Weltweit können riesige Flächen aufgeforstet werden und einen großen Beitrag zum Klimaschutz leisten (Science)

Mittels Satellitendaten und Künstlicher Intelligenz haben Wissenschaftler*innen der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich berechnet, dass global 900 Millionen Hektar Wald aufgeforstet werden könnten. Diese Fläche ist größer als Brasilien. Den Modellrechnungen zufolge könnten darin 205 Gigatonnen Kohlenstoff gespeichert werden. Laut den Forscher*innen sei deshalb Aufforstung das effektivste Mittel gegen den Klimawandel. Da selbst bei nur 1,5 Grad Celsius globaler Erwärmung die potenzielle Waldfläche um ungefähr 20 Prozent kleiner wäre, fordern sie rasches politisches Handeln. Wie das Bevölkerungswachstum die potenziellen Flächen reduzieren könnte, haben sie nicht modelliert.  Die Länder mit den größten Potenzialen sind Russland, die USA, Kanada, Australien, Brasilien und China. Sie vereinen circa die Hälfte des weltweiten Aufforstungs-Potenzials auf sich. Die Studie ist am 05.07.2019 im Fachblatt Science publiziert worden. Als potenzielle Waldflächen sind all jene Gebiete gewertet worden, die nicht menschlich bewohnt oder landwirtschaftlich genutzt werden. Weideflächen für die Viehhaltung sind als ungenutzt gezählt worden. Zudem sind nur solche Flächen einbezogen worden, die degradierte Waldflächen sind, in denen also natürlicherweise Wald wachsen kann.

Mindestens 38 Mal ist von deutschsprachigen Medien unabhängig voneinander über die Studie berichtet worden. Das Medienecho ist dabei in mehreren Phasen mit unterschiedlichem Fokus erfolgt. Zunächst ist vielfach direkt über die Studie berichtet worden, teils mit, teils ohne die kritische Einschätzung unbeteiligter Expert*innen. In dieser Phase haben einige Medien, unter anderem die dpa, science.ORF.at (04.07) und die Süddeutsche Zeitung (07.07) aus der Pressemitteilung zur Studie übernommen, dass zwei Drittel aller bisherigen menschgemachten CO2-Emissionen durch den zusätzlichen Wald gebunden werden könnten. In einer zweiten Phase der Berichterstattung haben die Süddeutsche Zeitung (10.07) und Spektrum.de (16.07) klargestellt, dass nicht zwei sondern nur ein Drittel der bisherigen CO2-Emissionen so gebunden werden könnte. Wenn man CO2 aus der Atmosphäre entnähme, so gäben natürliche Puffer wie die Ozeane wieder mehr CO2 ab. Diese Einschätzung ist von an der Studie unbeteiligten Experten geteilt worden. Außerdem ist in der ersten Phase der Berichterstattung oft die Bewertung, aufzuforsten sei der effektivste Weg zum Klimaschutz, aus dem Studienabstract übernommen worden. Spätere Artikel sind dagegen deutlich vorsichtiger gewesen. So hat zum Beispiel science.ORF.at (15.07.2019) in einem zweiten Artikel gefragt, wie die Aufforstung in der Praxis umsetzbar sei und selbstkritisch formuliert, die Studie sei im ersten Artikel „angepriesen“ worden. In einer dritten Phase sind vor allem politische Vorschläge diskutiert worden. Die Studie hat hier nur als Anlass der Diskussionen gedient.

