Ein Wochenrückblick des Science Media Center, über welche Forschungsergebnisse viele Wissenschaftsjournalisten zeitnah berichten:

Bestimmte Klimaschutz-Maßnahmen könnten zu mehr Hunger auf der Welt führen (Nature Sustainability)

160 Millionen Menschen könnten Mitte des 21. Jahrhunderts zusätzlich an Hunger leiden, wenn CO2-Preise erhöht und Bioenergie sowie Aufforstungsprojekte ausgeweitet würden, um das 1,5-Grad Ziel zu erreichen. Durch letztere Maßnahmen wäre Land zum Anbau knapper. Und dadurch, dass CO2-Emissionen mehr kosten würden, wäre die Produktion auf dem übrigen Land teurer. Beides würde die Lebensmittelpreise erhöhen. Zum Ausgleich des Effekts wären laut einem internationalen Team von Wissenschaftler*innen 0,18 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2050 vonnöten. Damit müssten Lebensmittel für Arme subventioniert werden. So würde sich die Zahl der Hungernden nicht erhöhen. Wie stark der Klimawandel selbst Lebensmittel bis 2050 verknappen könnte haben die Forscher*innen nicht in ihre Modellrechnung einbezogen. Dennoch fordern sie, dass in der Klimapolitik mögliche Effekte auf die Nahrungsversorgung mitbedacht werden sollten. Ihre Studie ist am 13.05.2019 im Fachblatt Nature Sustainability veröffentlicht worden.

Mindestens fünf Mal haben deutschsprachige Medien über die Publikation berichtet. Das Science Media Center Germany (SMC) hat unbeteiligte Expert*innen des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change gGmbH, des Öko-Instituts e.V., des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums, der Universität Oxford und der PBL Netherlands Environmental Assessment Agency zur Studie interviewt. Alle hier gelisteten Medien bis auf die APA haben aus den SMC-Interviews zitiert. Dabei sind alle Expert*innen mindestens einmal wiedergegeben worden. Die Expert*innen hielten die Aussage der Studie, dass die analysierten Klimaschutzmaßnahmen zu mehr Hunger führen, für grundsätzlich plausibel. Jedoch wiesen sie darauf hin, dass auch der Klimawandel zu deutlich mehr Hungernden führe. Zudem differenzierten sie, dass es zahlreiche weitere wichtige Gründe für Hunger gäbe und dass zahlreiche klimapolitische Maßnahmen nicht zwangsläufig die Lebensmittelpreise erhöhten. Einige Expert*innen hoben zudem hervor, dass die Studie eine mögliche Umstellung der Ernährungsgewohnheiten weg von tierischen Produkten nicht mit berechnet habe.

Steckbrief

Journal: Nature Sustainability

Pressemitteilungen: Ja (vom Forschungsinstitut)

Aufgegriffen von:

  • Focus Online (14.05.2019)
  • Redaktionsnetzwerk Deutschland (14.05.2019): Göttinger Tageblatt (14.05.2019)
  • Standard Online (14.05.2019)
  • Frankfurter Rundschau Online (17.05.2019)
  • APA: Die Presse (18.05.2019)

 

Stark verarbeitete Fertiggerichte lassen Proband*innen in Studie mehr essen und zunehmen (Cell Metabolism)

Um fast ein Kilogramm Gewicht haben Probanden in einer randomisierten Interventionsstudie innerhalb von zwei Wochen zugenommen, wenn sie sich ausschließlich von stark verarbeiteten Fertiggerichten ernährt haben. Wer dagegen nur frisch zubereitete Mahlzeiten bekommen hat, hat gleichermaßen abgenommen. Dabei ist die Zusammensetzung der Nahrung durch die Forscher*innen absichtlich hinsichtlich Kaloriengehalts, Fett, Zucker, Salz, Ballaststoffen und Makronährstoffen möglichst ähnlich gewählt worden. Statt der Inhaltsstoffe ist das Verhalten der Proband*innen ausschlaggebend für den Gewichtsunterschied gewesen. Stark prozessierte Lebensmittel haben sie dazu veranlasst, mehr zu essen: Durchschnittlich 500 Kilokalorien pro Tag mehr haben die Proband*innen in dieser Gruppe zu sich genommen. Weshalb sie dieses Verhalten gezeitigt haben, ist in der Studie nicht näher bestimmt worden. Mögliche Gründe scheinen eine veränderte Essgeschwindigkeit, die Menge an verzehrten Getränken oder auch der etwas andere Proteingehalt der Nahrung gewesen zu sein. Die Studie ist am 16.05.2019 im Fachblatt Cell Metabolism veröffentlicht worden. Insgesamt 20 Proband*innen haben an ihr teilgenommen.

