Fortschritt gegen Malaria? Gene Drive löscht erstmals komplette Mückenpopulation im Labor aus (Nature Biotechnology)

Einige genveränderte Mücken haben im Labor ausgereicht, um eine Genmodifikation auf die gesamte Population zu übertragen und sie so auszulöschen. Ihre Ergebnisse haben Wissenschaftler*innen des Imperial College London am 24.09.2018 im Fachmagazin Nature Biotechnology veröffentlicht. In 150 Exemplaren der Art Anopheles gambiae, die Malaria überträgt, hatten sie zunächst mit der Genschere CRISPR-Cas9 das Gen doublesex verändert. Es reguliert die geschlechtliche Entwicklung der Mücken. Das veränderte Gen hat bei den Männchen keinen Effekt gehabt, jedoch die Weibchen unfruchtbar gemacht.  Zudem ist ein CRISPR-Cas9-Konstrukt in das Gen selbst geschrieben worden. Dadurch ist die veränderte Version von doublesex in beide Chromosomen der Mücken kopiert und so an alle Nachkommen vererbt worden. Falls nur ein Elternteil die veränderte Genversion übertragen hatte, ist auch in den Nachkommen die im Gen verankerte Genschere aktiv geworden. Sie hat dafür gesorgt, dass die veränderte Version wieder auf beide Chromosomen geschrieben worden ist. Diese Methode der Beeinflussung der Gene einer Population wird als Gene-Drive bezeichnet. In den Laborversuchen sind die genveränderten Männchen mit 150 unveränderten Männchen und 300 Weibchen zusammengeführt worden. Nach sieben bis elf Generationen haben keine fruchtbaren Weibchen mehr existiert und die Population ist zusammengebrochen. Im Gegensatz zu früheren Versuchen mit Mücken haben also sich keine Resistenzen gegen den Gene-Drive herausgebildet. Die Wissenschaftler*innen vermuten: Resistente Varianten des Gens doublesex bringen große Nachteile für die Mücken, weshalb sie nicht positiv selektiert werden. Allerdings bleibt abzuwarten, ob das Ergebnis sich auch unter realistischeren Umweltbedingungen im Freilandversuch replizieren lässt.

Mindestens elf deutschsprachige Medien haben unabhängig voneinander über die Studie berichtet. Deutschlandfunk Forschung Aktuell, die Deutsche Welle, das Redaktionsnetzwerk Deutschland, Spektrum.de, der Standard und Zeit Online haben dabei einen an der Studie unbeteiligten Experten der Georg-August-Universität Göttingen aus dem vom Science Media Center Germany bereitgestellten Interview zitiert. Demnach seien keine Freilandversuche innerhalb der nächsten fünf Jahre zu erwarten. Ansonsten sind keine weiteren unbeteiligten Expert*innen zitiert worden.

Steckbrief

Journal: Nature Biotechnology

Pressemitteilungen: Ja (vom Forschungsinstitut)

Aufgegriffen von:

  • Redaktionsnetzwerk Deutschland (24.09.2018): Kieler Nachrichten online (24.09.2018), Oberhessische Presse online (24.09.2018)
  • Zeit Online (24.09.2018)
  • BR.de (25.09.2018)
  • Deutsche Welle (25.09.2018)
  • Deutschlandfunk Forschung Aktuell (25.09.2018)
  • Spektrum.de (25.09.2018)
  • Süddeutsche Zeitung (25.09.2018)
  • Tagesspiegel (25.09.2018)
  • Standard (26.09.2018)
  • Die Presse (28.09.2018)
  • Neue Zürcher Zeitung (29.09.2018)

 

Mit Neurostimulator, Training und Hilfe: Querschnittsgelähmte gehen kurze Strecke (Nature Medicine, The New England Journal of Medicine)

