Mit der Gründung von „Wissenschaft im Dialog“ wandten sich die Wissenschaftsorganisationen vor 15 Jahren vom Journalismus ab. Sie machten die Popularisierung zu ihrer eigenen Sache. Ein Rückblick VON MARKUS LEHMKUHL

CC BY SA 2.0: LeoReynolds/flickr.com

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In Deutschland war die Wissenschaft spät dran. Anders als in Großbritannien machte sie das „Public Understanding of Science“ erst 1999 ganz offiziell zu ihrer eigenen Sache. Das bedeutet freilich nicht, dass die mit dieser Bewegung in Großbritannien gekoppelten Problemwahrnehmungen vor dieser Zeit in Deutschland nicht geteilt worden wären. Sie sind aber anders als in Großbritannien, wo die Royal Society 1985 den so genannten Bodmer Report veröffentlichte, nicht Gegenstand hoch offizieller wissenschaftlicher Dokumente geworden.

Die relative Verspätung der Deutschen ist unter anderem als eine Folge der Zersplitterung der Wissenschaft zu deuten, die über keinen institutionellen Korpus verfügt, der die deutsche Wissenschaft als Ganzes organisieren könnte. Es bedurfte der Initiative des wirtschaftsnahen Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft und gutem Zureden durch das Bundesforschungsministerium (BMBF), damit die Wissenschaftsorganisationen in Deutschland 1999 ein Memorandum „Dialog Wissenschaft und Gesellschaft“ unterzeichneten. In diesem Dokument machte die Wissenschaft die Kommunikation mit der Öffentlichkeit ganz offiziell zu ihrer eigenen Sache.

Vorbild „Public Understanding of Science“

Als Vorbild diente das „Public Understanding of Science“ in Großbritannien. Es wurde als eine „Bewegung“ beschrieben, die von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik getrieben werde (Memorandum: 59). In der Problemsicht, die in diesem Memorandum zum Ausdruck gebracht wurde, spiegelte sich zu großen Teilen althergebrachtes Denken. So wurde die Initiative damit begründet, dass es in der Öffentlichkeit an der Bereitschaft mangele, Naturwissenschaft und Technik trotz ihrer herausragenden Rolle als kulturelle Leistung zu begreifen. Diagnostiziert wurde ein Verständigungsproblem, das auf die starke Spezialisierung der Wissenschaft zurückgeführt wurde. Es wurde aber auch in Verbindung gebracht mit der Eigenschaft von Wissenschaft, nicht mehr lediglich Problemlöser zu sein, sondern auch Problemverursacher.

Im Memorandum herausgestellt wurden zwei Ziele der auf die Öffentlichkeit gerichteten Anstrengungen der Wissenschaftsorganisationen: Es ging erstens um die Akzeptanzsicherung für die Wissenschaft, an der sowohl der Wirtschaft als auch der Politik im Interesse der Innovationskraft Deutschlands gelegen sein müsse. Zweitens ging es um Aufklärung, die zum einen als notwendig erachtet wurde für die Ermöglichung der demokratischen Teilhabe an gesellschaftlichen Diskussionen mit Wissenschaftsbezug, zum anderen diene sie der Weckung von Begeisterung für die Wissenschaft. Um diese Ziele zu erreichen wurde angestrebt, einen „permanenten Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu etablieren“ (Memorandum: 59).

Das Memorandum zielte vorrangig auf Wissenschaftler. Diese wurden aufgefordert, ihre Arbeit auch in einer für Laien verständlichen Form darzustellen. Um deren Engagement zu befördern, wurde ein geeignetes Anreizsystem angestrebt, das den Dialog mit der Öffentlichkeit zu einem zusätzlichen Merkmal wissenschaftlicher Reputation machen sollte. Wissenschaftler sollten durch geeignete Weiterbildungen dazu befähigt werden. Etwas verbindlicher wurde der Ton des Memorandums mit Blick auf die PR-Anstrengungen jeder einzelnen Wissenschaftsorganisation. Die PR-Abteilungen sollten ihre Anstrengungen künftig abstimmen und koordinieren (Stifterverband 2000: 60).

