Hallo alle,

anbei senden wir euch endlich mal wieder ein paar interessante Links – aber zunächst noch einen ganz aktuellenSeminarhinweis: HEUTE (4.2.) Das französische Portal Mediapart und das spanische El Diario sind zwei junge, sehr erfolgreiche Medienneugründungen aus Europa. Wir haben die Macher zu einer Lecture eingeladen, in der sie uns erzählen, was die Faktoren für ihren Erfolg sind. Moderieren wird Holger Wormer, wenn Ihr das live und kostenlos mitverfolgen wollt (Do, 16.30h, ca 1h. Infos und Anmeldung: https://con-gressa.de/form/2021_eur_wijo_konf_02-04/

In einem sehr lesenswerten Beitrag What I’ve learned in nine months of covering the journalism crisis – Columbia Journalism Review (cjr.org) analysiert Lauren Harris, was das Wort “Medienkrise” eigentlich bedeutet. Sie macht dabei auf einen Aspekt aufmerksam, der in der Debatte über die Krise meist nicht prominent auftaucht, aber die eigentliche Krise darstellt: Die sich ausbreitende Dysfunktionalität des Mediensystems. Die öffentliche Debatte sei sehr fixiert auf die Frage, wie viele Medienhäuser schließen, wie viele Kolleg:innen entlassen werden. Doch diese Indikatoren erfassen nicht, was eigentlich passiert, nämlich dass das bestehende Mediensystem seine Fähigkeit verliert, guten Journalismus zu produzieren, weil Leute fehlen, Ressourcen fehlen, Redaktionsstrukturen wegbrechen, Know how verschwindet. Schaut man hingegen nur auf die Beschäftigtenzahlen, könnte man bei sehr positiver Lesart auch den Eindruck gewinnen, das Mediensystem wechsele unter Schmerzen nur den Aggregatzustand, quasi von fest zu flüssig: Hier verschwindet viel, aber dort entsteht auch neues. Aber Harris meint, was ich vollständig teile, dass das Neue vielerorts „verkrüppelt“ zur Welt kommt, es also die Dysfunktionalitäten nicht behebt, sondern sich quasi in der Dysfunktionalität einen Markt sucht. So durchläuft der Qualitätsjournalismus eine Metamorphose, an deren Ende man ihn nicht mehr erkennt, obwohl wir das, was da entsteht, weiter Journalismus nennen.

In UK werden 2021 zwei Neue Nachrichtensender an den Start gehen. Der Guardian bezeichnet sie als als „Fox News-style TV“ und als „anti-impartiality news channels“. Die Betreiber betrachten ihr Investement hingegen als „adding plurality to UK media“ GB news and impartiality: Channel counters Fox News jibe – Press Gazette

Die New York Times hat eine geradezu dystopische Abrechnung mit den sozialen Medien veröffentlicht, verfasst von Shoshana Zuboff (professor emeritus at Harvard Business School) Opinion | Facebook and the Surveillance Society: The Other Coup – The New York Times (nytimes.com) Der Essay fächert ziemlich eindrucksvoll auf, wie demokratiebedrohend und gesellschaftszersetzend die Entwicklung der sozialen Medien in den USA ist. Für Zuboff verdichtet sich die Macht von Facebook und Co zum Bild eines Flächenbrandes, dem am Ende das demokratische Gemeinwesen selbst zum Opfer fallen kann. Der Trumpismus mit seinen fast 80 Mio Wähler:innen war das Fanal, die Zerschlagung der sozialen Mediengiganten ist laut Zuboff eine zentrale Antwort. Gelingt das nicht, riskieren wir mehr als nur irgendwann wieder weitere vier Jahre mit irgendwem im Trump-Stil. Das sei ein Ritt auf Messers Schneide. Passend dazu: Das Wall Street Journal berichtet von einer internen Studie, derzufolge Facebook weiß, dass 70 Prozent der 100 aktivsten Facebook-Gruppen mit politischem Schwerpunkt „were considered  non-recommendable for issues such as hate, misinformation, bullying and harassment“ Facebook Knew Calls for Violence Plagued ‘Groups,’ Now Plans Overhaul – WSJ

Die österreichische Regierung unterstützt die digitale Transformation der Medienbranche in diesem Jahr mit 34 Mio €. An den Förderkriterien und Zielgruppen gibt es aber Kritik, berichtet der Standard: 34 Millionen Digitalförderung ohne Digitalmedien: Erste Reaktionen auf Gesetzesentwurf – Medienförderung: Presseförderung – derStandard.at › Etat

So viel für heute. Schickt gern interessante Fundstücke an die Redaktion unter:  wpk@wpk.org

Viele Grüße für die Meta-Redaktion, Nicola