Ein Wochenrückblick des Science Media Center , über welche Forschungsergebnisse viele Wissenschaftsjournalisten zeitnah berichten:

 

 Droht der Erde – selbst wenn das sogenannte Zwei-Grad-Ziel eingehalten wird – eine Heißzeit? (PNAS)

Bestimmte natürliche Prozesse könnten – einmal durch den menschengemachten Klimawandel in Gang gesetzt – kaum aufzuhalten sein und das Klima deutlich weiter erwärmen. Einige dieser Kipp-Elemente könnten schon bei Einhaltung des Pariser Zwei-Grad-Ziels erreicht werden. Eventuell würde das Kippen dieser Elemente – beispielsweise das Verschwinden des arktischen Sommereises – das Klima genug erwärmen, um weitere Kipp-Elemente auszulösen, zum Beispiel könnten die Permafrostböden tauen. Am Ende einer solchen Kaskade könnte das Klima sich dann um mehr als fünf Grad Celsius erwärmt haben und die Lebensbedingungen auf der Erde könnten sich radikal verändert haben. Statt wie seit etwa 1,2 Millionen Jahren von Zwischeneiszeit zu Eiszeit zu schwanken, könnte das Klima langfristig auf einen wärmeren Pfad wechseln. Dies schreiben Hans Joachim Schellnhuber und weitere Wissenschaftler der Universität Stockholm, des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), der Universität Potsdam und anderer Forschungseinrichtungen in einem Artikel, der am 06.08.2018 im Fachblatt PNAS veröffentlicht worden ist. Ihre Ergebnisse beruhen nicht auf neuen Experimenten oder quantifizierenden Modellen. Sondern sie fassen zusammen, was aufgrund bekannter klimatischer Mechanismen möglich erscheint. Die Forscher fordern, die Kippelemente und ihr Verhalten genauer zu erforschen. Zudem sollten Klimaschutzpläne sie besser einbeziehen. Die Erde solle eher als dynamisches System betrachtet werden, denn als statisches Gebilde in welchem ein Stopp der menschgemachten Erwärmung zwangsweise eine konstante Temperatur impliziert.

Der Fachartikel hat weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Allein in den deutschsprachigen Print- und Onlinemedien haben mindestens fünfzehn Medien unabhängig voneinander berichtet. Zunächst gab es Artikel, die eher die Nachricht verbreitet haben; danach gab es Artikel, die eher Meinungsstücke oder offen deklarierte Kommentare waren. Beispielsweise ist in einem Artikel im Spiegel kritisiert worden, die Wissenschaftler würden übertreiben und deren Forschungsergebnisse seien zu spekulativ: Den Klimawandel als Katastrophe darzustellen, würde bewirken, dass die Menschen noch weniger für den Klimaschutz täten, mutmaßt der Journalist. Dagegen hat etwa ein Artikel in der Welt den Fachartikel als „wissenschaftlich“ verteidigt. Und der Bonner General-Anzeiger hat den Fachartikel begrüßt und gemeint, dass der Klimawandel sogar noch mehr und eindringlicher ins Zentrum der Öffentlichkeit gerückt werden müsse. Der Deutschlandfunk hat die Debatte aufgegriffen und in der Sendung „Kontrovers“ ein Streitgespräch mit dem Fachartikel als Aufhänger gesendet. Auch die Agenturmeldungen zur Studie sind von vielen Medien übernommen worden. In der dpa-Meldung und der identischen APA-Meldung sind zwei unbeteiligte Experten von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und von der Universität von Michigan zitiert worden.

