Ein Wochenrückblick des Science Media Center, über welche Forschungsergebnisse viele Wissenschaftsjournalisten zeitnah berichten:

Plazenta-Modell aus dem Labor ermöglicht neue Einblicke in die frühe Schwangerschaft (Nature)

Trophoblasten-Zellen aus menschlichem Plazenta-Gewebe sind von Wissenschaftler*innen der britischen Universität Cambridge erfolgreich zu kleinen, dreidimensionalen Plazentastrukturen – sogenannten Plazenta-Organoiden – herangezogen worden. Die Zellen haben sich in einer Nährflüssigkeit in verschiedene Subtypen der Trophoblasten-Zellen ausdifferenziert. Sie können mindestens bis zu einem Jahr überleben und daher langfristig erforscht werden. Da die Organoide Teilen der menschlichen Plazenta im ersten Trimester der Schwangerschaft hormonell und strukturell ähneln, hoffen die Wissenschaftler*innen, einen tieferen Einblick in diese Entwicklungsphase zu gewinnen. Zudem spielen die Trophoblasten, deren natürliche Funktion die Nährstoffzufuhr des Embryos ist, bei verschiedenen Schwangerschaftskrankheiten wie zum Beispiel Präeklampsie eine Rolle.  Das Verständnis dieser Krankheiten könnte sich mit dem untersuchbaren Plazenta-Modell verbessern. Auch Medikamente könnten am Organoid getestet werden. Die Studie ist am 28.11.2018 im Fachblatt Nature veröffentlicht worden.

Mindestens sechs Mal haben deutschsprachige Medien unabhängig voneinander über die Studie berichtet. Insgesamt ist das Studienergebnis als Katalysator für die Forschung zu Schwangerschaft und Schwangerschaftskomplikationen beschrieben worden. Oft sind unbeteiligte Expert*innen zitiert worden. Das Science Media Center Germany (SMC) hat unbeteiligte Expert*innen der Medizinischen Universität Wien, des Instituts für Molekulare Biotechnologie GmbH (IMBA) in Wien, der Medizinischen Universität Graz und des Universitätsklinikums Essen zur Studie interviewt. In der dpa-Meldung zur Studie und bei der Süddeutschen Zeitung ist der Experte der Medizinischen Universität Wien aus diesen Interviews zitiert worden. Dieser hat auf eine eigene, sehr ähnliche Studie hingewiesen und in Plazenta-Organoiden einen Schritt hin zu einem tieferen Verständnis der Plazenta gesehen. Zudem haben die dpa, der Standard und der Tagesspiegel Aussagen des Experten der Medizinischen Universität Graz übernommen. Laut diesem werden die Plazenta-Organoide definitiv Bestandteil der Plazentaforschung werden. Zugleich seien sie aber noch weit von der echten Plazenta entfernt. Der Tagesspiegel hat außerdem aus den SMC-Interviews die Expertin des IMBA zitiert. Sie hat die Studie zusammen mit ähnlichen Vorgängerstudien als großen Fortschritt der Reproduktionsmedizin bewertet.  Die Süddeutsche Zeitung auch die Ansichten einer Expertin der Medizinischen Universität Wien wiedergegeben, die nicht Teil der SMC-Interviews gewesen war. Sie hat die Hoffnung geäußert, zukünftig mit noch besseren Organoiden auch die Interaktion zwischen mütterlichem und embryonalem Plazentagewebe modellieren zu können.

Steckbrief

Journal: Nature

Pressemitteilungen: Ja (vom Fachjournal)

Aufgegriffen von:

  • dpa (28.11.2018): Neue Presse (28.11.2018), ntv.de (28.11.2018), Redaktionsnetzwerk Deutschland (28.11.2018), Spiegel Online (29.11.2018)
  • Süddeutsche Zeitung (28.11.2018)
  • Tagesspiegel (28.11.2018)
  • Deutschlandfunk Nova (29.11.2018)
  • DerStandard Online (01.12.2018)
  • Ärztezeitung Online (03.12.2018)

 

Protokoll: Hendrik Boldt

 

1Die Vorhersage der Auswahl von Themen seitens der Journalisten gleicht dem täglichen Blick in die Glaskugel. Haben Journalisten das entsprechende Fachjournal auf dem Schirm? Werden sie das Thema aufgreifen und berichten? Wenn ja: mit welchem Dreh? Wenn nein: Kann es sein, dass wichtige entscheidungsrelevante Forschungsergebnisse, über die berichtet werden sollte, übersehen werden? Im Science Media Newsreel dokumentiert das Team des SMC einmal pro Woche rückblickend die kongruenten Wissenschaftsthemen, die aus namentlich genannten Fachzeitschriften in Presseerzeugnissen und Internetangeboten aufgegriffen wurden. Erwähnt werden nur solche Themen, die bei unserem zugegeben unvollständigen Monitoring in mehr als fünf unterschiedlichen Redaktionen mit textlich nicht identischen Berichten aufgegriffen wurden.