Ein Wochenrückblick des Science Media Center über welche Forschungsergebnisse viele Wissenschaftsjournalisten zeitnah berichten:

Die Vorhersage der Auswahl von Themen seitens der Journalisten gleicht dem täglichen Blick in die Glaskugel. Haben Journalisten das entsprechende Fachjournal auf dem Schirm? Werden sie das Thema aufgreifen und berichten? Wenn ja: mit welchem Dreh? Wenn nein: Kann es sein, dass wichtige entscheidungsrelevante Forschungsergebnisse, über die berichtet werden sollte, übersehen werden? Im Science Media Newsreel dokumentiert das Team des SMC einmal pro Woche rückblickend die kongruenten Wissenschaftsthemen, die aus namentlich genannten Fachzeitschriften in Presseerzeugnissen und Internetangeboten aufgegriffen wurden. Erwähnt werden nur solche Themen, die bei unserem zugegeben unvollständigen Monitoring  in mehr als fünf unterschiedlichen Redaktionen mit textlich nicht identischen Berichten aufgegriffen wurden.

Biosensoren spüren Blut im Darm auf (Science)

Mit Hilfe von schluckbaren Biosensoren soll künftig nicht-invasiv festgestellt werden, ob sich Blut im Darm befindet. Das Ergebnis der Messungen wird live ans Smartphone gesendet. Ein erster Test an Schweinen sei bereits gelungen, schreiben die Forscher des Massachusetts Institute of Technology in einer am 25.05.2018 in Fachmagazin Science veröffentlichten Studie. Die Sensoren bestehen aus einer Kapsel, in der genmodifizierte lebende E-coli Bakterien mit Lichtsignalen auf den Blutbestandteil HÄM reagieren und dadurch ein Signal an das Smartphone senden können. Mit Batterien ausgestattet, könne die drei bis vier Zentimeter lange Kapsel theoretisch anderthalb Monate lang Daten senden. So könnten über längere Zeit Veränderungen im Darm studiert werden. Außerdem soll der Biosensor auch auf die Erkennung anderer Moleküle und Bakterien programmierbar sein. Dadurch könnten verschiedene Krankheiten besser und früher diagnostiziert werden.

Über die Veröffentlichung wurde in fünf deutschsprachigen Medien berichtet. Dabei wurde einheitlich der Inhalt der Studie beschrieben und diese als Startpunkt für weitere Entwicklungen betrachtet. Der Ausblick auf zukünftige praktische Anwendungen blieb allerdings recht allgemein. Die Berichte fragten nicht, ob die Ausweitung der Biosensoren auf die Detektion weiterer Moleküle oder Bakterien sinnvoll und machbar ist. Lediglich die NZZ schrieb skeptisch, dass noch abzuwarten bliebe, inwiefern die Kapsel tatsächlich besser als herkömmliche Verfahren wie Endoskopie sei.

Steckbrief

Journal: Science

Pressemitteilungen: Ja

Aufgegriffen von:

  • Science.orf.at (24.05.2018)
  • DLF Forschung Aktuell (25.05.2018)
  • Neue Züricher Zeitung (25.05.2018)
  • Ärzteblatt (28.05.2018)
  • FAZ (30.05.2018)

Gelangen über die Haut beim Grillen mehr Schadstoffe in den Körper als durch Einatmen? (Environmental Science & Technology)

Beim Grillen werden eventuell mehr krebserregende Polycyclische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) über die Haut aufgenommen als durch Einatmen. Das schreiben Wissenschaftler der Jinan University, Guangzhou, in einer am 23.05.2018 im Fachmagazin Environmental Science & Technology veröffentlichten Studie. Sie hatten für ihre Untersuchungen 20 Menschen beim Grillen in mehrere Gruppen aufgeteilt. Einige Probanden aßen lediglich die Lebensmittel, andere inhalierten den Rauch und wieder andere trugen eine Atemmaske. Nach dem Grillen wurden die PAK-Werte im Urin gemessen. Für die Forscher überraschenderweise hatte Kleidung bei der Aufnahme über die Haut nur einen bedingten Schutzeffekt. War sie voll mit Rauch, so wurden PAKs von der darunterliegenden Haut aufgenommen. Den größten Anteil an der Aufnahme von PAKs hat allerdings der Verzehr der gegrillten Lebensmittel. Trotzdem raten die Wissenschaftler, Kleidung nach dem Grillen zu wechseln. Aufgrund der geringen Studiengröße sind die Ergebnisse allerdings mit erheblicher Vorsicht zu genießen.

Insgesamt wurde über die Studie in mindestens fünf deutschsprachigen Medien berichtet und darüber hinaus eine DPA-Meldung weit verbreitet. Die Berichterstattung wies übereinstimmend darauf hin, dass mehr PAKs durch die Haut als durch Einatmen aufgenommen würden. Zudem wurden meist Heterozyklische Aromatische Aminen (HAA) als weitere potentiell krebserregende und beim Grillen ausgestoßene Schadstoffe erwähnt. Oft wurden praktische Ratschläge gegeben, um die Gesundheitsbelastung beim Grillen zu mindern, wie z.B. von Holzkohle- auf Elektro- oder Gasgrills umzusatteln.

