Wissenschaftler*innen fordern: Keine Geneditierungen in der Keimbahn ohne weltweites Regelwerk (Nature)

Klinische Genom-Editierungen in der Keimbahn sollten weltweit transparent und unter Einbindung der gesamten Gesellschaft reguliert werden. Das haben 18 Personen aus Wissenschaft und Ethik zusammen am 13.03.2019 in einem Kommentar im Fachblatt Nature gefordert. Bei solchen Eingriffen werden Kinder geboren, die die Genveränderungen von Anfang an in sich tragen und selbst weitervererben können. Da es Zeit braucht, bis dafür die richtigen regulatorischen Rahmenbedingungen stehen, soll aus Sicht der Forscher*innen ein globales Moratorium von etwa fünf Jahren für solche Eingriffe gelten. Es könne per freiwilliger Selbstverpflichtung einzelner Länder durchgesetzt werden. Momentan seien Keimbahninterventionen ohnehin noch zu riskant für klinische Anwendungen. Forschung an Embryonen und somatische Therapien sollten während des Moratoriums wie gehabt fortgesetzt werden können, da hier keine Menschen mit editierten Genen geboren werden. Der zu schaffende internationale Rahmen solle Ländern keine bestimmte Politik aufzwingen. Jedoch solle er dazu verpflichten, Anwendungen der Technologie transparent zu machen, gut zu begründen und international wie national zu diskutieren, um einen gesellschaftlichen Konsens zu schaffen. Zudem solle eine internationale Behörde objektive Informationen sowie die Sichtweisen verschiedener betroffener gesellschaftlicher Gruppen aufarbeiten.

Mindestens zwölf Mal ist in deutschsprachigen Medien in unterschiedlichen Berichten über die Publikation geschrieben worden. In einem Kommentar beim SWR ist ein dauerhaftes Moratorium statt eines fünfjährigen gefordert worden. Das Science Media Center Germany (SMC) hat vier Expert*innen der Universität Mannheim, der Universität zu Köln, der Universität Wien und der Technischen Universität München um ihre Einschätzung der Veröffentlichung gebeten. Die Expert*innen äußerten sich positiv bezüglich des Anliegens der Publikation. Sie waren jedoch verschiedener Meinung zur Effektivität der darin vorgeschlagenen politischen Maßnahmen, wie beispielsweise des freiwilligen Moratoriums. Zudem kritisierte die Expertin der Universität Wien das Ziel eines gesellschaftlichen Konsenses und schlug vor, stattdessen die Pluralität der Standpunkte bewusst sichtbar zu machen. In zahlreichen Artikeln ist Material aus den SMC-Interviews verwendet worden. So haben aerzteblatt.de, der Deutschlandfunk, die dpa, der Tagesspiegel, die Schwäbische Zeitung, scinexx.de, der Standard, der SWR und die Zeit mindestens einmal daraus zitiert. Der Deutschlandfunk hat zudem einen Experten der Universität Freiburg, sowie den Vorsitzenden des Deutschen Ethikrates zur Veröffentlichung befragt. Und die Süddeutsche Zeitung hat eine Expertin des University College London zitiert. Sie kritisierte, dass im bisher einzigen Fall einer klinischen Keimbahntherapie mit CRISPR/Cas-9 in China bestehende Verbote und Gesetze gebrochen worden waren und nicht helfen würden, solche Vorfälle zu verhindern. Von der Zeit ist außerdem die Meinung zweier Wissenschaftler*innen der US-amerikanischen National Institutes of Health wiedergegeben worden, die ein vorläufiges Verbot von Keimbahninterventionen begrüßten.

Steckbrief

Journal: Nature

Pressemitteilungen: Ja (vom Forschungsinstitut)

Aufgegriffen von:

  • Ärztezeitung Online (13.03.2019)
  • dpa (13.03.2019): Berliner Zeitung (13.03.2019), Neue Westfälische (13.03.2019), Neue Zürcher Zeitung (13.03.2019), Stuttgarter Zeitung (13.03.2019), Südwest Presse (13.03.2019), Welt Online (13.03.2019)
  • SWR.de (13.03.2019)
  • Tagesspiegel Online (13.03.2019)
  • aerzteblatt.de (14.03.2019)
  • Deutschlandfunk Forschung Aktuell (14.03.2019)
  • Deutschlandfunk Nova (14.03.2019)
  • Schwäbische Zeitung online (14.03.2019)
  • scinexx.de (14.03.2019)
  • Standard Online (14.03.2019)
  • Süddeutsche Zeitung Online (14.03.2019)
  • Zeit Online (14.03.2019)

