Ein Wochenrückblick des Science Media Center, über welche Forschungsergebnisse viele Wissenschaftsjournalisten zeitnah berichten:

Künstliche Intelligenz AlphaZero lernt autodidaktisch verschiedene Spiele – und das besser als andere, spezialisierte Programme (Science)

Lediglich die klar definierten Spielregeln sind vonnöten gewesen, dann hat die Künstliche Intelligenz AlphaZero innerhalb weniger Stunden bis Tage die Spiele Schach, Shogi und Go auf einem höheren Niveau erlernt, als irgendein anderer Spieler – ob menschlich oder programmiert. Das Besondere dabei: Bisherige Künstliche Intelligenzen sind speziell für einzelne Spiele geschrieben worden. AlphaZero beherrscht, sofern es die Regeln kennt, verschiedene Spiele. Außerdem ist es nicht wie die meisten Programme aufwändig anhand tausender menschlicher Partien und bekannter Spielzüge ausgebildet worden. Stattdessen haben AlphaZero – wie schon seinem letztjährigen, auf Go spezialisierten Vorgänger AlphaGo Zero – die Spielregeln als Input ausgereicht. Dann hat es aus Spielen gegen sich selbst gelernt. Mit Hilfe des Monte Carlo Tree Searches sind dabei vielversprechende Züge ausgewählt worden. Und durch das Reinforcement Learning sind diese anhand der Spielergebnisse bewertet und modifiziert worden. Im Endeffekt hat das Programm sich so ein eigenes Repertoire erfolgreicher Vorgehensweisen angeeignet. Die Studie ist am 07.12.2018 im Fachblatt Science von Wissenschaftler*innen der Firma DeepMind und des University College London veröffentlicht worden.

Mindestens elf Mal ist von deutschsprachigen Medien in unterschiedlichen Berichten über die Studie geschrieben worden. Tenor der Artikel: Brettspiele kann Künstliche Intelligenz nun meistern; jetzt sollten neue, breitere Anwendungen erforscht werden. Vielfach sind unbeteiligte Expert*innen zu Wort gekommen. Das Science Media Center Germany (SMC) hat derer gleich fünf zur Studie interviewt: Je einen Experten der Technischen Universität Berlin, des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz, der Technischen Universität Kaiserlautern, der Friedrich-Schiller-Universität Jena und des Fraunhofer-Instituts für Intelligente Analyse- und Informationssysteme. Der Experte der Technischen Universität Berlin ist aus diesen Interviews in der dpa-Meldung, bei science.ORF.at, im Standard und in der Süddeutschen Zeitung zitiert worden. Er hat sich begeistert vom Algorithmus gezeigt, aber auch darauf verwiesen, dass dieser nur in fest definierten Spielen mit eindeutigen Bewertungen und Regeln nützlich sei. In der Süddeutschen Zeitung ist zudem der Experte des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz aus den SMC-Interviews wörtlich wiedergegeben worden. Und die dpa sowie science.ORF.at haben aus diesen Interviews auch Aussagen des Experten des Fraunhofer-Instituts für Intelligente Analyse- und Informationssysteme übernommen. Abgesehen von den SMC-Experten hat science.ORF.at noch einen Experten des Österreichischen Forschungsinstituts für Artificial Intelligence zur Studie befragt. Außerdem ist bei der dpa ein Experte des Karlsruher Instituts für Technologie mit seiner Einschätzung zur Studie zitiert worden.

Steckbrief

Journal: Science

Pressemitteilungen: Ja (vom Fachjournal)

Aufgegriffen von:

  • dpa: Kieler Nachrichten (06.12.2018), Neue Presse (06.12.2018), Welt (06.12.2018), Berliner Zeitung (11.12.2018)
  • Neue Zürcher Zeitung Online (06.12.2018)
  • science.ORF.at (06.12.2018)
  • Standard (06.12.2018)
  • Süddeutsche Zeitung (06.12.2018)
  • Tagesspiegel (06.12.2018)
  • Deutschlandfunk (07.12.2018)
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung (07.12.2018)
  • golem.de ((07.12.2018)
  • scinexx.de (07.12.2018)
  • Heise.de (08.12.2018)

