Ein Wochenrückblick des Science Media Center, über welche Forschungsergebnisse viele Wissenschaftsjournalisten zeitnah berichten:

Eine kurze Vorbemerkung: Das Newsreel hat Mitte September eine Woche pausiert – weil in der Woche vom 10.09. bis 16.09.2018 über keine Wissenschaftspublikation so oft berichtet wurde, dass es unsere Kriterien für das Newsreel erfüllt hätte. Mehr dazu, wann wir einen Fachartikel und die mediale Berichterstattung dazu hier besprechen, finden Sie in der Fußnote unten.

Wie sollen Kinder die Rechtschreibung lernen? (vorgestellt beim 51. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie)

Drei Methoden zum Erlernen der Rechtschreibung sind evaluiert worden und der Sieger ist – zumindest in dieser Studie: die „Fibel-Methode“, bei der Kinder in festgelegten Schritten die korrekte Rechtschreibung verinnerlichen und bei Fehlern möglichst sofort korrigiert werden. Am Ende der vierten Klasse haben die an der Studie teilnehmenden Kinder – im Vergleich zur „Fibel-Methode“ – mit der Methode „Lesen durch Schreiben“ 55 Prozent mehr Rechtschreibfehler gemacht und mit der Methode der „Rechtschreibewerkstatt“ sogar 105 Prozent. Beim „Lesen durch Schreiben“ sollen Kinder zunächst frei und ohne Korrekturen durch Lehrer möglichst viel schreiben. Bei der „Rechtschreibewerkstatt“ können sie individuell aus verschiedenen Lernmaterialien auswählen und diese ohne zeitliche Reihenfolge selbstständig bearbeiten. Die Überlegenheit der „Fibel-Methode“ hat sich unabhängig davon gezeigt, ob die Kinder selbst deutsche Muttersprachler*innen waren oder nicht. Die an der Studie beteiligten Wissenschaftler*innen der Universität Bonn haben ihre Ergebnisse am 17.09.2018 auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie vorgestellt. Die Studie ist jedoch noch nicht in einer Fachzeitschrift veröffentlicht worden.

Die Veröffentlichung hat in der deutschen Öffentlichkeit hohe Wellen geschlagen. Sowohl die deutsche Bundesbildungsministerin als auch der Präsident des Deutschen Lehrerverbands haben öffentlich als Konsequenz aus der Studie die verstärkte Abkehr von den Methoden „Lesen durch Schreiben“ und „Rechtschreibewerkstatt“ gefordert. Dies ist vom Verband Bildung und Erziehung zurückgewiesen worden. Überhaupt ist die Debatte breit geführt worden: Nicht nur Wissenschaftler*innen, sondern auch Lehrkräfte sind oft zu Wort gekommen. Mindestens 16-mal ist unabhängig voneinander über die Studie berichtet worden. Dabei hat zum Beispiel Welt Online eine unbeteiligte Expertin des Mercator-Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache zitiert; diese hat betont, dass die freieren Lernmethoden leistungsschwächere Schüler tendenziell benachteiligten. In der dpa-Meldung zur Studie ist zudem eine Wissenschaftlerin der Universität Dortmund zitiert worden. Ansonsten hat es auffallend viele Kommentare gegeben, die sich für oder gegen verschiedene Methoden im Schulbetrieb ausgesprochen haben. Auch Regionalzeitungen wie zum Beispiel der Münchener Merkur haben eigene Artikel geschrieben, die die Meinung von Lehrer*innen und Akteuren vor Ort abgebildet haben.

Steckbrief

Journal: unveröffentlicht, Ergebnisse vorgestellt auf beim 51. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie

Pressemitteilungen: Ja

Aufgegriffen von:

  • dpa (16.09.2018): Zeit Online (16.09.2018), Oberbayerisches Volksblatt Online (17.09.2018), Stuttgarter Zeitung (18.09.2018), Frankfurter Rundschau (19.09.2018)
  • Deutschlandfunk (17.09.2018)
  • Spiegel Online (18.09.2018)
  • Süddeutsche Zeitung (18.09.2018)
  • MDR.de (19.09.2018), MDR.de (21.09.2018)
  • Spektrum.de (19.09.2018)
  • Zeit Online (19.09.2018)
  • dpa (20.09.2018): Augsburger Allgemeine (20.09.2018)
  • Rheinische Post online (20.09.2018)
  • Sächsische Zeitung (21.09.2018)
  • Schwarzwälder Bote (21.09.2018)
  • Neue Westfälische (22.09.2018)
  • Spiegel (22.09.2018)
  • Münchener Merkur (24.09.2018)
  • Passauer Neue Presse (24.09.2018)
  • Welt Online (24.09.2018)

 

*Protokoll: Hendrik Boldt

 

1Die Vorhersage der Auswahl von Themen seitens der Journalisten gleicht dem täglichen Blick in die Glaskugel. Haben Journalisten das entsprechende Fachjournal auf dem Schirm? Werden sie das Thema aufgreifen und berichten? Wenn ja: mit welchem Dreh? Wenn nein: Kann es sein, dass wichtige entscheidungsrelevante Forschungsergebnisse, über die berichtet werden sollte, übersehen werden? Im Science Media Newsreel dokumentiert das Team des SMC einmal pro Woche rückblickend die kongruenten Wissenschaftsthemen, die aus namentlich genannten Fachzeitschriften in Presseerzeugnissen und Internetangeboten aufgegriffen wurden. Erwähnt werden nur solche Themen, die bei unserem zugegeben unvollständigen Monitoring in mehr als fünf unterschiedlichen Redaktionen mit textlich nicht identischen Berichten aufgegriffen wurden.