Therapeutischer Einsatz der Genschere CRISPR-Cas9 könnte versehentlich Krebsrisiko erhöhen (Nature Medicine)

Wer CRISPR-Cas9 nutzt, muss eventuell aufpassen. Bei der Anwendung auf eine bestimmte Menge Zellen, bleiben wohl vermehrt Zellen übrig, die anfällig für Krebs sind. Der Grund: Ein Einsatz der Genschere ist bei diesen Zellen effizienter. Bei anderen Zellen passieren eher Fehler und so werden sie nebenbei aussortiert. Bezogen auf potentielle klinische Anwendungen der Genschere bedeutet das: Injiziert man etwa einem Menschen Zellen, die außerhalb des Körpers mit der Genschere CRISPR-Cas9 bearbeitet wurden, so könnte darunter der Anteil an krebsanfälligen Zellen erhöht worden sein. Dadurch könnte eine solche Therapie das Risiko für Tumore erhöhen. Das ist das Ergebnis einer Studie, die am 11.06.2018 im Fachblatt Nature Medicine von Wissenschaftlern des Karolinska Institute in Stockholm veröffentlicht worden ist. Unabhängig von ihnen war zudem ein Team des Novartis Institute for Biomedical Research aus Cambridge, USA, zu ähnlichen Ergebnissen gelangt. Diese wurden zeitgleich in Nature Medicine publiziert. Beide Teams waren zu dem Schluss gekommen, dass das Eiweiß p53 der Grund für die unbeabsichtigte Selektion krebsanfälliger Zellen ist. p53 repariert Schäden in der Erbsubstanz DNA und beugt so Tumoren vor. Allerdings wird es auch bei Eingriffen mit CRISPR-Cas9 aktiv und verringert die Erfolgswahrscheinlichkeit der Genschere. Deswegen haben die Studienautoren vorgeschlagen, p53 für die Zeit des Eingriffs mit CRISPR-Cas9 zu unterdrücken und so diese Selektion zu unterbinden. Allerdings erhöhe dies kurzzeitig das Risiko für Mutationen, die ebenfalls das Krebsrisiko erhöhen könnten. Aufgrund ihrer Erkenntnisse haben deshalb beide Forscherteams weitere Studien zum Umgang mit diesem ungewollten Effekt von CRISPR-Cas9 gefordert. In ihren Studien hatten die Wissenschaftler den Effekt nur für menschliche Retinazellen und pluripotente menschliche Stammzellen nachgewiesen. Deswegen müsse unter anderem überprüft werden, ob er auch bei anderen Zelltypen so auftritt. Zudem müsse berechnet werden, wie stark genau das Krebsrisiko durch Therapien mit der Genschere erhöht würde.

Mindestens sieben deutschsprachige Medien haben über die Studie berichtet, und zwar allesamt ausführlich. So ist stets darauf hingewiesen worden, dass dies nicht das Ende der CRISPR-Genscheren bedeute. Es müsse mehr geforscht werden, um die Risiken bewerten zu können. In diesem Sinne hat etwa spektrum.de geschrieben, dass zumindest aus anderen Versuchen mit CRISPR-Cas9 an Mäusen noch kein erhöhtes Krebsrisiko bekannt sei. Um die Studie einzuordnen, sind meist nur Studienautoren als Experten zitiert worden. Der Deutschlandfunk hat zum Beispiel den Mit-Autor der Studie des Karolinska-Instituts Bernhard Schmierer interviewt. Die Süddeutsche Zeitung hat allerdings auch einen unabhängigen Wissenschaftler des Francis Crick Institute in London die Studienergebnisse bewerten lassen. Zudem hat der Tagesspiegel die Einschätzung eines unabhängigen Forschers der Universität Freiburg zur Studie erwähnt.

 

Steckbrief

Journal: Nature Medicine

Pressemitteilungen: Ja

Aufgegriffen von:

  • DLF Forschung Aktuell (12.06.2018)
  • de (12.06.2018)
  • de (12.06.2018)
  • Tagesspiegel (12.06.2018)
  • Süddeutsche Zeitung (14.06.2018)
  • Neue Zürcher Zeitung am Sonntag (16.06.2018)
  • Spiegel Online(19.06.2018)

 

Baobab-Bäume bedroht – ist der Klimawandel verantwortlich? (Nature Plants)

Neun der dreizehn ältesten und fünf der sechs größten Afrikanischen Baobabs (Adansonia Digitata L.), auch bekannt als Affenbrotbaum, sind im Zeitraum von 2005 bis 2017 ganz oder in Teilen abgestorben. Auch unter der restlichen Population der riesigen Bäume, die tausende Jahre alt werden können, sind mehr Bäume betroffen gewesen, als zu erwarten gewesen wäre. Das haben Wissenschaftler der Babes-Bolyai Universität, Rumänien, am 11.06.2018 im Fachblatt Nature Plants berichtet. Der Studie zufolge sind die Baobabs anscheinend eines natürlichen Todes gestorben. So hatte es zum Beispiel keiner Epidemie, etwa von Schädlingen, gegeben. Die Forscher mutmaßen, dass Klimaveränderungen verantwortlich sein könnten. Noch brauche es aber weitere Untersuchungen, um das feststellen zu können.