Insgesamt sind 14 unbeteiligte Expert*innen medial zu Wort gekommen. Das Science Media Center Germany (SMC) hat sieben Expert*innen zu Studie befragt. Die folgenden fünf von ihnen sind medial mindestens von der Berliner Morgenpost, der dpa, dem Focus, science.ORF.at (04.07), scinexx.de, dem Standard oder der Süddeutschen Zeitung (07.07) zitiert worden: Der Experte des Berliner Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change gGmbH bemerkte, zwar sei die Studie methodisch sehr gut gemacht. Jedoch könne es nur eine von vielen Maßnahmen gegen den Klimawandel sein, aufzuforsten. Besonders wichtig sei es, die bestehenden Tropenwälder zu schützen. Die Expertin der Ludwig-Maximilians-Universität München hielt es für wichtig, weitere regionale Effekte der Wälder und deren Interaktion mit den Lebensbedingungen vor Ort präziser zu betrachten. Der Experte des European Forest Institute kritisierte, die in der Publikation ausgemachten Potenziale seien nicht realisierbar. Allein schon das Personal und die institutionelle Unterstützung fehle in vielen Ländern. Die Expertin des Karlsruher Instituts für Technologie wies ebenfalls auf die Rolle der Tropen und weiterer Emissionsreduzierungen hin. Zudem habe die Studie drei Schwachpunkte. Sie beziehe nicht ein, dass es zu Waldverlusten durch Brände kommen könnte, dass Wald in nördlichen Breiten regional das Klima erwärme und dass die Weltbevölkerung wachse. Und schließlich betrachtete der Experte der Universität für Bodenkultur Wien die Studie zwar als innovativ und robust. Aufforstung sei aber keine Wunderwaffe, da die Potenziale aus vielerlei Gründen nicht maximal ausgeschöpft werden könnten.

Abgesehen von den Expert*innen sind einige weitere zitiert worden. So meinten ein Experte der Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation und ein Experte der University of Oxford laut der Süddeutschen Zeitung (10.07), wenn Bäume 200 Gigatonnen Kohlenstoff bänden, würden dennoch nur 100 Gigatonnen der Atmosphäre entzogen. Insofern sei es deutlich übertrieben, zu behaupten, zwei Drittel der menschgemachten Emissionen könnten der Atmosphäre entzogen werden. Ein weiterer unbeteiligter Experte der University of Reading zweifelte stark daran, ob es überhaupt realisierbar wäre, in solchen Maßen aufzuforsten.

Für Spektrum.de (16.07) hat ein Experte des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung einen kritischen Artikel zur Publikation geschrieben. Wie die Süddeutsche Zeitung (10.07) kritisierte er, die Rechnung, wonach zwei Drittel der menschgemachten Emissionen zurückgenommen werden könnten, sei schlicht falsch. Es sei nur etwa halb so viel. Auch sonst hielt er die Schätzungen zur potenziellen Waldfläche für übertrieben. Seiner Meinung nach hätte die Berichterstattung sich viel stärker darauf konzentrieren sollen, dass laut der Studie der Klimawandel zu einem massiven Verlust von Tropenwald führen wird. Die Einschätzung, wonach durch den Wald nur ein Drittel der menschgemachten Emissionen zurückgenommen werden könne, teilte ein auch Experte der University of California Berkeley, den der Focus zitiert hat.

Bei science.ORF.at (15.07.) bewertete ein weiterer Experte der Universität für Bodenkultur Wien die in der Studie gefundenen Potenziale als überschätzt. Insbesondere sei falsch, dass Viehweiden als potenzielle Waldflächen gewertet worden wären. Tatsächlich seien Weiden für viele Menschen in ärmeren Ländern die Lebensgrundlage. Eine weitere Expertin des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change gGmbH ist bei der Welt (Video, 05.07.) und Cicero zu Wort gekommen. Diese bezeichnete die Studie als innovativ, sah allerdings in Deutschland wenig Potenzial für Aufforstungen. Im Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) ist ein Experte der Berner Fachhochschule interviewt worden, dessen Meinung nach es zu viele wirtschaftliche und gesellschaftliche Hindernisse für eine massive Aufforstung gibt. Und die Aargauer Zeitung hat einen Experten der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft zitiert. Der Experte hatte große Vorbehalte gegen das berechnete Potenzial. Man kenne nicht einmal die Gründe, wieso aktuell auf den potenziellen Flächen keine Bäume wüchsen.