Steckbrief

Journal: PNAS

Pressemitteilungen: Ja (von der Fachzeitschrift, von einer Forschungseinrichtung)

Aufgegriffen von:

  • APA (identisch mit dpa): Standard.at (07.08.2018)
  • dpa (06.08.2018): Bild.de (06.08.2018), Bonner General-Anzeiger (06.08.2018), Hamburger Abendblatt (06.08.2018), Hannoversche Allgemeine Zeitung (06.08.2018), Heise.de (06.08.2018), Kölner Stadt-Anzeiger (06.08.2018), ntv.de (06.08.2018), Spiegel Online (06.08.2018), Zeit Online (06.08.2018), Augsburger Allgemeine (07.08.2018), Luxemburger Wort (07.08.2018), Neue Westfälische (07.08.2018), Stern (07.08.2018), Stuttgarter Nachrichten (07.08.2018), Welt Online (07.08.2018), Welt (07.08.2018)
  • DW.com (06.08.2018)
  • tagesschau.de (06.08.2018)
  • AFP: Frankfurter Allgemeine Zeitung (07.08.2018), Frankfurter Allgemeine Zeitung Online (07.08.2018), Frankfurter Rundschau (08.08.2018)
  • Berliner Zeitung (07.08.2018)
  • Deutschlandfunk (07.08.2018), Deutschlandfunk Kontrovers (13.08.2018)
  • RBB.de (07.08.2018)
  • SRF.ch (07.08.2018)
  • SWR.de (07.08.2018)
  • Spektrum.de (08.08.2018)
  • Süddeutsche Zeitung (08.08.2018)
  • Tagesspiegel (08.08.2018)
  • Welt Online (08.08.2018), Welt (09.08.2018)
  • Spiegel (11.08.2018)
  • Spiegel Online (11.08.2018)
  • Bonner General-Anzeiger (13.08.2018)

 

Geoengineering mit Schwefel-Aerosolen hilft der Landwirtschaft nicht gegen den Klimawandel (Nature)

Mit Schwefel-Aerosolen in der Stratosphäre, die das Sonnenlicht reflektieren, die Erde künstlich abkühlen und so die Erträge von Pflanzen wie Mais, Reis, Soja und Weizen trotz Klimawandel stabil halten: Das funktioniert laut einer neuen Studie nicht. Zwar würden den Pflanzen im Vergleich zur Klimaerwärmung des moderaten Szenarios (RCP4.5) des Weltklimarates (IPCC) die geringeren Temperaturen guttun. Doch die Reflektion des Sonnenlichtes lässt zu wenig Licht bei ihnen ankommen, sodass der Schaden den Nutzen durch niedrigere Temperaturen wieder aufwiegt. Die Studie ist am 08.08.2018 im Fachblatt Nature von Wissenschaftlern der Universität Berkeley veröffentlicht worden. Sie hatten die Effekte vergangener Vulkan-Ausbrüche wie der des Pinatubo im Jahr 1991 auf die landwirtschaftlichen Erträge untersucht. Die Eruptionen haben genug Schwefel-Aerosole freigesetzt, um im Nachhinein als natürliches Experiment zur Vorhersage möglicher Effekte menschlichen Geoengineerings dienen zu können. Um genau zu bestimmen, wie groß der Einfluss der Schwefel-Aerosole gewesen ist, haben die Forscher im ersten Schritt viele weitere Faktoren herausgerechnet, beispielsweise den Niederschlag oder den El Niño. Im zweiten Schritt haben sie ihre Ergebnisse in Modelle eingespeist, um unter Annahme des RCP4.5-Szenarios zukünftige Effekte des Geoengineerings mit Schwefel-Aerosolen zu bestimmen. Das Resultat: Schaden und Nutzen halten sich die Waage.

Mindestens sechs deutschsprachige Medien haben unabhängig voneinander über die Studie berichtet. Meist sind dabei verschiedene Techniken des Geoengineerings vorgestellt worden, die zum Ziel haben, den Klimawandel zu bekämpfen. Konsistent ist die Studie als weiterer Beleg dafür gesehen worden, dass Geoengineering im Kampf gegen den Klimawandel und dessen Effekte momentan nicht aussichtsreich ist. Zeit Online und der Standard haben aus den Expertenstatements des Science Media Center Germany zitiert. Dort hatten sich zwei unbeteiligte Experten des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) zur Studie geäußert. Bei science.ORF.at ist zudem ein unbeteiligter Experte der Universität Harvard zitiert worden.

