Ein Wochenrückblick des Science Media Center, über welche Forschungsergebnisse viele Wissenschaftsjournalisten zeitnah berichten:

 

Im Test enthalten drei Viertel aller Plastik-Verpackungen Stoffe, die unter Umständen schädlich sein könnten (Environmental Science & Technology)

74 Prozent der untersuchten 34 Kunststoff-Verpackungen wie Joghurtbecher, Trinkflaschen oder Gefrierbeutel haben mindestens einen Stoff enthalten, der sich in mindestens einem Test als potentiell schädlich erwiesen hat. Getestet haben die Wissenschaftler*innen der Goethe-Universität Frankfurt am Main, ob die gefundenen Chemikalien oxidativen Stress auslösen, zelltoxisch sind oder hormonähnlich wirken können. Insgesamt sind 1411 Substanzen in den Verpackungen gefunden worden, wobei lediglich 260 identifiziert und somit auf ihre Wirkung getestet werden konnten. Ob die Stoffe aus dem Plastik in den menschlichen Körper gelangen könnten und ob sie dort tatsächlich schädlich sind, ist nicht untersucht worden. Da man dies jedoch nicht ausschließen könne und da viele Stoffe gar nicht erst identifiziert werden konnten, fordern die Forscher*innen dennoch eine stärkere Regulierung der Inhaltsstoffe. Es sei möglich, Risiken vorzubeugen, schließlich seien in einigen Verpackungen gar keine potenziell schädlichen Stoffe entdeckt worden. Als Konsument*in solle man zudem aus Vorsorge möglichst auf Plastik verzichten. Die Forscher*innen haben ihre Studie am 05.08.20192 im Fachblatt Environmental Science & Technology veröffentlicht.

Mindestens sechs Mal haben deutschsprachige Medien unabhängig voneinander über die Publikation berichtet. Das Science Media Center Germany hat einen unbeteiligten Experten der Julius-Maximilians-Universität Würzburg zu den Studienergebnissen befragt. Dieser äußerte sich sehr kritisch, besonders im Bezug auf die Schlussfolgerungen der Studienautor*innen. Die genutzten Toxizitäts-Prüfungen seien überhaupt nicht aussagekräftig. Die Gesundheitsrisiken würden zum Beispiel bei Lebensmitteln vom Übergang der Stoffe aus der Verpackung sowie von der verzehrten Menge abhängen. Überhaupt seien die verwendeten toxikologischen Endpunkte unsinnig, da jeder Stoff irgendwann zytotoxisch wirke. Außerdem gebe es keinen Zusammenhang zwischen der bestimmten Toxizität im Mikroorganismus und beim Menschen. Aus der Kritik des Experten haben Forschung-und-Wissen.de, die Frankfurter Rundschau, Scinexx.de und der Standard zitiert. Die Berichte, die die Einschätzung des Experten nicht verwendet haben, haben die Forschungsergebnisse aus Sicht der Studienautor*innen dargestellt: Es seien viele möglicherweise schädliche Stoffe gefunden worden. Somit sei es ratsam, auf Plastik zu verzichten und mehr zu regulieren. Weitere unbeteiligte Expert*innen sind nicht wiedergegeben worden.

Steckbrief

Journal: Environmental Science & Technology

Pressemitteilungen: Ja (vom Forschungsinstitut)

Aufgegriffen von:

  • Bayerischer Rundfunk (16.09.2019)
  • Frankfurter Rundschau Online (17.09.2019)
  • scinexx.de (17.09.2019)
  • Spektrum.de (17.09.2019)
  • Forschung-und-Wissen.de (21.09.2019)
  • Standard Online (21.09.2019)

 

Der Klimawandel trifft die Weizenernten – besonders in Europa (Science Advances)

Selbst wenn das 1,5-Grad-Ziel eingehalten wird, werden Dürren in Weizenanbau-Regionen aufgrund des Klimawandels global mehr als doppelt so häufig sein wie heute. Konkret prognostizieren Modelle zum Beispiel, dass – selbst wenn die Menschheit wie im Szenario RCP 2.6 des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) Treibhausgase stark reduziert – von 2011 bis 2040 im Median 28,5 Prozent aller Weizenflächen innerhalb eines Drei-Jahres-Zeitraumes von einer Dürre betroffen sein werden. Dagegen sind es von 1961 bis 1990 nur 11,8 Prozent gewesen. Dürren wiederum lassen die Erträge sinken und Preise ansteigen. Während für den Zeitraum von 2011 bis 2040 die IPCC-Szenarien RCP 2.6, RCP 4.5 und RCP 8.5 keine statistisch signifikanten Unterschiede hervorrufen, zahlt sich nach 2040 strenger Klimaschutz aus: So nimmt die Häufigkeit von Dürren im Szenario RCP 2.6 kaum mehr zu. Sollten die Treibhausgas-Konzentrationen dagegen wie im Szenario RCP 8.5 weiter ansteigen, dann könnten im Zeitraum von 2041 bis 2070 regelmäßig 60 Prozent der globalen Weizenanbau-Flächen von Dürren betroffen sein. Auch regional zeigen die Modelle starke Unterschiede. Während Südamerika kaum betroffen sein wird, könnte insbesondere der Weizenanbau im Mittelmeerraum besonders stark von Dürren getroffen werden. Die Studie von Wissenschaftler*innen unter Leitung der tschechischen Mendel-Universität Brünn ist am 25.09.2019 im Fachblatt Science Advances publiziert worden.