Der einzige Artikel, der die Studie und die generelle Berichterstattung kritisierte, wurde bei Spektrum.de veröffentlicht. Dort wurde die Aussagekraft der Studie aufgrund verschiedener methodischer Nachlässigkeiten sowie insbesondere wegen der geringen Probandenzahl angezweifelt. Nur die Tatsache, dass überhaupt Schadstoffe über die Haut aufgenommen werden könnten, hält der Autor des Artikels für belegbar.

Steckbrief

Journal: Environmental Science and Technology

Pressemitteilungen: Nein

Aufgegriffen von:

  • DPA: Welt Online (23.05.2018), Handelsblatt (23.05.2018), T-online (23.05.2018), Wirtschaftswoche Online (23.05.2018), Aachener Nachrichten (23.05.2018), Nürnberger Nachrichten (24.05.2018), Stuttgarter Nachrichten (28.05.2018), Südwest Presse (24.05.2018)
  • Deutschlandfunk Nova (24.05.2018)
  • Scinexx (24.05.2018)
  • Frankfurter Rundschau (25.05.2018)
  • Focus Online (25.05.2018)
  • Spektrum (29.05.2018)

 

Bekämpfung des Klimawandels würde die Welt reicher machen (Nature)

Gelänge es, den Klimawandel bis zum Ende des Jahrhunderts auf 1,5 statt 2 Grad zu begrenzen, so wäre die weltweite Wirtschaft mit 60%tiger Wahrscheinlichkeit um 20 Billionen US Dollar (im Dollarwert von 2010) reicher. Dieses Resultat und weitere länderspezifische Ergebnisse zu den Kosten verschiedener Klimaszenarien veröffentlichten Wissenschaftler der Stanford University am 24.05.2018 im Fachblatt Nature. Den Zusammenhang zwischen Wirtschaftsleistung und Klima errechneten sie aus historischen Daten von 1960 bis 2010. Andere für die Wirtschaftsleistung relevante Faktoren wurden dabei herausgerechnet. Es ergab sich eine wirtschaftlich optimale Jahresdurchschnittstemperatur von 13.1 Grad. Einzelne Staaten wie Deutschland, deren Temperatur darunter liegt, könnten demnach sogar von einer Klimaerwärmung um 2 Grad profitieren. Die Mehrheit der Weltbevölkerung hätte aber Einbußen zu befürchten. Mögliche Kosten des Klimaschutzes, der für eine Begrenzung der Temperaturerhöhung auf 1,5 Grad notwendig wäre, wurden nicht in die Studie einbezogen. Aufgrund anderer Studien vermuten die Autoren allerdings, dass diese um ein Vielfaches niedriger als die Kosten der Klimaerwärmung sind.

Die Studie wurde in mindestens sieben deutschsprachigen Medien diskutiert. Weitgehend übereinstimmend wurde berichtet, welche wirtschaftlichen Kosten mit einer Erwärmung um 2 Grad im Vergleich zu 1,5 Grad einhergehen. Diese wurden – meist ohne Angabe der Wahrscheinlichkeit für die Korrektheit des Szenarios – auf 20 Billionen Euro beziffert. Größtenteils wurden diesen Kosten die deutlich geringeren Kosten für Klimaschutz gegenübergestellt. Während in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung nicht explizit erwähnt wurde, dass Deutschland laut Studienszenario wahrscheinlich von einem Klimawandel von 2 Grad profitiert, diskutierten die meisten anderen Medien diesen Punkt. Die Süddeutsche Zeitung zitierte hierzu Ottmar Edenhofer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, der eine rein nationale Interpretationen der Daten ablehnt und darauf hinweist, dass das Klima ein globales Allgemeingut sei, bei dem sich kein Staat ein eigenes Optimum aussuchen könne. Außerdem wiesen die meisten Artikel darauf hin, dass es viele Unsicherheiten in der Studie gebe, die dafür sprächen, dass sich der Klimawandel auch auf Deutschland negativ auswirken könnte. Zum Beispiel könnten die Effekte von Extremwetterereignissen im Vergleich zu historischen Daten überproportional zunehmen. In die andere Richtung zeigt eine von Science.orf aufgenommene Kritik, die aus einem parallel zur Studie in Nature veröffentlichten News&Views-Artikel stammt. Demnach könnten mögliche Anpassungen an den Klimawandel durch technologischen Fortschritt dessen Schaden für die Wirtschaft verringern. Grundsätzlich interpretieren aber alle Medien die Studie als ein Argument für stärkeren Klimaschutz.

Steckbrief

Journal: Nature

Pressemitteilungen: Nein

Aufgegriffen von:

  • orf.at (23.05.2018)
  • Süddeutsche Zeitung (24.05.2018)
  • DLF Forschung Aktuell (24.05.2018)
  • Der Standard (25.05.2018)
  • FAZ Online (25.05.2018)
  • Focus Online (25.05.2018)
  • Huffington Post (25.05.2018)