Ein Patient, der in den Beinen sensomotorisch komplett gelähmt gewesen ist, hat nach intensivem Training mit Hilfe elektrischer Rückenmark-Stimulation eine Strecke von 102 Metern mit Rollator und Hüftstabilisation durch einen Helfer selbst gehen können. Diesen Fall haben Forscher*innen der US-amerikanischen Mayo Clinic am 24.09.2018 in der Fachzeitschrift Nature Medicine veröffentlicht. Die Nerven des Patienten waren nach einer Rückenmarkverletzung dyskomplett (nicht komplett) getrennt gewesen. Über die elektrische Stimulation konnte das Rückenmark unter der Verletzung angeregt werden, sodass es prinzipiell auch aus den verbliebenen Nervenbahnen angesteuert werden konnte. Dadurch ist es möglich gewesen, die gelähmten Muskeln dank eines intensiven Trainingsprogramms mit 185 Trainingseinheiten in 43 Wochen vom Patienten wieder willkürlich zu aktivieren. Allerdings hat die maximale erreichte Gehgeschwindigkeit lediglich 0,2 Meter pro Sekunde betragen und der Patient hat seine eigenen Bewegungen in den Beinen nicht spüren können. Zudem ist das Gehen nur mit elektrischer Stimulation möglich und es ist unklar, ob das erreichte Niveau nach Ablauf des Trainingsprogramms erhalten werden kann. Eine ähnliche Studie ist ebenfalls am 24.09.2018 im Fachblatt The New England Journal of Medicine veröffentlicht worden. Darin berichten Wissenschaftler*innen der amerikanischen Universität von Louisville von vier Personen mit Rückenmarkverletzungen, die mit Hilfe einer elektrischen Stimulation stehen konnten. Zwei von ihnen haben nach viel Training einige Schritte auf ebenem Grund geschafft.

In mindestens neun deutschsprachigen Medien ist unabhängig voneinander über die beiden Studien berichtet worden. Die vom Science Media Center Germany (SMC) interviewten an der Studie unbeteiligte Expert*innen des Universitätsklinikums der Universität Lausanne in der Schweiz und des Universitätsklinikums Heidelberg sind dabei vielfach zitiert worden. Das Ärzteblatt, die dpa-Meldung zur Studie, die vielfach übernommen worden ist, sowie die Neue Zürcher Zeitung, die Süddeutsche Zeitung und der Tagesspiegel haben dabei aus den vom SMC geführten Interviews zitiert. Die Deutsche Welle und der Tagesspiegel haben zudem direkt den Experten des Universitätsklinikums Heidelberg zur Studie befragt. O-Ton der Expert*innen: Die Studie sei zwar interessant, aber dennoch kein großer Fortschritt. Insbesondere seien die erzielten Resultate nicht übertragbar in den Alltag der Patient*innen. Zudem seien die Nervenbahnen an der Bruchstelle nicht wieder zusammengewachsen, es sei also nichts geheilt. Auffälligerweise ist bei tagesschau.de, wo kein/e unbeteiligte/r Expert*in zitiert worden ist, das Studienergebnis als „medizinischer Meilenstein“ bezeichnet worden.

Steckbrief

Journal: Nature Medicine, The New England Journal of Medicine

Pressemitteilungen: Ja (vom Forschungsinstitut zur Studie in Nature Medicine, vom Forschungsinstitut zur Studie im New England Journal of Medicine)

Aufgegriffen von:

  • Deutsche Welle (24.09.2018)
  • dpa (24.09.2018): Frankfurter Rundschau (24.09.2018), Spiegel Online (24.09.2018), Stern (24.09.2018), Wirtschaftswoche (24.09.2018),Kölner Stadt-Anzeiger (25.09.2018), Standard (25.09.2018), Stuttgarter Zeitung (25.09.2018), Südwest Presse (25.09.2018), Welt (25.09.2018)
  • Neue Zürcher Zeitung Online (24.09.2018)
  • Süddeutsche Zeitung Online (24.09.2018)
  • tagesschau.de (24.09.2018)
  • Tagesspiegel Online (24.09.2018)
  • aerzteblatt.de (25.09.2018)Deutschlandfunk (25.09.2018)
  • SWR.de (25.09.2018)

Glyphosat schädigt Darmflora von Honigbienen und erhöht so womöglich ihre Sterblichkeit (PNAS)

Gylphosat schädigt bei jungen Arbeiter-Honigbienen die Darmflora so stark, dass diese danach bei Kontakt mit dem Krankheitserreger Serratia Marcescens eine deutlich erhöhte Sterblichkeit aufweisen. Während bei Bienen mit gesunder Darmflora etwa die Hälfte 8 Tage nach Kontakt mit dem Krankheitserreger noch am Leben gewesen war, sind es bei den mit Glyphosat behandelten circa zehn Prozent gewesen. Die verwendete Menge an Gylphosat hat der entsprochen, welcher die Jungtiere auch in freier Wildbahn ausgesetzt sind. Nur der Kontakt mit Glyphosat, ohne danach dem Krankheitserreger ausgesetzt zu sein, hat keine statistisch signifikant erhöhte Sterblichkeit bewirkt. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler*innen am 24.09.2018 im Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht. Auch über den genauen Wirkmechanismus haben sie etwas herausgefunden. Denn einige Bakterien der Darmflora der Bienen verwenden genau das Enzym, welches Glyphosat angreift. Bisher hatte man unter anderem deshalb angenommen, Glyphosat sei nicht für Bienen schädlich, weil sie selbst dieses Enzym nicht verwenden.