Mindestens fünf Mal haben deutschsprachige Medien unabhängig voneinander über die Publikation berichtet. Das Science Media Center Germany hat vier an der Studie unbeteiligte Expert*innen zu den Ergebnissen befragt. Drei von ihnen sind bei Forschung-und-Wissen.de, scinexx.de oder der Welt zitiert worden. Der Experte der Universität für Bodenkultur Wien hob hervor, dass erstmals eine Studie zeige, wie stark extreme Trockenheit in Weizenanbau-Regionen durch den Klimawandel zunehmen und welche Preis- sowie Produktionsschwankungen dies zur Folge haben werde. Laut dem Experten der Universität Hohenheim könnte Deutschland dadurch vom Weizenexporteur zum -importeur werden. Um hierzulande der Dürren Herr zu werden, könnte man auf spanische Weizensorten zurückgreifen, die allerdings auch weniger ertragreich seien. Insgesamt sei die Ernährungssicherheit durch den Klimawandel bedroht. Hoffnungsvoller äußerte sich die Expertin der Universität Düsseldorf. Mit Crispr/Cas9 habe man ein vielversprechendes Werkzeug, um neue Sorten zu züchten. Damit es gut genutzt werden könne, solle europäische Regulierung gelockert werden.

Steckbrief

Journal: Science Advances

Pressemitteilungen: Ja (von der Fachzeitschrift)

Aufgegriffen von:

  • APA: Standard online (25.09.2019), Wiener Zeitung online (25.09.2019)
  • Deutschlandfunk Nova (25.09.2019)
  • Welt Online (25.09.2019)
  • scinexx.de (26.09.2019)
  • Forschung-und-Wissen.de (01.10.2019)

Mikrobiom von Kaiserschnitt-Kindern unterscheidet sich nach der Geburt von dem vaginal geborener Kinder (Nature)

Deutlich weniger mütterliche Bacteroides-Stämme, dafür eine stärkere Besiedelung mit opportunistischen Krankheitserregern: Wissenschaftler*innen des britischen Wellcome Sanger Institute und des University College London haben das Metagenom der Stuhlproben von 596 Babys vier, sieben und 21 Tage sowie einige Monate nach der Geburt analysiert. Dabei haben sie signifikante Unterschiede zwischen dem Mikrobiom vaginal geborener im Vergleich zu Kaiserschnitt-Kindern gefunden. Die Unterschiede sind anfangs besonders ausgeprägt gewesen, konnten aber auch nach Monaten noch nachgewiesen werden. Außerdem haben die Forscher*innen Stuhlproben der Mütter genommen, um die Herkunft des Mikrobioms zu erforschen. Es zeigte sich, dass bei Kaiserschnitt-Kindern die Übertragung des mütterlichen Mikrobioms gestört gewesen ist. Ähnliches, wenn auch in abgeschwächter Form, haben die Wissenschaftler*innen auch für die Kinder von Müttern, die während der Geburt Antibiotika zu sich genommen haben, und bei Kindern, die in der Neonatalperiode nicht von ihren Müttern gestillt worden sind, festgestellt. Obgleich sich im Mikrobiom der Kaiserschnitt-Kinder auch Erreger mit antimikrobiellen Resistenzen befanden, ist unklar, wie stark die Unterschiede im Mikrobiom die Gesundheitsrisiken der Kinder beeinflussen. Um mögliche klinischen Konsequenzen zu ermitteln, fordern die Wissenschaftler*innen weitere, groß angelegte Langzeitstudien. Ihre eigene Studie ist am 18.09.2019 im Fachblatt Nature veröffentlicht worden.

Mindestens fünf Mal haben deutschsprachige Medien unabhängig voneinander über die Studie berichtet. Das Science Media Center Germany (SMC) hat drei an der Studie unbeteiligte Expert*innen der Uniklinik RWTH Aachen, des Universitätsspitals Bern und des Universitätsklinikums Jena zu den Ergebnissen befragt. Sie hielten die in der Studie gefundenen Unterschiede auch auf Basis vergangener Untersuchungen für plausibel. Auch sei aus Tierstudien und epidemiologischen Untersuchungen bekannt, dass das Darm-Mikrobiom wichtig für die Reifung des mukosalen Immunsystem von Neugeborenen sei. Allerdings untersuche die vorliegende Veröffentlichung nicht mögliche klinisch relevante Folgen der Unterschiede im Mikrobiom und könne darüber keine Aussage treffen. Allgemein sollten Kaiserschnitte nur durchgeführt werden, wenn sie medizinisch notwendig seien. Und das Vaginal Seeding der Neugeborenen sei aufgrund der momentanen Studienlage nicht zu empfehlen. Aus den vom SMC publizierten Experten-Statements haben der Standard, Stern und Wissen.de zitiert. Weitere unbeteiligte Expert*innen sind nicht zu Wort gekommen.

