute: Ja (Von der Fachzeitschrift, vom Forschungsinstitut)

Aufgegriffen von:

  • aerzteblatt.de (23.07.2019)
  • dpa (23.07.2019): Redaktionsnetzwerk Deutschland: Kieler Nachrichten (23.07.2019)
  • Frankfurter Rundschau (29.07.2019)
  • Süddeutsche Zeitung Online (23.07.2019)
  • wissenschaft.de (23.07.2019)
  • Ärzte Zeitung Online (24.07.2019)
  • RTL.de (24.07.2019)
  • Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (28.07.2019)
  • Nau.ch (28.07.2019)

Die Vorhersage der Auswahl von Themen seitens der Journalisten gleicht dem täglichen Blick in die Glaskugel. Haben Journalisten das entsprechende Fachjournal auf dem Schirm? Werden sie das Thema aufgreifen und berichten? Wenn ja: mit welchem Dreh? Wenn nein: Kann es sein, dass wichtige entscheidungsrelevante Forschungsergebnisse, über die berichtet werden sollte, übersehen werden? Im Science Media Newsreel dokumentiert das Team des SMC einmal pro Woche rückblickend die kongruenten Wissenschaftsthemen, die aus namentlich genannten Fachzeitschriften in Presseerzeugnissen und Internetangeboten aufgegriffen wurden. Erwähnt werden nur solche Themen, die bei unserem zugegeben unvollständigen Monitoring in mehr als fünf unterschiedlichen Redaktionen mit textlich nicht identischen Berichten aufgegriffen wurden.

* Protokoll: Hendrik Boldt