Auch bei der Robert Bosch Stiftung sucht man nach probaten Mitteln gegen Desinformation. Eindrücke einer kleinen Diskussionsrunde – von Cornelia Varwig.

Eine Allianz aus Wissenschaft und Journalismus? Da stellen sich einem seriösen Journalisten, der die Unabhängigkeit der Medien für ein hohes Gut hält, die Haare zu Berge. Sehen sich Wissenschaftsjournalisten doch ohnehin immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, in der Praxis zu wissenschaftsnah und unkritisch zu sein. Eine solche Allianz würde aber, so konstatiert der Medienforscher Stephan Russ-Mohl, gegen Fake News helfen – weil es sich um zwei wahrheitssuchende Systeme handele, die sozusagen mit vereinten Kräften doppelt stark gegen „Infomüll und mentale Umweltverschmutzung“ seien. Die Langversion dieser Idee ist nachzulesen in Russ-Mohls Buch „Die informierte Gesellschaft und ihre Feinde“.

Dass es so einfach nicht ist und Russ-Mohl es ohnehin dann doch nicht so meint, wie es zunächst klang, zeigte sich bei einer Diskussionsrunde Ende Oktober in den historischen Räumen der Robert Bosch Stiftung. Das Gespräch fand in einem kleinen Kreis mit geschätzten 35 Teilnehmern statt und diente dazu, Wege zu finden, die Demokratie in Zeiten der Digitalisierung zu stärken. Auf dem Podium saßen neben dem Journalistikprofessor Stephan Russ-Mohl, die freie Wissenschaftsjournalistin Eva Wolfangel sowie Jutta Rosenkranz-Kaiser, Geschäftsführerin des Beratungsunternehmens Comunicada Consulting. Die Moderation übernahm Florian Stadel, Professor für Journalistik an der Macromedia Hochschule Stuttgart.

Klar, die Not ist groß.

Verschwörungstheoretiker, Spin-Doktoren, Citizen Journalists, Social Bots – sie alle bringen den traditionellen Journalismus in Bedrängnis, sodass ihm nur noch eine rudimentäre Bedeutung bleibt, so Russ-Mohl. Und so erzeugte seine Diagnose, dass Desinformation die „Pest der digitalen Gesellschaft“ sei und es bereits „5 nach 12“ sei, auch keinen Widerspruch. In der vorgeschlagenen Allianz von Journalismus und Wissenschaft sieht der Medienforscher zwei Chancen: Eine größere Sichtbarkeit der Wissenschaft und eine größere Glaubwürdigkeit des Journalismus. Doch da muss ein Journalist natürlich heftig widersprechen. Wie soll Journalismus an Glaubwürdigkeit gewinnen, wenn er sich mit einer Sache gemein macht (auch wenn es eine gute ist)? Auch Russ-Mohls nachgeschobene Erläuterung, dass Journalisten einfach etwas von ihrer „teils unerträglichen Deutungshoheit“ abgeben und mehr Fachleute zu Wort kommen lassen sollten, mag bedenkenswert sein, aber scheint nicht die Lösung zu sein und am eigentlichen Problem vorbeizugehen.

Eva Wolfangel machte hingegen deutlich, dass Fehlinformationen ebenso aus journalistischen und wissenschaftlichen Quellen stammen können – Stichwort: Fake Science – und sich die Anstrengungen daher darauf richten sollten, die schwarzen Schafe in allen Bereichen zu bekämpfen. Als Technikjournalistin verschob sie den Fokus der Diskussion dann in Richtung Social Bots und Algorithmen – und stieß damit auf starke Resonanz bei den jüngeren Zuschauern, im Großteil Studierende der Macromedia Hochschule. Sie diskutierten und brachten substanzielle Ideen ein, wie der Manipulation von Newsfeeds auf Facebook und Co zu begegnen sei und wie man die junge Generation besser über die Gefahr der Desinformation aufklären könne, etwa über geeignete Influenzer.

Auch die PR-Expertin Jutta Rosenkranz-Kaiser, deren Standpunkt ansonsten etwas unterbelichtet blieb, sprach sich mit Nachdruck für die Verbesserung der digitalen Medienkompetenz junger Leute in Schulen aus.

Das Problem der Desinformation bleibt schwierig und komplex und lässt sich sicher nicht mit nur einer Maßnahme lösen. Die dynamische Diskussion stimmte allerdings optimistisch und erinnerte daran, dass junge Mediennutzer nicht nur als ahnungslose Opfer von Fake News zu sehen sind, sondern durch ihr starke Affinität zur digitalen Welt auch besonders geeignet sind, neuralgische Punkte zu erkennen und ganz konkret an richtigen Weichenstellungen mitzuwirken. So sah das auch die Gastgeberin Uta-Micaela Dürig, stellvertretende Vorsitzende der Geschäftsführung der Robert Bosch Stiftung, die gestand, bei technischen Fragen schnell an ihre Grenzen zu stoßen. Sie will die Studierenden nun bei künftigen Aktivitäten der Stiftung stärker einbinden. Und so scheint es, dass sich eine ganze andere Allianz als fruchtbar erweisen könnte – nämlich die zwischen alten Hasen (alias renommierten Medienforschern) und jungen Digital Natives.

 

Bilder: Robert Bosch Stiftung