PUSH – Ein Ideenwettbewerb

Direkt auf dieses Memorandum folgte die Einrichtung eines Aktionsprogramms „Public Understanding of Science and Humanities“ (PUSH) durch den Stifterverband für die deutsche Wissenschaft. Es handelte sich um einen Ideenwettbewerb, der Wissenschaftler aufforderte, Vorschläge zur Popularisierung wissenschaftlichen Wissens zu unterbreiten, die dem Geist des Memorandums Rechnung tragen. Bis 2003 wurden 67 Projekte unter 514 Anträgen ausgewählt und mit 1,2 Mio Euro gefördert. Die Projekte waren ein Sammelsurium unterschiedlichster Aktivitäten, die sich zumeist auf die Naturwissenschaften bezogen, in aller Regel Faszination wecken wollten für einzelne Disziplinen oder Forschungsbereiche (Ausstellungen, Exkursionen, Vortragsreihen) und den direkten Kontakt zur Zielgruppe herstellten. Vorrangig im Blickfeld waren Kinder und Jugendliche (Conein 2004). Einzelne Aktionen griffen den im Memorandum angelegten Dialog-Begriff auf. Im Rahmen dieses Aktionsprogrammes wurden mehrere Bürgerkonferenzen veranstaltet, in denen es zu einem Dialog kommen sollte zwischen Wissenschaftlern und Bürgern.

Ebenfalls unmittelbar nach Verabschiedung des Memorandums wurde im Jahr 2000 die gemeinnützige Gesellschaft „Wissenschaft im Dialog“ etabliert, die bis heute fortbesteht. Sie ist als eine Institution anzusprechen, in der das im Memorandum genannte Ziel der Koordinierung der PR-Aktivitäten Gestalt annehmen sollte. Sie wurde und wird durch die Wissenschaftsorganisationen grundfinanziert (aktuell 750.000 Euro jährlich). Öffentliche Sichtbarkeit entfaltet die Gesellschaft aber vor allem durch Initiativen und Projekte, die maßgeblich durch das Bundesforschungsministerium finanziert werden. Dirigiert wird sie von einer Lenkungsgruppe, in der formell die obersten Repräsentanten der deutschen Wissenschaftsorganisationen, der wirtschaftsnahe Stifterverband sowie das Forschungsministerium vertreten sind. Praktisch wird die Gesellschaft durch die Chefs der PR-Abteilungen der Wissenschaftsorganisationen gelenkt.

Diese Gesellschaft ist in den zurückliegenden 15 Jahren als Organisator bundesweiter Aktivitäten in Erscheinung getreten, die vor allem vom Versuch geprägt sind, die Faszination für Wissenschaft zu wecken. Als eine Klammer, die diese vielfältigen Aktionen inhaltlich zusammenhält, fungierten die so genannten „Jahre der Wissenschaft“. Bei diesen Jahren standen zunächst einzelne wissenschaftliche Disziplinen oder Disziplingruppen im Fokus (Physik, Chemie, Lebenswissenschaften, Informatik). Große Events wie der „Wissenschaftssommer“ oder ein schwimmendes Science Center sowie zahlreiche kleinere Aktionen wurden dann in jedem Jahr unter das Motto des jeweiligen Wissenschaftsjahres gestellt. Die Orientierung an wissenschaftlichen Disziplinen wurde im Jahre 2009 abgelöst von eher themenbezogenen Jahren der Wissenschaft, so 2010, in dem es um die Zukunft der Energie ging, 2015 steht nun die Stadt der Zukunft im Mittelpunkt.

Dies ist als eine Abkehr von einer wissenschaftszentrierten thematischen Ausrichtung der Wissenschaftsjahre hin zu einer stärker problembezogenen zu deuten, in der eine Orientierung an vermuteten Interessenlagen der Bevölkerung zum Ausdruck kommt. Dieser Problembezug schuf dann Anknüpfungspunkte für Experimente mit eher auf Dialog zielende Aktivitäten, etwa so genannte Konsensuskonferenzen, in denen eine kleine Zahl von Bürgern Empfehlungen verabschiedeten für die Gestaltung der künftigen Energieversorgung, die sich an Entscheidungsträger richtete.

„Forum Wissenschaftskommunikation“ – Von Wissenschaftlern bisher kaum zur Präsentation relevanter Ergebnisse genutzt

Als eine Aktivität, die primär auf die Reflexion der auf die Öffentlichkeit bezogenen Anstrengungen zielte, ist die Etablierung eines „Forums Wissenschaftskommunikation“ zu nennen, das seit 2008 ein Mal jährlich stattfindet. Mit dieser Konferenz hat „Wissenschaft im Dialog“ eine Möglichkeit geschaffen für den Erfahrungsaustausch zwischen professionellen Wissenschaftskommunikatoren. Daneben hat es mindestens potentiell ein Medium geschaffen für die Integration im Regelfall sozialwissenschaftlich erworbenen Reflexionswissens über die Wissenschaftskommunikation. Wie die Liste der Vorträge und Diskussionen allerdings zeigt, nutzten Wissenschaftler dieses Forum bislang kaum, um relevante Ergebnisse zu präsentieren.