Steckbrief

Journal: Neuron

Pressemitteilungen: Ja (vom Forschungsinstitut, weitere vom Forschungsinstitut)

Aufgegriffen von:

  • dpa: Zeit Online (04.07.2019), Berliner Morgenpost (05.07.2019), Münchener Merkur (05.07.2019), Stern Online (05.05.2019), Welt (05.07.2019), Westdeutsche Zeitung (05.07.2019), Berliner Zeitung (07.07.2019), Kölner Stadt-Anzeiger (07.07.2019)
  • Neue Zürcher Zeitung Online (04.07.2019)
  • science.ORF.at (04.07.2019)
  • Spiegel Online (04.07.2019)
  • SRF.ch (video) (04.07.2019)
  • Standard Online (04.07.2019)
  • Tagesspiegel Online (04.07.2019)
  • Aargauer Zeitung Online (05.07.2019)
  • Berliner Morgenpost (05.07.2019)
  • Cicero Online (05.07.2019)
  • Deutschlandfunk Forschung Aktuell (05.07.2019)
  • Deutschlandfunk Nova (05.07.2019)
  • scinexx.de (05.07.2019)
  • Welt (Video) (05.07.2019)
  • Spiegel Online (06.07.2019)
  • Watson.ch (06.07.2019)
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung Plus (07.07.2019)
  • Süddeutsche Zeitung Online (07.07.2019)
  • taz.de (07.07.2019)
  • Business Insider Germany Online (08.07.2019)
  • RP Online (08.07.2019)
  • Welt Online (08.07.2019)
  • Focus Online (09.07.2019)
  • NRZ.de (09.07.2019)
  • SR.de (09.07.2019)
  • Süddeutsche Zeitung Online (09.07.2019)
  • Abendzeitung (10.07.2019)
  • GEO Online (10.07.2019)
  • Süddeutsche Zeitung Online (10.07.2019)
  • BR.de (11.07.2019)
  • MDR.de (14.07.2019)
  • science.ORF.at (15.07.2019)
  • Welt Online (15.07.2019)
  • Spektrum.de (16.07.2019)
  • Ostsee Zeitung (19.07.2019)
  • Ostsee Zeitung (19.07.2019)
  • Spektrum.de (23.07.2019)
  • Schweizer Volkszeitung Online (26.07.2019)

 

Allein der planmäßige Betrieb heutiger Energieinfrastruktur reicht aus, um das 1,5-Grad Ziel zu verfehlen (Nature)

Betriebe man die heute schon bestehende Energieinfrastruktur aus Kraftwerken, Industrie, Verkehrswesen und allgemeiner Infrastruktur mit ähnlich langen Laufzeiten – etwa 40 Jahre für Kraftwerke, etwa 15 für Fahrzeuge – weiter wie in der Vergangenheit, so würde man in den nächsten Jahrzehnten circa 658 Gigatonnen CO2 emittieren. Um die Erderwärmung mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 bis 66 Prozent auf 1,5 Grad zu begrenzen, dürften nur 420 bis 580 Gigatonnen ausgestoßen werden. Rechnet man noch diejenigen Emissionen aus aktuell in Planung oder im Bau befindlicher Energieinfrastruktur hinzu, so käme man auf insgesamt 846 Gigatonnen. Damit befände man sich schon nahe dem Budget von 1170 bis 1500 Gigatonnen, welches das Intergovernmental Panel on Climate Change vorschlägt, um die Erwärmung auf 2 Grad zu begrenzen. Um das 1,5 Grad Ziel noch zu erreichen dürfte laut der Studie keine daher keine weitere emittierende Infrastruktur errichtet werden. Zudem würde es die Emissionen stark reduzieren, wenn bestehende Kraftwerke vorzeitig vom Netz genommen oder ihre Nutzung eingeschränkt würden. Die Wissenschaftler*innen der US-amerikanischen University of California Irvine und der chinesischen Tsinghua-Universität haben ihre Studie am 01.07.2019 im Fachblatt Nature publiziert. Die CO2-Emissionen aus veränderter Landnutzung zum Beispiel durch das Abholzen von Regenwäldern haben die Autor*innen noch nicht einmal in ihre Berechnungen einbezogen.