 

Luftverschmutzung belastet Gesundheit in Europa stärker als bisher vermutet (European Heart Journal)

Ungefähr 790 000 vorzeitige Todesfälle durch Luftverschmutzung gäbe es jährlich in Europa. Das seien etwa doppelt so viele, wie bislang vermutet. Insgesamt sinke die durchschnittliche Lebenserwartung in Europa aufgrund der Luftverschmutzung um 2,2 Jahre. Dies schreiben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Chemie in einer Studie, die am 12.03.2019 in der Fachzeitschrift European Heart Journal publiziert worden ist. Für ihre Untersuchungen haben sie neueste Erkenntnisse zur Schädlichkeit der Luftverschmutzung herangezogen. Deshalb sind die nun gefundenen Werte deutlich höher als bisherige Schätzungen. Als Konsequenz aus den Erkenntnissen fordern sie die Europäische Umweltagentur auf, ihre Angaben von momentan 400 000 vorzeitigen Todesfällen pro Jahr nach oben zu korrigieren.

Mindestens 18 Mal ist in deutschsprachigen Medien, teils ausführlich, über die Studie geschrieben und diskutiert worden. Die meisten Medien haben übereinstimmend berichtet, die Studie zeige, dass die Auswirkungen der Luftverschmutzung deutlich schlimmer als bisher angenommen seien. Vereinzelt hat es auch Kritik an der Methodik der Studie und der Sicherheit der Ergebnisse gegeben, so etwa bei Spiegel Online. Die Welt hat die Studienautoren ausführlich interviewt. Ansonsten sind keinerlei unbeteiligte Expert*innen aus der Forschung zu Wort gekommen. Jedoch hat Spiegel Online als unbeteiligte Expertin die Geschäftsführerin von Stat-Up, einer Consulting-Firma, aus einem Blogeintrag zur Studie zitiert. Darin kritisiert sie die Verwendung des Maßes der Anzahl vorzeitiger Todesfälle als unvernünftig und als „Musterbeispiel einer Unstatistik“ und zudem die Studienergebnisse als sehr unsicher. Auch bei Deutschlandfunk Nova ist die Verwendung des Maßstabes „Anzahl vorzeitiger Todesfälle“ als irreführend kritisiert worden.

Steckbrief

Journal: European Heart Journal

Pressemitteilungen: Ja (vom Fachjournal)

Aufgegriffen von:

  • tagesschau.de (17.01.2019) (Bericht vor Veröffentlichung der Studie)
  • Spiegel Online (27.02.2019) (Bericht vor Veröffentlichung der Studie)
  • aerzteblatt.de (12.03.2019)
  • AFP (12.03.2019): Welt Online (12.03.2019)
  • Deutschlandfunk Umwelt und Verbraucher (12.03.2019)
  • dpa (12.03.2019): Bonner General-Anzeiger (12.03.2019), Stuttgarter Nachrichten (12.03.2019), Ärztezeitung (13.03.2019), Berliner Zeitung (13.03.2019), gleich APA: Standard (13.03.2019)
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung (12.03.2019)
  • MDR.de (12.03.2019)
  • science.ORF.at (12.03.2019)
  • scinexx.de (12.03.2019)
  • Spiegel Online (12.03.2019)
  • Süddeutsche Zeitung Online (12.03.2019)
  • SWR.de (12.03.2019)
  • Tagesspiegel Online (12.03.2019)
  • Wiener Zeitung (12.03.2019)
  • Deutschlandfunk Nova (13.03.2019)
  • Frankfurter Rundschau Online (13.03.2019)
  • Welt Online (13.03.2019)

 

 

*Protokoll: Hendrik Boldt

 

* Die Vorhersage der Auswahl von Themen seitens der Journalisten gleicht dem täglichen Blick in die Glaskugel. Haben Journalisten das entsprechende Fachjournal auf dem Schirm? Werden sie das Thema aufgreifen und berichten? Wenn ja: mit welchem Dreh? Wenn nein: Kann es sein, dass wichtige entscheidungsrelevante Forschungsergebnisse, über die berichtet werden sollte, übersehen werden? Im Science Media Newsreel dokumentiert das Team des SMC einmal pro Woche rückblickend die kongruenten Wissenschaftsthemen, die aus namentlich genannten Fachzeitschriften in Presseerzeugnissen und Internetangeboten aufgegriffen wurden. Erwähnt werden nur solche Themen, die bei unserem zugegeben unvollständigen Monitoring in mehr als fünf unterschiedlichen Redaktionen mit textlich nicht identischen Berichten aufgegriffen wurden.