Es wäre ein Missverständnis, würde man die auf die Wissenschaftspopularisierung zielenden Aktivitäten der Wissenschaft allein mit der Gesellschaft „Wissenschaft im Dialog“ in Verbindung bringen. Diese Initiative ist nicht aufzufassen als der Startpunkt intensiver Beschäftigung mit der Wissenschaftskommunikation. Eher ist sie der Versuch, den bereits vielfältigen Aktivitäten in der Wissenschaftspopularisierung neue Impulse und eine Richtung zu geben, um ihnen so größere Wirkungschancen zu eröffnen.

Damit ist zugleich eine der Entwicklungslinien angeschnitten, die die jüngere Geschichte der Wissenschaftskommunikation in Deutschland charakterisieren. „Die Wissenschaft“ tritt heute anders als noch vor 15 Jahren als Organisator von großen Events und anderen erlebnisbezogenen Großereignissen als eine Art Einheit in der Öffentlichkeit in Erscheinung, was insbesondere auf die Gesellschaft „Wissenschaft im Dialog“ zurückzuführen ist und eines der maßgeblichen politischen Ziele war, das ihre Gründung und Förderung motivierte.

Diese Initiative ist deshalb in Verbindung zu bringen mit anderen politischen Bestrebungen der jüngeren Vergangenheit, Wissenschaftsorganisationen dazu zu bewegen, sich in Verbünden zu organisieren, um „der Wissenschaft“ als gesellschaftlich relevanter Kraft zu mehr öffentlicher und politischer Geltung zu verhelfen. Dazu zählte der gescheiterte politische Versuch, mehrere Akademien der Wissenschaften zu einer einzigen „Nationalen Akademie der Wissenschaften“ zusammenzuführen, die dann als „Stimme der Wissenschaft“ Einfluss gewinnen könne auf gesellschaftlich relevante Fragen wie etwa die Regelung der Präimplantationsdiagnostik. Es gehört zu den derzeitigen Charakteristiken der konkreten Ausprägung von Wissenschaftskommunikation, dass die Einflussnahme auf gesellschaftlich relevante Diskurse fast völlig außerhalb dessen liegt, was unter dem Begriff der Wissenschaftskommunikation praktisch fassbar wird.

Dies ist als eine Folge der starken Relativierung der Bedeutung des Journalismus für die organisierte Wissenschaftskommunikation in den zurückliegenden 15 Jahren zu sehen. Diese Entwicklung haben das Aktionsprogramm PUSH und die Initiative Wissenschaft im Dialog einerseits deutlich werden lassen, andererseits auch katalysiert. Einflussnahme auf gesellschaftliche Debatten mit dem Ziel ihrer wissenschaftlichen Rationalisierung ist nicht vorstellbar ohne Massenmedien. Unter der Vielzahl der Aktivitäten, die „Wissenschaft im Dialog“ bündelt, findet sich aber keine einzige, bei der Massenmedien eine bedeutsame Rolle spielten. Ähnliches galt für das Aktionsprogramm PUSH. Kennzeichnend für die jüngere Entwicklung des Public Understanding of Science in Deutschland ist damit das Bestreben, Laien direkt anzusprechen. Daraus ergibt sich eine ganz beträchtliche Diversifizierung der Wissenschaftskommunikation, die eine große Zahl unterschiedlicher Formate hervorgebracht hat, in denen es vorrangig um die Weckung von Faszination, um Erleben und Informieren geht, nicht um Problematisierung oder öffentlichen Diskurs.

Dahinter steht ein Verständnis, dass Öffentlichkeit eher als Sammelbegriff für unterschiedliche Zielgruppen begreift, an die werbende Botschaften mit persuasiver Wirkungsabsicht adressiert werden, nicht als ein gesellschaftliches System im soziologischen Sinne, das bestimmte gesellschaftliche Funktionen erfüllt und – bisher jedenfalls – nur durch Massenmedien hergestellt werden kann.