Steckbrief

Journal: Nature

Pressemitteilungen: Nein

Aufgegriffen von:

  • Ärzte Zeitung Online (19.09.2019)
  • Standard Online (23.09.2019)
  • Familie.de (30.09.2019)
  • Stern Online (03.10.2019)
  • Wissen.de (17.10.2019)

Antimikrobiotika-Resistenzen nehmen in Schwellenländern in der Tiermast deutlich zu (Science)

Von 2000 bis 2018 hat in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen der Anteil antimikrobieller Substanzen, gegen die in mehr als 50 Prozent aller Fälle eine Resistenz vorgelegen hat, bei Hühnern von 15 auf 41 Prozent und bei Schweinen von zwölf auf 24 Prozent zugenommen. Bei Rindern hat sich der Anteil zwischen zwölf und 23 Prozent eingependelt. Regional gibt es zudem einige Hotspots der Antibiotika-Resistenzen, etwa in Nordost-China und -Indien, Nord-Pakistan, dem Iran, der östlichen Türkei, im Delta des Roten Flusses in Vietnam und nahe den Großstädten Mexiko-Stadt und Johannesburg. Dies ist das Ergebnis einer Meta-Studie, die 901 Untersuchungen zu Antimikrobiotika-Resistenzen ausgewertet hat. Laut den Autor*innen unter Leitung der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und der Princeton University sollten diejenigen Regionen mit besonders vielen Resistenzen sofortige Maßnahmen ergreifen. Das Ziel solle sein, den Einsatz der Mittel in der Tiermast zu verringern und die Effektivität für die Behandlung von Menschen sicherzustellen. Außerdem müssten insbesondere lateinamerikanische Länder deutlich besser überwachen, wie viele Antimikrobiotika eingesetzt würden. Reiche Staaten sollten zudem – etwa mittels eines internationalen Fonds – versuchen, ärmere Länder in puncto Biosicherheit zu unterstützen. Besonders in einigen Regionen, in denen sich Resistenzen rasch ausbreiten, aber noch nicht etabliert sind wie in den hotspots, könnte dies Früchte tragen. Die Studie ist am 20.09.2019 im Fachmagazin Science publiziert worden.

Mindestens fünf Mal haben deutschsprachige Medien unabhängig voneinander über die Veröffentlichung berichtet. Dabei ist im dpa-Artikel eine an der Studie unbeteiligte Expertin des britischen Big Data Institute aus einem zeitgleich zur Studie bei Science publizierten Kommentar zitiert worden. Ihr zufolge braucht es globales Handeln, um den übermäßigen Gebrauch von Antimikrobiotika, der zu Resistenzen führe, einzudämmen.

Steckbrief

Journal: Science

Pressemitteilungen: Ja (von der Fachzeitschrift, von den Forschungsinstituten 1, 2 und 3)

Aufgegriffen von:

  • APA: Kleine Zeitung online (19.09.2019), Kurier.at (19.09.2019), Standard online (20.09.2019)
  • Nau.ch (22.09.2019)
  • dpa: Spiegel Online (23.09.2019)
  • taz (23.09.2019)
  • Süddeutsche Zeitung Online (13.09.2019)

 

*Protokoll: Hendrik Boldt

 

Die Vorhersage der Auswahl von Themen seitens der Journalisten gleicht dem täglichen Blick in die Glaskugel. Haben Journalisten das entsprechende Fachjournal auf dem Schirm? Werden sie das Thema aufgreifen und berichten? Wenn ja: mit welchem Dreh? Wenn nein: Kann es sein, dass wichtige entscheidungsrelevante Forschungsergebnisse, über die berichtet werden sollte, übersehen werden? Im Science Media Newsreel dokumentiert das Team des SMC einmal pro Woche rückblickend die kongruenten Wissenschaftsthemen, die aus namentlich genannten Fachzeitschriften in Presseerzeugnissen und Internetangeboten aufgegriffen wurden. Erwähnt werden nur solche Themen, die bei unserem zugegeben unvollständigen Monitoring in mehr als fünf unterschiedlichen Redaktionen mit textlich nicht identischen Berichten aufgegriffen wurden.

2 Obgleich die Studie schon in der im August publiziert worden ist, sind die entsprechenden Artikel deutlich später erschienen sowie in unserem Newsreel aufgetaucht. Daher ist erst in diesem Newsreel darüber berichtet worden.