Ein Wochenrückblick des Science Media Center, über welche Forschungsergebnisse viele Wissenschaftsjournalisten zeitnah berichten:

Uber, Lyft & Co haben in San Francisco Verkehrsstaus und -aufkommen vergrößert (Science Advances)

Um zusätzliche 40 Prozentpunkte ist die Stauzeit in San Francisco zwischen 2010 und 2016 allein aufgrund von Fahrdienstanbietern gestiegen. Ohne diese hätte der gesamte Anstieg nur 22 Prozentpunkte betragen. Zudem ist das gesamte Verkehrsaufkommen aufgrund der Fahrdienste um 30 statt nur 12 Prozent gestiegen. Dies sind die Ergebnisse von Wissenschaftler*innen der Universität von Kentucky, die in Modellen die fiktive Verkehrslage San Franciscos ohne die neuen Fahrdienste berechnet hatten. Dieses Ergebnis haben sie dann mit der tatsächlichen Situation 2016 und 2010 verglichen. Die Veränderung ist detailliert für einzelne Straßen sichtbar gemacht geworden. Spezifisch dort, wo die Fahrdienste besonders viel genutzt worden sind, hat sich die Situation stark verschlechtert. Die Studie ist am 08.05.2019 in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlicht worden.

Mindestens sechs Mal ist von deutschsprachigen Medien unabhängig voneinander über die Studie berichtet worden. Zweimal sind dabei an der Studie unbeteiligte Experten zitiert worden. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland hat die Meinung eines Experten vom Institut für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt wiedergegeben. Dieser hielt für plausibel, dass Fahrdienstanbieter wie Uber den Autoverkehr auch für solche Menschen attraktiv machten, die zuvor anderweitig unterwegs gewesen sind. Er warnte davor, die Studienergebnisse ohne Weiteres auf andere Städte zu übertragen und kritisierte, dass das erhöhte Verkehrsaufkommen durch Online-Händler nicht mit einberechnet worden sei. Im Tagesspiegel ist außerdem ein Experte der Technischen Universität Berlin zu Wort gekommen. Dieser hielt regulatorische Lösungen wie die Bepreisung bestimmter Strecken zu Stoßzeiten für eine gute Möglichkeit, um Staus zu bekämpfen.

Steckbrief

  • Journal: Science Advances [https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31086811]
  • Pressemitteilungen: Ja (Vom Fachmagazin [https://www.eurekalert.org/pub_releases/2019-05/aaft-rcm050619.php]
  • Aufgegriffen von:
  • Spektrum.de (08.05.2019)
  • APA: Krone.at (08.05.2019), Standard (09.05.2019)
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung Online (09.05.2019)
  • Deutschlandfunk Nova (10.05.2019)
  • Redaktionsnetzwerk Deutschland (10.05.2019): Hannoversche Allgemeine Zeitung (10.05.2019), Neue Presse (10.05.2019)
  • scinexx.de (10.05.2019)

 

Erstmals Patientin erfolgreich mit gentechnisch veränderten Bakteriophagen behandelt (Nature Medicine)

Ein Cocktail aus drei Bakteriophagen, von denen zwei gentechnisch verändert worden waren, hat erfolgreich eine Infektion mit einem multiresistenten Erreger behandelt. Ohne Behandlung wäre die 15-jährige Patientin sonst höchstwahrscheinlich gestorben, denn Antibiotika haben gegen den resistenten Erreger nicht helfen können. Dies geht aus einem am 08.05.2019 im Fachblatt Nature Medicine von Wissenschaftler*innen der University of Pittsburgh veröffentlichten Fallbericht hervor. Zwar konnten die Keime nicht gänzlich abgetötet werden, weshalb die Patientin weiterhin mit Phagen behandelt wird. Jedoch ist die Symptomatik stark zurückgegangen und die Phagentherapie ohne größere Nebenwirkungen verlaufen. Da die Verbesserungen zeitlich mit dem Einsatz der Phagen zusammengefallen sind und eine spontane Heilung unwahrscheinlich ist, gehen die Wissenschaftler*innen davon aus, dass die Phagen der Patientin das Leben gerettet haben.