Es lässt sich wegen des Mangels einschlägiger Analysen nur schwer beurteilen, ob dieses Verständnis von Öffentlichkeit überhaupt je eine Rolle gespielt hat für die strategische Ausrichtung der Wissenschaftskommunikation. Mit Sicherheit lässt sich aber sagen, dass die Initiative „Wissenschaft im Dialog“ trotz ihres Namens nicht dazu beigetragen hat, das im Memorandum angeschnittene Ziel der wissenschaftlichen Rationalisierung gesellschaftlich relevanter Debatten irgendwie greifbar zu machen. Was als durchaus ernsthafter Versuch einer dialogorientierten Wissenschaftskommunikation gestartet ist, ist praktisch zu einer Art Imagekampagne geworden, bei der sehr zweifelhaft ist, ob sie das Wesen der Wissenschaft nicht eher verdeckt als es offenbar werden zu lassen.

Wissenschaftsorganisationen sind ihren eigenen Organisationslogiken verpflichtet

Es wäre aber zu kurz gegriffen, nur den Trend zur direkten Vermittlung von Botschaften an ein angepeiltes Zielpublikum dafür verantwortlich zu machen. Wie im Memorandum angelegt, wird man in der Wissenschaft – genauer gesagt im methodisch erworbenen Wissen – zwar durchaus eine Quelle sehen können, die in der Lage ist, zur Rationalisierung gesellschaftlicher Debatten im Wege eines öffentlichen Diskurses beizutragen. Man wird aber sehr große Zweifel hegen müssen, dass man diesem Anspruch durch die gebündelten PR-Anstrengungen von Wissenschaftsorganisationen näher kommen kann, die letztlich nur ihren eigenen Organisationslogiken verpflichtet sind.

Ebenfalls zu bezweifeln ist, dass man diesem Anspruch durch eine Aktivierung von Wissenschaftlern näher kommen kann. Denn das im Memorandum angesprochene Ziel, den Dialog mit der Öffentlichkeit zum Bestandteil der wissenschaftlichen Reputation werden zu lassen, ist nicht einmal näherungsweise erreicht worden. Im Übrigen sind Anreize, wie etwa der mit 50.000 Euro hoch dotierte Kommunikatorpreis, nicht darauf gerichtet, die wissenschaftliche Beteiligung an gesellschaftlichen Diskursen zu belohnen, sondern die verständliche Darstellung spannender Wissenschaft.

Man wird angesichts der real existierenden Bemühungen seitens der deutschen Wissenschaft, das „public understanding of science“ zu befördern, Zweifel daran hegen müssen, dass diese zielführend sind. Begründet liegt das vor allem darin, dass sich die Wissenschaftskommunikation im Nachgang des Memorandums praktisch auf die Erzeugung von Resonanz in werbender Absicht fokussiert hat und eine strukturelle Unfähigkeit erkennen lässt, auch unbeabsichtigte Nebenfolgen dieser Anstrengungen in ihre Konzeptionierung mit aufzunehmen.

Dies scheint sich aktuell zu verändern. Die Stellungnahme der Akademien der Wissenschaften aus dem Sommer 2014 ist ein Indiz dafür, dass sich in der Wissenschaft selbst ein Unbehagen auszubreiten scheint ob der möglichen, nicht intendierten Wirkungen dieser Kommunikationsanstrengungen: Man fürchtet nunmehr selbst den Vertrauensverlust.

Literatur:
Conein, S. (2004). Public understanding of science: Entwicklung und aktuelle Tendenzen. In S. Conein, J. Schrader, & M. Stadler (Eds.), Erwachsenenbildung und die Popularisierung von Wissenschaft. Probleme und Perspektiven bei der Vermittlung von Mathematik, Naturwissenschaften und Technik (pp. 20–31). Bielefeld: Bertelsmann.

 

Dieser Beitrag ist ein geänderter Auszug aus einem 2012 erschienen Aufsatz, der bei Springer erschienen ist. Lehmkuhl, M. (2012): The Recent Public Understanding of Science Movement in Germany. In B. Schiele, M. Claessens, & S. Shi (Eds.), Science Communication in the World (pp. 125–138). Springer Netherlands.

 


Markus LehmkuhlMarkus Lehmkuhl ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Arbeitsbereich Wissenschaftskommunikation der Freien Universität Berlin. Er leitet die Redaktion von meta seit 2007.