Mindestens neun Mal haben deutschsprachige Medien unabhängig voneinander über die Studie berichtet. Das Science Media Center Germany (SMC) hat Expert*innen-Interviews mit fünf an der Studie unbeteiligten Fachleuten geführt. Drei dieser Expert*innen-Statements sind medial aufgegriffen worden. So ist der Experte der Australian National University von der Neuen Zürcher Zeitung sowie der Süddeutschen Zeitung zitiert worden. Ihm zufolge benötigt es entschlossenes Handeln, um das 1,5-Grad Ziel noch zu erreichen. Dies sei allerdings unwahrscheinlich. Zum Glück würden erneuerbare Energien jedoch schnell wettbewerbsfähiger werden. Die dpa und der Bayerische Rundfunk haben die Expertin des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change gGmbH wiedergegeben: Den Kohleausstieg zu verzögern sei weder wirtschaftlich noch klimapolitisch sinnvoll und 2050 müssten Null-Emissionen erreicht werden. Ebenfalls von der dpa und dem Bayerischen Rundfunk sowie der Süddeutschen Zeitung ist der Experte der niederländischen Wageningen Universität zitiert worden. Der WDR hat mit ihm ein eigenes Interview geführt. Der Experte betonte, alles, was man jetzt noch an Energieinfrastruktur baue, dürfe gar keine Emissionen mehr verursachen, da die Laufzeiten so lang seien. Bestehende Kraftwerke sollten zudem früher abgeschaltet werden. Deutschland müsse als Vorreiter bei der Energiewende vorangehen, um anderen Ländern zu zeigen, dass diese Veränderungen möglich seien.

Steckbrief

Journal: Nature

Pressemitteilungen: Ja (vom Forschungsinstitut, vom weiteren Forschungsinstitut)

Aufgegriffen von:

  • dpa (01.07.2019): Berliner Zeitung (01.07.2019), Dresdner Neue Nachrichten (01.07.2019), Focus Online (01.07.2019), Hanau-Post (01.07.2019), MDR.de (01.07.2019), Reutlinger Generalanzeiger (01.07.2019), Saarbrücker Zeitung (01.07.2019), Spiegel Online (01.07.2019), Süddeutsche Zeitung Online (01.07.2019), Welt Online (01.07.2019), Westdeutsche Allgemeine Zeitung (01.07.2019), Badische Neue Nachrichten (02.07.2019), Badisches Tageblatt (02.07.2019), Frankfurter Rundschau (02.07.2019), Fuldaer Zeitung (02.07.2019), Hamburger Abendblatt (02.07.2019), Passauer Neue Presse (02.07.2019), science.ORF.at (02.07.2019), Stuttgarter Zeitung (02.07.2019)
  • Standard Online (01.07.2019)
  • Süddeutsche Zeitung Online (01.07.2019)
  • BR.de (02.07.2019)
  • Deutschlandfunk Forschung Aktuell (02.07.2019)
  • WDR Quarks (02.07.2019)
  • Neue Zürcher Zeitung Online (04.07.2019)
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung Online (10.07.2019)
  • heise online (10.07.2019)

 

Atlantischer Braunalgenteppich wächst rasant und ist womöglich menschgemacht (Science)

Freischwebende Sargassum-Algen haben sich seit 2011 regelmäßig auf einer Länge von bis zu 8850 Kilometern von Westafrika bis in den Golf von Mexiko im Atlantik ausgebreitet – ein zuvor unbekanntes Phänomen. Im Juni 2018 überstieg ihre Biomasse in dem Gebiet 20 Millionen Tonnen. Das haben Wissenschaftler der US-amerikanischen University of Florida mittels Satellitendaten und Messungen vor Ort festgestellt. Zu große Sargassum-Algenteppiche sind problematisch, da sie den Lebensraum anderer Pflanzen und Tiere beeinträchtigen sowie Tourist*innen abschrecken. Weshalb die Algen sich so stark verbreiten ist nicht gänzlich geklärt. Die Forscher vermuten, dass neben den Wasseroberflächen-Temperaturen und nährstoffreichem Wasser, welches vor der Westafrikanischen Küste aus der Tiefe emporsteigt, ein erhöhter menschgemachter Nährstoffeintrag verantwortlich ist. So gelangten durch das Abholzen des Regenwaldes und vermehrtes Düngen mehr Nährstoffe via den Amazonas in den Atlantik. Wahrscheinlich werde der riesige Algenteppich zur neuen Normalität. Die Studie ist am 05.07.2019 im Fachblatt Science veröffentlicht worden.