Mindestens elf deutschsprachige Medien haben über die Studie berichtet. Der ausführlichste Artikel ist im Tagesspiegel erschienen, wo die Verwendung von Glyphosat, der bisherige Forschungsstand und die Bedeutung der Darmflora erläutert worden sind. Zudem hat der Tagesspiegel eine an der Studie unbeteiligte Expertin der schwedischen Universität Uppsala und einen unbeteiligten Experten der britischen Universität Exeter zur Studie zitiert. Beide haben die Studie gelobt und weitere Forschungen zu den Effekten von Glyphosat gefordert. Auch in der Nürnberger Zeitung ist ein unbeteiligter Experte der Universität Heidelberg zitiert worden. Dieser hat der Studie für methodisch sauber erklärt und es auch für möglich gehalten, dass Glyphosat die menschliche Darmflora schädigen könnte. Beim Tagesspiegel war dagegen erklärt worden, die menschliche Darmflora sei wahrscheinlich aufgrund einer anderen bakteriellen Zusammensetzung nicht anfällig.

Steckbrief

Journal: Proceedings of the National Academy of Sciences

Pressemitteilungen: Ja (von der Fachzeitschrift)

Aufgegriffen von:

  • Spiegel Online (24.09.2018)
  • APA: Standard Online (25.09.2018)
  • Deutsche Welle (25.09.2018)
  • scinexx.de (25.09.2018)
  • Süddeutsche Zeitung Online (25.09.2018)
  • Tagesspiegel (25.09.2018)
  • WDR.de (25.09.2018)
  • Frankfurter Rundschau (26.09.2018)
  • Nürnberger Zeitung (26.09.2018)
  • Welt (26.09.2018)
  • Welt am Sonntag (30.09.2018)
  • Zeit Online (05.09.2018)
  • Süddeutsche Zeitung (06.08.2018)

Schwertwal-Bestände durch verbotenen Giftstoff PCB gefährdet (Science)

Konvention weltweit verbotenen Polychlorierten Biphenyle (PCB) sind sehr beständig in der Umwelt. Sie reichern sich in Schwertwalen (Orcas) – da sie am oberen Ende der Nahrungskette stehen – so sehr an, dass sie in den kommenden Jahrzehnten das Überleben von zehn von 19 weltweit untersuchten Populationen bedrohen. Dies geht aus einem Artikel im Fachblatt Science hervor, der von Wissenschaftler*innen der dänischen Universität Aarhus und anderer Institutionen am 27.09.2018 veröffentlicht worden ist. Demnach schädige PCB die Fortpflanzungsfähigkeit und das Immunsystem der Orcas. Zudem würde es nicht einfach mit den älteren Tieren verschwinden, sondern im Mutterleib und später über die Muttermilch an Jungtiere weitergegeben. Mit Hilfe von Daten zu den PCB-Konzentrationen und Wissen zu deren Effekten auf Orcas hatten die Forscher*innen im Modell berechnet, wie sich deren Populationen in den nächsten 100 Jahren entwickeln könnten. Besonders diejenigen, die sich von anderen Tieren weiter oben in der Nahrungskette – etwa Thunfisch und Haien – ernähren und die in industrialisierten Gegenden – etwa nahe Europa – leben, sind betroffen. Die Forscher*innen haben deshalb gefordert, mehr für den Abbau der Restbestände an PCB zu tun.

Mindestens neun deutschsprachige Medien haben unabhängig voneinander über die Studie berichtet. Übereinstimmender Tenor: Orcas sind durch PCB stark bedroht. In der weithin übernommenen dpa-Meldung ist dabei ein unbeteiligter Experte der Tierärztlichen Hochschule Hannover zitiert worden. Auch der MDR und die Deutsche Welle haben dieses Zitat verwendet. Bei Zeit Online ist außerdem eine unbeteiligte Expertin des Thünen-Instituts für Fischereiökologie zitiert worden. In einem ausführlichen Artikel im Tagesspiegel ist als Experte ein Mitglied des Wal-Schutzvereins M.E.E.R.e.V. interviewt worden.