Über die Ergebnisse der Studie ist in mindestens elf deutschsprachigen Medien berichtet worden. Dabei ist die Berichterstattung meist über die bloße Meldung hinausgegangen und hat die Natur der Baobabs näher beschrieben. Vielfach sind Einzelschicksale besonders berühmter Bäume aufgegriffen worden. Wie unabhängige Experten die Studienergebnisse einordnen, ist nirgends beschrieben worden. Zudem sind die Studienergebnisse kaum kritisch beleuchtet oder hinterfragt worden. Spiegel Online hat jedoch angezweifelt, ob man den Klimawandel überhaupt so genau messen könne, dass er für den Tod der Baobabs verantwortlich gemacht werden könnte.

Steckbrief

Journal: Nature Plants

Pressemitteilungen: Nein

Aufgegriffen von:

  • Spektrum (11.06.2018)
  • Welt Online (11.06.2018), Welt (18.06.2018)
  • DLF Forschung Aktuell (12.06.2018)
  • dpa: Hamburger Abendblatt (12.06.2018), Berliner Morgenpost (13.06.2018)
  • at (12.06.2018)
  • Spiegel Online (12.06.2018)
  • Frankfurter Rundschau (14.06.2018)
  • Neue Zürcher Zeitung (14.06.2018)
  • Stern Online (14.06.2018)
  • Stuttgarter Nachrichten (14.06.2018)
  • Süddeutsche Zeitung (14.06.2018)

 

Die Antarktis im Zeichen des Klimawandels

Wie entwickelt sich die Antarktis momentan und in naher Zukunft? Welche Rolle spielen dabei wir Menschen und der Klimawandel? Was lernen aus der Vergangenheit, um das zu beantworten? Um diese Fragen ist es am 13.06.2018 in mehreren Beiträgen im Fachblatt Nature gegangen. Medial sind die Beiträge vielfach gebündelt aufgegriffen und berichtet worden. Zwei Fachartikel sind dabei mehr als vier Mal diskutiert worden und haben es so ins Newsreel geschafft:

Antarktisches Eis schmilzt zuletzt immer schneller (Nature)

40 Prozent des gesamten Beitrags der Antarktis zum Anstieg des Meeresspiegels zwischen 1992 und 2017 sind in den letzten fünf Jahren ab 2012 verursacht worden. Seit diesem Zeitpunkt hat sich die jährliche Geschwindigkeit des durch die Antarktis verursachten Anstiegs von 0.2 mm auf 0.6 mm pro Jahr versechsfacht. Dies ist das Ergebnis umfassender Untersuchungen eines internationalen Teams: 84 Wissenschaftler aus 44 Organisationen, geleitet von Wissenschaftlern der University of Leeds und des NASA Jet Propulsion Laboratory in Pasadena, haben dafür 24 mit Hilfe von Satellitendaten erstellte Schätzungen der Eismasse zusammen ausgewertet. Die Ergebnisse sind am 13.06.2018 im Fachblatt Nature veröffentlicht worden. Teils hatten die Satelliten die Höhe der Oberflächen in der Antarktis, teils die durch veränderte Eismassen leicht veränderte Gravitation der Erde gemessen. Außerdem hatten einige Satelliten den Input und Output zum antarktischen Eis ermittelt, der dann verrechnet werden konnte. Mit Hilfe dieser drei Methoden haben die Wissenschaftler einen Einblick erhalten, wie sich die Eismasse der Antarktis in den letzten 25 Jahren verändert hat. Über zukünftige Entwicklungen haben sie daraus aber ohne weiteres nichts ableiten gekonnt.

Mindestens 15 deutschsprachige Medien haben die Studie aufgegriffen. Auch als Agentur-Meldung ist sie weit verbreitet worden. Zu Wort gekommen sind dabei fast ausschließlich die Studienexperten. Bei Zeit Online ist in einem ausführlichen Artikel außerdem noch je ein unabhängiger Wissenschaftler vom Geoforschungszentrum Potsdam und vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung zitiert worden. Zudem hat die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) die Meinung eines unabhängigen Experten der Freien Universität Brüssel zur Studie in ihrer Berichterstattung aufgeführt. Die NZZ hat auch am kritischsten die Validität der Studienergebnisse hinterfragt. So ist in der NZZ zwei Mal darauf hingewiesen worden, dass die Studienergebnisse aufgrund der Messungen per Satellit noch mit großer Unsicherheit belegt seien. Beim Deutschlandfunk ist überdies darauf aufmerksam gemacht worden, dass die Studie keine Aussage dazu treffe, ob sich das Abschmelzen der Antarktis in Zukunft weiter beschleunige oder nicht.

Steckbrief

Journal: Nature

Pressemitteilungen: Ja, die erste, zweite und dritte.