Steckbrief

Journal: Nature

Pressemitteilungen: Ja (von einer Forschungseinrichtung)

Aufgegriffen von:

  • Zeit Online (08.08.2018)
  • Deutschlandfunk (09.08.2018)
  • science.ORF.at (09.08.2018)
  • Tagesspiegel (09.08.2018)
  • Spiegel Online (10.08.2018)
  • Standard (10.08.2018)

Wie beeinflusst Unterwäsche die Spermienqualität? (Human Reproduction)

Männer, die Boxershorts tragen, haben eine bessere Sperma-Qualität als Männer, die eng anliegende Unterhosen tragen. Wissenschaftler der Universität Harvard haben bei Boxershort-Trägern pro Ejakulation 17 Prozent mehr Spermien, eine um 25 Prozent erhöhte Spermienkonzentration und 33 Prozent mehr schwimmende, bewegliche Spermien gemessen. Außerdem waren die Konzentrationen des follikelstimulierenden Hormons (FSH) im Blut bei Trägern enger Unterhosen erhöht. FSH regt die Spermienproduktion an und könnte laut Studie eine Körperreaktion auf die geringere Produktivität sein. Für ihre am 08.08.2018 im Fachmagazin Human Reproduction veröffentliche Studie haben die Wissenschaftler 656 Männer untersucht, die allesamt Probleme hatten, Kinder zu zeugen. Als Ursache für den Effekt der engen Unterhosen vermuten die Wissenschaftler, dass diese den Hoden stärker erwärmten als Boxershorts. Zu hohe Temperaturen schadeten nämlich der Spermienproduktion.

Mindestens sieben deutschsprachige Medien haben über den Fachartikel unabhängig voneinander berichtet. In der dpa-Meldung zur Studie sind zwei unbeteiligte Experten vom Universitätsklinikum Münster und vom Universitätsklinikum Gießen und Marburg zitiert worden. Darin weist die Expertin des Universitätsklinikums Münster darauf hin, dass die Studienergebnisse nicht überbewertet werden sollten, da sich die gefundenen Unterschiede im Sperma allesamt im Normbereich bewegten.

Steckbrief

Journal: Human Reproduction

Pressemitteilungen: Ja (von der Fachzeitschrift, von einer Forschungseinrichtung)

Aufgegriffen von:

  • BR.de (09.08.2018)
  • Deutschlandfunk (09.08.2018)
  • dpa (09.08.2018): Spiegel Online (09.08.2018), Nürnberger Nachrichten (10.08.2018), Stuttgarter Nachrichten (10.08.2018), Tagesspiegel (10.08.2018), Welt (10.08.2018)
  • Spektrum.de (09.08.2018)
  • SRF.ch (09.08.2018)
  • Süddeutsche Zeitung (09.08.2018)
  • SWR.de (09.08.2018)

Protokoll: Hendrik Boldt

 

*Die Vorhersage der Auswahl von Themen seitens der Journalisten gleicht dem täglichen Blick in die Glaskugel. Haben Journalisten das entsprechende Fachjournal auf dem Schirm? Werden sie das Thema aufgreifen und berichten? Wenn ja: mit welchem Dreh? Wenn nein: Kann es sein, dass wichtige entscheidungsrelevante Forschungsergebnisse, über die berichtet werden sollte, übersehen werden? Im Science Media Newsreel dokumentiert das Team des SMC einmal pro Woche rückblickend die kongruenten Wissenschaftsthemen, die aus namentlich genannten Fachzeitschriften in Presseerzeugnissen und Internetangeboten aufgegriffen wurden. Erwähnt werden nur solche Themen, die bei unserem zugegeben unvollständigen Monitoring in mehr als fünf unterschiedlichen Redaktionen mit textlich nicht identischen Berichten aufgegriffen wurden.