 Gelungene Organspende: Erstmals glückt Geburt eines Kindes mit dem Uterus einer Toten (The Lancet)

Mediziner*innen der Universität von São Paulo haben einer 32-jährigen Frau, die von Natur aus keinen Uterus hatte (sogennantes Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom), die Gebärmutter einer hirntoten Spenderin transplantiert. Sieben Monate später haben sie eine künstliche Befruchtung mit vorher gewonnenen Eizellen der Patientin durchgeführt. Das Kind ist im Dezember per Kaiserschnitt zur Welt gekommen. Der Uterus ist dabei gleich mit entfernt worden, sodass die medikamentöse Hemmung des Immunsystems (Immunsuppression) danach nicht mehr nötig gewesen ist. Die Immunsuppression hatte dazu gedient, dass neue Organ vor dem Immunsystem der Patientin zu schützen. Ihren Machbarkeitsbeweis haben die Mediziner*innen am 04.12.2018 in der Fachzeitschrift The Lancet veröffentlicht. Bislang hatten lediglich Uterus-Transplantationen von Lebendspenderinnen zu Geburten geführt. Der Hauptunterschied liegt darin, dass die Uteri toter Spenderinnen deutlich länger mit Minderdurchblutung (Ischämie) auskommen müssen. Wie der Fall aus Brasilien zeigt, kann die Transplantation dennoch erfolgreich sein.

Mindestens neun Mal ist von deutschsprachigen Medien unabhängig voneinander über die Studie berichtet worden. Dabei sind vielfach die beiden vom Science Media Center Germany (SMC) interviewten unbeteiligten Experten des Universitätsklinikums Erlangen und des Universitätskrankenhauses Gent zitiert worden. In der Frankfurter Neuen Presse, bei Spiegel Online und Welt Online sind Aussagen beider Experten übernommen worden. Hier ist besonders betont worden, dass beide sich hinsichtlich der künftigen Nutzung solcher Transplantationen widersprochen haben. Während der Experte aus Erlangen nicht davon ausgeht, dass das Verfahren sich in der Breite durchsetzen wird, glaubt sein Kollege aus Gent, dass es eine wichtige Rolle zur Behandlung von Infertilität und anderen Indikationen spielen wird. In der Süddeutschen Zeitung sind ausschließlich Aussagen des Experten des Uniklinikums Erlangen übernommen worden. Allerdings sind seine skeptischeren Einschätzungen zur Nutzung der Technik nicht erwähnt worden. In der AFP-Meldung zur Studie sind außerdem zwei Experten des Imperial College London und des King‘s College London zitiert worden. Beide beurteilen die Chancen zur Umsetzung des Verfahrens positiv.

Steckbrief

Journal: The Lancet

Pressemitteilungen: Ja (vom Fachjournal)

Aufgegriffen von:

  • AFP: Neue Zürcher Zeitung online (05.12.2018), Frankfurter Rundschau (06.12.2018), Stuttgarter Zeitung (06.12.2018), Südwest Presse (06.12.2018)
  • Bayerischer Rundfunk (05.12.2018)
  • Deutschlandfunk (05.12.2018)
  • dpa: Süddeutsche Zeitung (05.12.2018), Bonner General-Anzeiger (05.12.2018), Berliner Zeitung (06.12.2018)
  • Spiegel Online (05.12.2018)
  • Süddeutsche Zeitung Online (05.12.2018)
  • Welt Online (05.12.2018)
  • Frankfurter Neue Presse (06.12.2018)
  • Tagesspiegel (06.12.2018)

 

Mit Schweineherzen länger leben? Durchbruch für Xenotransplantation (Nature)

Paviane haben in Versuchen bis zu 195 Tage lang mit transplantierten Schweineherzen statt ihrer eigenen Herzen überlebt. Bisher hatte der Rekord bei 57 Tagen gelegen. Die Spenderschweine sind gentechnisch so modifiziert worden, dass ihre Herzen weniger stark vom Immunsystem der Empfänger abgestoßen werden. Zudem sind das problematische Wachstum der Schweineherzen und der Blutdruck medikamentös verringert und das Immunsystem der Affen gehemmt worden. Die Versuchsaffen haben die Medikamente dabei anscheinend gut vertragen. Außerdem hat die oxygenierte Konservierung des Organs zwischen den Operationen mittels Herz-Lungen-Maschine im Gegensatz zur herkömmlichen Kühlungsmethode die Organqualität deutlich verbessert. Laut den Autor*innen könnten in einigen Jahren eventuell die ersten Xenotransplantationen (Transplantation über Artgrenzen hinweg) mit Schweinen als Spender für Menschen durchgeführt werden. Die Studie ist von Wissenschaftler*innen der Ludwig-Maximilians-Universität München am 05.12.2018 im Fachblatt Nature veröffentlicht worden.