Mindestens dreizehn Mal ist von deutschsprachigen Medien unabhängig voneinander über die Publikation berichtet worden. Die dpa-Meldung ist von sehr vielen Zeitungen übernommen worden. Sogar in der Tagesschau hat es einen Beitrag zu den Studienergebnissen gegeben. Unbeteiligte Expert*innen sind nirgends zitiert worden.

Steckbrief

Journal: Science

Pressemitteilungen: Ja (von der Fachzeitschrift, vom Forschungsinstitut)

Aufgegriffen von:

  • dpa: Focus Online (04.07.2019), Hamburger Abendblatt Online (04.07.2019), Redaktionsnetzwerk Deutschland: Ostsee Zeitung Online (04.07.2019), Spiegel Online (04.07.2019), Tagesspiegel Online (04.07.2019), Welt Online (04.07.2019), Westdeutsche Allgemeine Zeitung Online (04.07.2019), ZDF.de (04.07.2019), Badische Zeitung (05.07.2019), Berliner Morgenpost (05.07.2019), Frankfurter Allgemeine Zeitung Online (05.07.2019), Frankfurter Rundschau Online (05.07.2019), N-tv.de (05.07.2019), taz.de (05.07.2019), t-online.de (05.07.2019), Zeit Online (05.07.2019), APA (äquivalent dpa): science.ORF.at (04.07.2019), Wiener Zeitung Online (04.07.2019)tagesschau.de (04.07.2019)
  • Deutschlandfunk Forschung Aktuell (05.07.2019)
  • scinexx.de (05.07.2019)
  • Spektrum.de (05.07.2019)
  • Standard Online (05.07.2019)
  • Tagesschau (05.07.2019)
  • Welt (video) (05.07.2019)
  • BR.de (08.07.2019)
  • Süddeutsche Zeitung Online (08.07.2019)
  • Nau.ch (09.07.2019)
  • Neue Zürcher Zeitung Online (13.07.2019)
  • Frankfurter Rundschau (14.07.2019)

 

Zahlreiche Haie oder Rochen verheddern sich in menschlichem Müll – vor allem in alten Fischernetzen (Endangered Species Research)

Mehrere hundert Berichte von Haien und Rochen, die sich in Müll verheddert haben, sind von Wissenschaftler*innen der University of Exeter mittels einer systematischen Literatur- sowie Social Media-Recherche zusammengetragen worden. Diese Einzellfall-Berichte haben sie dann beschrieben und ausgewertet. Demnach deuteten die Zahlen darauf hin, dass die Tiere sich vor allem in alten Fischernetzen verhedderten. Zudem seien bestimmte Arten aufgrund ihres Verhaltens oder ihrer Körperform stärker betroffen. Bisher gebe es noch kaum Forschung zu dem Thema. Daher sei die Größe des Problems schwierig abzuschätzen. Wenn sich Tiere verhedderten, könnten sie allerdings daran sterben. Deshalb fordern die Forscher*innen, dass systematisch und standardisiert untersucht werden müsse, wie viele Tiere betroffen seien. Ihre Arbeit haben sie am 04.07.2019 im Fachblatt Endangered Species Research veröffentlicht.

Mindestens fünf Mal haben deutschsprachige Medien unabhängig voneinander über die Studie berichtet. Die meisten Berichte haben knapp die Studienergebnisse wiedergegeben. Dabei sind keine unbeteiligten Expert*innen zitiert worden.