Steckbrief

Journal: Science

Pressemitteilungen: Ja (von der Fachzeitschrift, vom Forschungsinstitut)

Aufgegriffen von:

  • MDR.de (27.09.2018)
  • science.ORF.at (27.09.2018)
  • APA: Standard (28.09.2018)
  • BR.de (28.09.2018)
  • Deutsche Welle (28.09.2018)
  • dpa: Frankfurter Rundschau (28.09.2018), Bonner General-Anzeiger (28.09.2018), Neue Zürcher Zeitung (28.09.2018), Nürnberger Nachrichten (28.09.2018), Spiegel Online (28.09.2018), Süddeutsche Zeitung (28.09.2018), Welt (28.09.2018)
  • scinexx.de (28.09.2018)
  • Tagesspiegel (28.09.2018)
  • Zeit Online (28.09.2018)
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Katzen jagen nur sehr selten Ratten (Frontiers in Ecology and Evolution)

Innerhalb von 79 Beobachtungstagen haben Katzen nur 20 Mal Jagdversuche auf Ratten einer mit Videokameras ausgestatteten Rattenkolonie in New York unternommen – und nur zwei Mal sind die Katzen dabei erfolgreich gewesen. Die meiste Zeit haben sie jedoch nicht einmal Interesse an den Ratten gezeigt. Jedoch sind deutlich weniger Ratten zu sehen gewesen als während der Beobachtung der Kolonie vor Ankunft der Katzen. Mikrochips auf den Ratten haben den Forschern Fordham Universität in New York City Aufschluss gegeben: Die Ratten hatten ihr Verhalten der Präsenz der Katzen angepasst und sich vorsichtiger verhalten. Die Wissenschaftler vermuten, dass der Ruf der Katzen als Rattenjäger von diesem Verschwinden der Ratten herrührt. Ihre Ergebnisse sind am 27.09.2018 im Fachblatt Frontiers in Ecology and Evolution veröffentlicht worden. Die Wissenschaftler fordern, Katzen in Anbetracht der Studie und des Schadens für kleinere Tiere wie Mäuse und Vögel nicht blindlings zur Rattenbekämpfung einzusetzen.

Mindestens fünf Mal ist von deutschsprachigen Medien unabhängig voneinander über die Veröffentlichung berichtet worden. Übergreifend ist die Studie als Beleg dafür beschrieben worden, dass Katzen sich nicht als Rattenfänger eigneten. In der dpa-Meldung ist ein unbeteiligter Experte der Tierärztlichen Hochschule Hannover zitiert worden, der die Studienergebnisse unterstützt, jedoch darauf hinweist, dass Jungratten sehr wohl ins Beutespektrum von Katzen fallen könnten.

Steckbrief

Journal: Frontiers in Ecology and Evolution

Pressemitteilungen: Ja (vom Forschungsinstitut)

Aufgegriffen von:

  • MDR.de (27.09.2018)
  • scinexx.de (27.09.2018)
  • Spektrum.de (27.09.2018)
  • Süddeutsche Zeitung (28.09.2018)
  • dpa (30.09.2018): Frankfurter Allgemeine Zeitung (01.10.2018)
  • Standard (30.09.2018)
  • Welt Online (30.09.2018)

*Protokoll: Hendrik Boldt

 

*Die Vorhersage der Auswahl von Themen seitens der Journalisten gleicht dem täglichen Blick in die Glaskugel. Haben Journalisten das entsprechende Fachjournal auf dem Schirm? Werden sie das Thema aufgreifen und berichten? Wenn ja: mit welchem Dreh? Wenn nein: Kann es sein, dass wichtige entscheidungsrelevante Forschungsergebnisse, über die berichtet werden sollte, übersehen werden? Im Science Media Newsreel dokumentiert das Team des SMC einmal pro Woche rückblickend die kongruenten Wissenschaftsthemen, die aus namentlich genannten Fachzeitschriften in Presseerzeugnissen und Internetangeboten aufgegriffen wurden. Erwähnt werden nur solche Themen, die bei unserem zugegeben unvollständigen Monitoring in mehr als fünf unterschiedlichen Redaktionen mit textlich nicht identischen Berichten aufgegriffen wurden.