Aufgegriffen von:

  • AFP (13.06.2018)
  • DPA (13.06.2018): Bonner General-Anzeiger (14.06.2018), Kölner Stadt-Anzeiger (14.06.2018), Stuttgarter Zeitung (14.06.2018), Stern (14.06.2018), Tagesspiegel.de (14.06.2018), TAZ (14.06.2018), Sächsische Zeitung (14.06.2018), Welt Online (14.06.2018)
  • FAZ Online (13.06.2018)
  • de (13.06.2018)
  • Neue Zürcher Zeitung (13.06.2018)
  • orf.at (13.06.2018)
  • Spiegel Online (13.06.2018)
  • at (13.06.2018)
  • Tages-Anzeiger (13.06.2018)
  • Zeit Online (13.06.2018)
  • Deutsche Welle (dw.com) (14.06.2018)
  • DLF Forschung Aktuell (14.06.2018)
  • Frankfurter Rundschau (14.06.2018)
  • de (14.06.2018)
  • Süddeutsche Zeitung (14.06.2018)

Ambitionierter Klimaschutz vs. „business-as-usual“: Wie unsere Politik die Zukunft der Antarktis bestimmt (Nature)

Die politischen Entscheidungen von heute bestimmen die Zukunft der Antarktis. Und wenn die Antarktis schmilzt, steigt der Meeresspiegel. Der durch die Antarktis verursachte Anstieg könnte bis zum Jahr 2070 mehr als 75 Prozent geringer ausfallen, wenn weltweit eine strikte Klimaschutzpolitik durchgeführt und nicht unreguliert Treibhausgas ausgestoßen würde. In dem strikten Szenario, das dem RCP2.6-Szenario des fünften Sachstandsberichts des Weltklimarates IPCC entspricht, würde der globale Anstieg der Durchschnittstemperatur bis 2070 auf 0,9 Grad Celsius im Vergleich zum Zeitraum von 1986 bis 2005 beschränkt. Im Falle eines business-as-usualAnsatzes, der dem RCP8.5-Szenario des fünften Sachstandsberichts des Weltklimarates IPCC entspricht, käme man auf 2,9 Grad Celsius. Langfristig würden in diesem Szenario die abschmelzenden Eiskappen der Antarktis gar für bis zu drei Meter Meeresspiegel-Anstieg bis zum Jahr 2300 sorgen. Dies geht aus der Veröffentlichung eines Teams von Wissenschaftlern um Stephen Rintoul vom Centre for Southern Hemisphere Oceans Research in Hobart, Australien, vom 13.06.2018 aus dem Fachblatt Nature hervor. Ihre Beschreibungen haben sie darin bewusst als sehr spekulativ bezeichnet: Statt als Prognosen seien die Szenarien eher als Anregungen für politische Diskussionen zu sehen. Dennoch sind ihre Szenarien nicht völlig aus der Luft gegriffen. Schließlich hatten die Wissenschaftler, um die Auswirkungen verschiedener Politiken zu berechnen, auch quantitative Modelle und aktuelle Erkenntnisse zu Zusammenhängen in der Antarktis einbezogen.

Mindestens acht deutschsprachige Medien haben den Fachartikel in ihrer Berichterstattung erwähnt. Außer den Studienautoren sind dabei keine weiteren, also unabhängige, Experten zitiert worden. Zeit Online hat betont, dass es sich um äußert spekulative Szenarien handele. Viele andere Medien haben über den Fachartikel berichtet, ohne die Ergebnisse auf diese Art explizit als spekulativ zu markieren. Abgesehen davon sind die Ergebnisse der Szenarien konsistent berichtet worden.

Steckbrief

Journal: Nature

Pressemitteilungen: Ja

Aufgegriffen von:

  • dpa (13.06.2018): Stuttgarter Zeitung (14.06.2018), Stern (14.06.2018), taz (14.06.2018), Sächsische Zeitung (14.06.2018), Welt Online (14.06.2018)
  • FAZ Online (13.06.2018)
  • de (13.06.2018)
  • orf.at (13.06.2018)
  • Spiegel Online (13.06.2018)
  • Tages-Anzeiger (13.06.2018)
  • Zeit Online (13.06.2018)
  • Deutsche Welle (dw.com) (14.06.2018)

 

 

*1Die Vorhersage der Auswahl von Themen seitens der Journalisten gleicht dem täglichen Blick in die Glaskugel. Haben Journalisten das entsprechende Fachjournal auf dem Schirm? Werden sie das Thema aufgreifen und berichten? Wenn ja: mit welchem Dreh? Wenn nein: Kann es sein, dass wichtige entscheidungsrelevante Forschungsergebnisse, über die berichtet werden sollte, übersehen werden? Im Science Media Newsreel dokumentiert das Team des SMC einmal pro Woche rückblickend die kongruenten Wissenschaftsthemen, die aus namentlich genannten Fachzeitschriften in Presseerzeugnissen und Internetangeboten aufgegriffen wurden. Erwähnt werden nur solche Themen, die bei unserem zugegeben unvollständigen Monitoring in mehr als fünf unterschiedlichen Redaktionen mit textlich nicht identischen Berichten aufgegriffen wurden.