Mindestens zehn Mal ist in deutschsprachigen Medien in unterschiedlichen Berichten über die Studie geschrieben worden. Dabei sind zahlreiche unbeteiligte Experten, insbesondere aus den Interviews des Science Media Center Germany (SMC), zitiert worden. Das SMC hatte je einen Experten der Uniklinik RWTH Aachen, des Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin, der Universitätsmedizin Rostock, des Bundesforschungsinstituts für Tiergesundheit und des Paul-Ehrlich-Instituts – Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel (PEI) interviewt. Alle Experten haben sich beeindruckt von den Studienergebnissen und optimistisch bezüglich der zukünftigen Nutzung von Xenotransplantationen im klinischen Alltag gezeigt. Der Experte der Uniklinik RWTH Aachen ist dabei in der APA- und dpa-Meldung wörtlich wiedergegeben worden. Der Experte der Universitätsmedizin ist bei der Süddeutschen Zeitung sowie bei scinexx.de zu Wort gekommen. Zudem ist der SMC-Experte des Bundesforschungsinstituts für Tiergesundheit im Bayerischen Rundfunk zitiert worden. Und die Meinung des Experten des Robert-Koch-Instituts ist sowohl beim Ärzteblatt als auch beim Bayerischen Rundfunk wiedergegeben worden.  Neben den SMC-Experten ist auch ein Experte des Deutschen Herzzentrums Berlin im Ärzteblatt, in der APA- und dpa-Meldung, beim Bayerischen Rundfunk, bei scinexx.de, bei Standard Online und im Tagesspiegel zitiert worden. Außerdem hat der Bayerische Rundfunk einen Experten des Uniklinikums Regensburg zur Studie befragt.

Steckbrief

Journal: Nature

Pressemitteilungen: Ja (vom Forschungsinstitut)

Aufgegriffen von:

  • Bayerischer Rundfunk (05.12.2018)
  • Neue Zürcher Zeitung (05.12.2018)
  • Süddeutsche Zeitung Online (05.12.2018)
  • APA: Der Standard (06.12.2018)
  • Bayerischer Rundfunk (06.12.2018)
  • Deutschlandfunk (06.12.2018)
  • dpa: Berliner Zeitung (06.12.2018), Nürnberger Nachrichten (06.12.2018), Süddeutsche Zeitung (06.12.2018), Welt (06.12.2018)
  • scinexx.de (06.12.2018)
  • Spektrum.de (06.12.2018)
  • Tagesspiegel (06.12.2018)

 

 

*Protokoll: Hendrik Boldt

 

* Die Vorhersage der Auswahl von Themen seitens der Journalisten gleicht dem täglichen Blick in die Glaskugel. Haben Journalisten das entsprechende Fachjournal auf dem Schirm? Werden sie das Thema aufgreifen und berichten? Wenn ja: mit welchem Dreh? Wenn nein: Kann es sein, dass wichtige entscheidungsrelevante Forschungsergebnisse, über die berichtet werden sollte, übersehen werden? Im Science Media Newsreel dokumentiert das Team des SMC [https://www.sciencemediacenter.de/] einmal pro Woche rückblickend die kongruenten Wissenschaftsthemen, die aus namentlich genannten Fachzeitschriften in Presseerzeugnissen und Internetangeboten aufgegriffen wurden. Erwähnt werden nur solche Themen, die bei unserem zugegeben unvollständigen Monitoring [http://www.meta-magazin.org/2018/04/04/waehlerische-wissenschaftsjournalisten/] in mehr als fünf unterschiedlichen Redaktionen mit textlich nicht identischen Berichten aufgegriffen wurden.