Steckbrief

Journal: Endangered Species Research

Pressemitteilungen: Ja (vom Forschungsinstitut)

Aufgegriffen von:

  • dpa: science.ORF.at (05.07.2019), Redaktionsnetzwerk Deutschland: Märkische Allgemeine (05.07.2019), Welt Online (05.07.2019), APA (äquivalent dpa): Standard Online (05.07.2019)
  • Deutschlandfunk Forschung Aktuell (05.07.2019)
  • scinexx.de (08.07.2019)
  • GEO Online (09.07.2019)
  • Spektrum.de (10.07.2019)

Metastudie zeigt: HPV-Impfungen schützen vor Gebärmutterhals-Krebs (The Lancet)

Die vor etwa zehn Jahren für Mädchen und junge Frauen eingeführten Impfprogramme gegen Humane Papillomviren (HPV) haben Wirkung gezeigt: So ist in den ersten fünf bis acht Jahren nach Beginn der Impfprogramme die Anzahl der Infektionen mit HPV16 und HPV18 bei Mädchen von 15 bis 19 Jahren statistisch signifikant um 83 Prozent gesunken. Dort, wo die Impfquoten hoch gewesen sind, sind in diesem Alter statistisch signifikant 57 Prozent weniger Vorstufen von Gebärmutterhals-Krebs diagnostiziert worden. Eine Herdenimmunisierung, also ein teilweiser Schutz der ungeimpften Bevölkerung, hat ebenfalls stattgefunden. Beispielsweise ist unter jungen Männern die Häufigkeit von Anogenitalwarzen signifikant gesunken sind. Dies hat eine Analyse von 65 Studien mit Daten von insgesamt ungefähr 60 Millionen Menschen aus wohlhabenden Ländern durch Wissenschaftler*innen der kanadischen Université Laval und des britischen Imperial College ergeben, die am 26.06.2019 im Fachblatt The Lancet erschienen ist. Je besser die Bevölkerung eines Landes gegen HPV durchgeimpft gewesen ist, desto weniger sind Vorstufen von Gebärmutterhals-Krebs in der Bevölkerung vorhanden gewesen. Beispielsweise sind diese Vorstufen (Zervikale Intraepitheliale Neoplasie 2+) bei Mädchen in gut durchgeimpften Ländern um 100 Prozentpunkte stärker gesunken als in wenig durchgeimpften Ländern.

Mindestens sechs Mal ist von deutschsprachigen Medien unterschiedlich voneinander über die Studie berichtet worden. Kongruent ist herausgestellt worden, dass Gebärmutterhals-Krebs mittels der Impfungen weitestgehend eliminiert werden könnte. Zudem seien die Impfraten in Deutschland noch zu niedrig. In der dpa-Meldung sind drei an der Studie unbeteiligte Expert*innen zitiert worden. Der Experte des Robert Koch-Instituts hielt die Ergebnisse der Studie bezüglich des Schutzeffekts der Impfungen für plausibel und empfahl, in Deutschland die HPV-Impfquoten zu steigern. Eine Expertin des Deutschen Netzwerk Evidenzbasierte Medizin befand ebenfalls, generell sei das Ergebnis plausibel. Wie ausgeprägt der Effekt genau sei, lasse sich allerdings wegen des fehleranfälligen Studiendesigns nicht bestimmen. Schließlich ist noch eine Expertin der Organisation PATH aus einem parallel zur Studie im Lancet erschienenen Begleitkommentar zitiert worden. Ihr Zufolge werde die Studie der Weltgesundheits-Organisation helfen, Impfprogramme weltweit durchzusetzen. Weitere Expert*innen sind nicht zu Wort gekommen.

Steckbrief

Journal: The Lancet

Pressemitteilungen: Ja (von der Fachzeitschrift)

Aufgegriffen von:

  • dpa:  Spiegel Online (28.07.2019), Redaktionsnetzwerk Deutschland: Märkische Allgemeine (28.06.2019), Focus Online (01.07.2019), Welt Online (01.07.2019), Bonner General-Anzeiger (13.07.2019)
  • Ärztezeitung Online (28.06.2019)
  • Spektrum.de (28.06.2019)
  • Pharmazeutische Zeitung (02.07.2019)
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung (03.07.2019)
  • aerzteblatt.de (04.07.2019)
  • kreiszeitung-wochenblatt.de (12.07.2019)

 

