Fehlgesteuert, überflüssig, schädlich: Die PR der Wissenschaft muss neuerdings einiges einstecken: Eine Einführung in das Dossier „Bashing der Wissenschafts-PR“. VON MARKUS LEHMKUHL

Photo: CC BY SA 2.0: Niuton may

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Man kommt nicht umhin, aktuell eine gewisse Veränderung wahrzunehmen: Die Wissenschafts-PR bekommt Gegenwind, und zwar aus ungewohnter Richtung. Die Wissenschaft selbst nimmt sich ihre eigene PR zur Brust. Irgendwie plötzlich wird sie sich gewahr, dass etwas nicht stimmt. Sie beginnt darüber nachzudenken, wie sie ihrer gesellschaftlichen Rolle als Aufklärungsinstanz gerecht werden kann. Und sie kommt zu wirklich neuen Einsichten, die zum Beispiel im so genannten WÖM-Papier der Wissenschaftsakademien von 2014 niedergelegt sind. Eine der Kernbotschaften (Seite 20), gemünzt auf die professionalisierte Wissenschafts-PR: Hört auf, PR zu machen! Denn sie trägt zum Vertrauensverlust der Wissenschaft bei.

Diese Botschaft findet sich in einer Stellungnahme, die die Unterschrift trägt von einigen Eminenzen der deutschen Wissenschaft: Jörg Hacker, Reinhard Hüttl und Günter Stock. Das ist gelinde gesagt unerhört. Und sie passt kaum zu dem, was man bisher als eine Art Leitdokument der deutschen Wissenschaftskommunikation ansehen konnte: Dem gut 15 Jahre alten Memorandum „Dialog Wissenschaft und Gesellschaft“. Ganz und gar nicht passt sie aber zur real existierenden Manifestation dieses Memorandums, der gemeinnützigen Gesellschaft „Wissenschaft im Dialog“ (WiD), die, grundfinanziert durch die Wissenschaft und auf Kosten und Geheiß des Forschungsministeriums, unter anderem schwimmende Science Center auf die Reise schickt und Jahre–der-Wissenschaft-Kampagnen erdenkt. Was, wenn nicht das, hatte die WÖM-Kommission im Blick, wenn sie Kommunikationsformen anprangert, „die die Techniken und die Sprache der Werbewirtschaft, des Marketing und der Public Relations verwenden“ (Seite 20)?

Man kann diese Stellungnahme deshalb als ein Indiz dafür werten, dass es in der Wissenschaft grummelt, dass man sich von den eigenen PR-Profis zu distanzieren beginnt. Und man kann sie als Indiz dafür werten, dass die Wissenschaft ihre Rolle im Beziehungsgeflecht mit Öffentlichkeit und Gesellschaft selbstkritischer zu beurteilen beginnt. Sie wird sich gewahr, dass sie selbst Mitverantwortung trägt an dem, was sie vormals mit Vorliebe und ermüdender Redundanz den Journalisten zugeschoben hat: Sensationalisierung, Hype, Verzerrung, Übertreibung, Lüge gar.

Es scheint sich also etwas zu tun in diesem lange erstarrten Feld, dessen Beratungsresistenz namhafte Soziologen, Kommunikationswissenschaftler und Journalisten immer mal wieder unter der Hand beklagt haben. Anlass für uns, dem nachzugehen.

Wir starten zeithistorisch und zeichnen die Geschichte des Memorandums der Wissenschaftsorganisationen „Dialog Wissenschaft und Gesellschaft“ nach. Es geht darum, die aktuellen Strömungen in einen historischen Kontext zu stellen, der ihre Hintergründe erhellt.

Dabei soll es nicht bleiben. Wir wenden uns natürlich auch aktuellen Befunden zu, die geeignet sind, die kritische Sicht auf die Wissenschaftskommunikation zu fundieren. Eine eigentlich lange bekannte Einsicht ist zentral: Die Wissenschaftskommunikation ist nicht lediglich eine Verwässerung oder Verzerrung der Forschungskommunikation, sondern mit ihr verbunden.

Abrunden wollen wir das Dossier mit einer steilen These. Sie lautet: Die eigentliche Herausforderung einer aufklärerischen Wissenschaft ist nicht die eigene PR, auch nicht der Journalismus und schon gar nicht die digitalen Foren eines vitalen Ideologisierungsgeschehens: Die eigentliche Herausforderung für eine Wissenschaft mit aufklärerischem Anspruch sind Fehlentwicklungen innerhalb der Wissenschaft selbst.

Wir hoffen, mit diesem Dossier zu einer Debatte beizutragen, die unter anderem Dank des WöM-Papiers angeregt wurde.

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Markus LehmkuhlMarkus Lehmkuhl ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Arbeitsbereich Wissenschaftskommunikation der Freien Universität Berlin. Er leitet die Redaktion von meta seit 2007.