Mindestens acht Mal haben deutschsprachige Medien unabhängig voneinander über die Publikation berichtet. Dabei ist kongruent die erfolgreiche Behandlung mit Phagen nicht als Durchbruch einer neuen Therapieform, sondern als Einzelfall, der auf das Potenzial solcher Therapien hindeutet, bewertet worden. Beispielsweise hat der Deutschlandfunk berichtet, die Suche nach passenden Phagen sei weiter sehr mühsam, zumal gentechnisch veränderte Varianten bedenken hervorriefen. Einzig vom Tagesspiegel ist ein an der Studie unbeteiligter Experte der Charité Berlin zur Phagentherapien befragt worden. Dieser hielt sie für einen vielversprechenden Ansatz.

Steckbrief

Journal: Nature Medicine

Pressemitteilungen: Ja (vom Forschungsinstitut)

Aufgegriffen von:

  • MDR.de (08.05.2019)
  • aerzteblatt.de (09.05.2019)
  • Deutschlandfunk Forschung Aktuell (09.05.2019)
  • Tagesspiegel Online (09.05.2019)
  • Pharmazeutische Zeitung Online (10.05.2019)
  • Spektrum.de (12.05.2019)
  • Spiegel Online (13.05.2019)
  • RTL.de (22.05.2019)

 

Übergewicht nimmt auf dem Land schneller zu als in Städten – besonders in ärmeren Ländern (Nature)

Der globale Anstieg des Body-Mass-Index (BMI) von 1985 bis 2017 ist zu mehr als 55 Prozent auf dessen Anstieg in ländlichen Gebieten zurückzuführen. Für einige ärmere Regionen wie etwa Südasien liegt dieser Wert sogar bei 80 Prozent. Dagegen ist der Effekt der Urbanisierung global mit etwas über zehn Prozent deutlich weniger relevant für den BMI-Anstieg gewesen. Laut dem internationalen Team von Wissenschaftler*innen, das an der Studie beteiligt gewesen ist, widerspricht diese Erkenntnis bisherigen Überzeugungen. Diesen zufolge sei die Verstädterung Haupttreiber des BMI-Anstiegs. Nun müsse auch die Politik im Kampf gegen Übergewicht neu ausgerichtet werden. Insgesamt hat der Studie zufolge in fast allen Regionen der Welt der BMI auf dem Land stärker oder gleich stark zugenommen wie in den Städten. Mehr Maschinen für die Arbeit und Autos für den Transport sowie höhere Einkommen für den Erwerb von Nahrungsmitteln seien dafür mitverantwortlich. Für die Industriestaaten ist von den Wissenschaftler*innen ein höherer BMI auf dem Land als in den Städten nachgewiesen worden. Publiziert haben sie ihre Arbeit am 08.05.2019 im Fachblatt Nature. Für die Studie sind Daten von 112 Millionen erwachsenen Menschen ausgewertet worden.

Mindestens acht Mal ist das Studienergebnis in deutschsprachigen Medien unabhängig voneinander berichtet worden. Lediglich in der Süddeutschen Zeitung ist dabei die Einschätzung eines unbeteiligten Experten der University of North Carolina zu möglichen Regulierungsmaßnahmen gegen Übergewicht aus einem parallel zur Studie bei Nature veröffentlichten Kommentar wiedergegeben worden.  Ansonsten sind keine weiteren Experten zitiert worden.

Steckbrief

Journal: Nature

Pressemitteilungen: Ja (vom Forschungsinstitut)

 

Aufgegriffen von:

  • Frankfurter Allgemeine Zeitung Online (08.05.2019)
  • Kurier.at (08.05.2019)
  • Neue Zürcher Zeitung Online (08.05.2019)
  • Tagesspiegel Online (08.05.2019)
  • APA: Standard (09.05.2019)
  • aerzteblatt.de (09.05.2019)
  • BR.de (17.05.2019)

 

 

*Protokoll: Hendrik Boldt

 

1Die Vorhersage der Auswahl von Themen seitens der Journalisten gleicht dem täglichen Blick in die Glaskugel. Haben Journalisten das entsprechende Fachjournal auf dem Schirm? Werden sie das Thema aufgreifen und berichten? Wenn ja: mit welchem Dreh? Wenn nein: Kann es sein, dass wichtige entscheidungsrelevante Forschungsergebnisse, über die berichtet werden sollte, übersehen werden? Im Science Media Newsreel dokumentiert das Team des SMC einmal pro Woche rückblickend die kongruenten Wissenschaftsthemen, die aus namentlich genannten Fachzeitschriften in Presseerzeugnissen und Internetangeboten aufgegriffen wurden. Erwähnt werden nur solche Themen, die bei unserem zugegeben unvollständigen Monitoring in mehr als fünf unterschiedlichen Redaktionen mit textlich nicht identischen Berichten aufgegriffen wurden.