Machbarkeitsbeweis: Kombination aus Medikamenten und CRISPR/Cas9 heilt Mäuse von HIV (Nature Communications)

Ungefähr ein Drittel aller behandelten Mäuse haben Wissenschaftler*innen der US-amerikanischen University of Nebraska und der Temple University komplett von HI-Viren befreien und damit heilen können. Sie hatten die Mäuse mit zwei kombinierten Ansätzen therapiert. Zum einen sind antiretrovirale Medikamente verabreicht worden, die die Vermehrung des Virus hemmen. Das HI-Virus versteckt seine DNA jedoch in körpereigenen Immunzellen und kehrt deshalb schnell zurück, wenn man die Medikamente absetzt. Um auch diese Reste des Virus zu beseitigen ist die Genschere CRISPR/Cas9 eingesetzt worden, die die Virus-DNA entfernt hat. Das Virus ist auch nach dem Absetzen der Medikamente nicht zurückgekehrt. Weshalb die Therapie nicht bei allen behandelten Mäusen funktioniert hat, ist unklar. Als nächstes soll sie an Affen getestet werden. Die Studie ist am 02.07.2019 im Fachblatt Nature Communications veröffentlicht worden.

Mindestens neun Mal haben deutschsprachige Medien unabhängig voneinander über die Publikation geschrieben. Tenor der Berichterstattung: Es dürfe gehofft werden, dass HIV in Zukunft geheilt werden kann. Noch sei es aber ein weiter Weg, bis die Therapie für Menschen anwendbar sei. In der dpa-Meldung ist eine an der Studie unbeteiligte Expertin der Helmholtz Zentrums München zitiert worden. Die Resultate seien sehr wichtig, es bleibe aber noch viel zu tun und die Zahl der behandelten Mäuse sei sehr gering. Ein weiterer unbeteiligter Experte ist von der Neuen Zürcher Zeitung befragt worden.  Der Experte des Universitätsspitals Zürich hielt die Studie für einen Zwischenschritt, um eines Tages Menschen zu heilen. Die geringe Heilungsrate von unter 30 Prozent rechtfertige allerdings noch keine Studien an Menschen.

Steckbrief

Journal: Nature Communications

Pressemitteilungen: Ja (vom Forschungsinstitut)

Aufgegriffen von:

  • dpa:  aerzteblatt.de (02.07.2019), Berliner Morgenpost (02.07.2019), Bonner General-Anzeiger (02.07.2019), Frankfurter Allgemeine Zeitung Online (02.07.2019), Tagesspiegel Online (02.07.2019), Zeit Online (02.07.2019), Berliner Zeitung Online (03.07.2019), Stern Online (03.07.2019), APA (äquivalent dpa): Wiener Zeitung (02.07.2019)
  • Neue Zürcher Zeitung Online (02.07.2019)
  • Pharmazeutische Zeitung Online (02.07.2019)
  • science.ORF.at (02.07.2019)
  • Deutsche Welle (03.07.2019)
  • scinexx.de (03.07.2019)
  • Spektrum.de (04.07.2019)
  • BR.de (04.07.2019)
  • bunte.de (18.07.2019)

 

*Protokoll: Hendrik Boldt

 

*Die Vorhersage der Auswahl von Themen seitens der Journalisten gleicht dem täglichen Blick in die Glaskugel. Haben Journalisten das entsprechende Fachjournal auf dem Schirm? Werden sie das Thema aufgreifen und berichten? Wenn ja: mit welchem Dreh? Wenn nein: Kann es sein, dass wichtige entscheidungsrelevante Forschungsergebnisse, über die berichtet werden sollte, übersehen werden? Im Science Media Newsreel dokumentiert das Team des SMC einmal pro Woche rückblickend die kongruenten Wissenschaftsthemen, die aus namentlich genannten Fachzeitschriften in Presseerzeugnissen und Internetangeboten aufgegriffen wurden. Erwähnt werden nur solche Themen, die bei unserem zugegeben unvollständigen Monitoring in mehr als fünf unterschiedlichen Redaktionen mit textlich nicht identischen Berichten aufgegriffen wurden