Mindestens sechs Mal ist in deutschsprachigen Medien unabhängig voneinander über die Veröffentlichung berichtet worden. Eine entsprechende dpa-Meldung ist von zahlreichen Medien verwendet worden. Zwei der drei vom Science Media Center Germany (SMC) interviewten unbeteiligten Expert*innen sind medial zitiert worden. So ist der SMC-Experte des Max-Planck-Instituts für Stoffwechselforschung von der dpa und bei aerzteblatt.de wiedergegeben worden. Er hielt die in der Studie geäußerte Hypothese, wonach der unterschiedliche Proteingehalt für das geänderte Essverhalten ausschlaggebend gewesen sein könnte, für falsch. Stattdessen sei eine veränderte sensorische Wahrnehmung der Fertignahrung eine mögliche Erklärung. Die dpa hat außerdem den SMC-Experten des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung zitiert. Dieser kritisierte, dass die Studie mit 20 sehr ähnlichen Proband*innen zu klein gewesen sei. Um eine gesündere Ernährung sicherzustellen, seien Aufklärungskampagnien sowie regulatorische Lösungen nötig, um mehr Menschen zu ermöglichen, frisches Essen statt Fertigprodukten zu konsumieren.

Steckbrief

Journal: Cell Metabolism

Pressemitteilungen: Ja (von der Fachzeitschrift)

 

Aufgegriffen von:

  • Die Presse (17.05.2019)
  • Heute.at (17.05.2019)
  • Standard Online (17.05.2019)
  • dpa: Ärztezeitung (20.05.2019), Berliner Zeitung (20.05.2019), Bonner General-Anzeiger (20.05.2019), Focus Online (20.05.2019), Neue Presse (20.05.2019), Spiegel Online (20.05.2019), t-online.de (20.05.2019), Welt Online (21.05.2019)
  • aerzteblatt.de (21.05.2019)
  • Deutschlandfunk (21.05.2019) 

Tonnenweise Müll aus Einmalplastik liegt auf den Stränden der Kokosinseln (Scientific Reports)

238 Tonnen Müll haben sich laut Schätzungen australischer Wissenschaftler*innen der University of Tasmania im Jahr 2017 auf den Stränden der abgelegenen Kokosinseln befunden. Circa 95 Prozent aller Müllstücke sind zudem Plastikmüll und ungefähr 25 Prozent aller identifizierbaren Teile sogar Einmalplastik gewesen. Außerdem hat sich circa ein Viertel des Mülls in den ersten 10 Zentimetern unter der Sandoberfläche befunden. Daher glauben die Wissenschaftler*innen, dass viele Schätzungen über die Plastikverschmutzung, die allein auf dem Oberflächen-Müll beruhen, das Problem unterschätzen. Auch oberflächliche Aufräumaktionen greifen ihrer Meinung nach zu kurz. Für ihre Berechnungen haben die Forscher*innen an verschiedenen Stellen der Insel in standardisierten Verfahren nach Müll gesucht und die Ergebnisse dann auf die gesamte Inselgruppe hochgerechnet. Ihre Studie ist am 16.05.2019 im Fachmagazin Scientific Reports veröffentlicht worden.

Mindestens sieben Mal ist von deutschsprachigen Medien unabhängig voneinander über die Studie geschrieben worden. Dabei ist einzig im Tagesspiegel ein an der Studie unbeteiligter Experte des Kieler Geomar Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung zu Wort gekommen. Er bezeichnete die Erkenntnis, dass viel Plastik unter der Strandoberfläche verborgen ist, als wenig überraschend. Zudem hielt der Experte die in der Studie vorgenommene Hochrechnung von einigen wenigen untersuchten Stellen auf die gesamte Inselgruppe für fragwürdig. Schließlich betonte er, man brauche insbesondere in Asien schnell Maßnahmen gegen Plastikmüll.

Steckbrief

Journal: Scientific Reports

Pressemitteilungen: Ja (vom Forschungsinstitut)

 

Aufgegriffen von:

  • Deutschlandfunk Nova (16.05.2019)
  • dpa: Focus Online (16.05.2019), Redaktionsnetzwerk Deutschland (16.05.2019), Spiegel Online (16.05.2019)
  • science.ORF.at (17.05.2019)
  • Spektrum.de (17.05.2019)
  • Tagesspiegel (17.05.2019)
  • Krone.at (19.05.2019)
  • NAU.ch (21.05.2019) 

 

*Protokoll: Hendrik Boldt

 

1Die Vorhersage der Auswahl von Themen seitens der Journalisten gleicht dem täglichen Blick in die Glaskugel. Haben Journalisten das entsprechende Fachjournal auf dem Schirm? Werden sie das Thema aufgreifen und berichten? Wenn ja: mit welchem Dreh? Wenn nein: Kann es sein, dass wichtige entscheidungsrelevante Forschungsergebnisse, über die berichtet werden sollte, übersehen werden? Im Science Media Newsreel dokumentiert das Team des SMC einmal pro Woche rückblickend die kongruenten Wissenschaftsthemen, die aus namentlich genannten Fachzeitschriften in Presseerzeugnissen und Internetangeboten aufgegriffen wurden. Erwähnt werden nur solche Themen, die bei unserem zugegeben unvollständigen Monitoring in mehr als fünf unterschiedlichen Redaktionen mit textlich nicht identischen Berichten aufgegriffen wurden.