Ein Wochenrückblick des Science Media Center, über welche Forschungsergebnisse viele Wissenschaftsjournalisten zeitnah berichten:

 Erste Ergebnisse zu Lungenerkrankungen nach E-Zigaretten-Konsum in den USA (The New England Journal of Medicine)

53 Patient*innen, die sehr wahrscheinlich im Zusammenhang mit ihrem E-Zigaretten-Konsum krank geworden sind, haben Wissenschaftler*innen des Illinois Department of Public Health in den Bundesstaaten Wisconsin und Illinois seit Juli 2019 gezählt. Die Betroffenen haben unter anderem Husten, Brustschmerzen sowie Atemnot aber auch Probleme im Magen-Darm-Trakt gehabt. 83 Prozent von ihnen sind männlich gewesen. Das Medianalter hat nur 19 Jahre betragen und die meisten Patient*innen sind vor der Erkrankung allgemein gesund gewesen. Etwa ein Drittel musste künstlich beatmet werden und eine Person ist verstorben. Auffälligerweise hatten 84 Prozent Tetrahydrocannabinol(THC)-haltige Liquids mit ihren E-Zigaretten konsumiert. Da THC – ein Inhaltsstoff von Cannabis – in den betreffenden Bundesstaaten verboten ist, wurde es wohl häufig auf dem Schwarzmarkt gekauft. Aufgrund der großen Bandbreite unterschiedlicher benutzter E-Zigaretten und konsumierter Liquids ist allerdings noch unklar, weshalb die Patient*innen erkrankt sind. Infektionserkrankungen können die Wissenschaftler*innen allerdings ausschließen. Sie fordern alle Konsument*innen auf, E-Zigaretten und insbesondere Liquids vom Schwarzmarkt zu meiden, bis die Ursachen für die Erkrankungen gefunden sind. Die Studie und das zugehörige Editorial eines Wissenschaftlers der Harvard University sind am 06.09.2019 im Fachblatt The New England Journal of Medicine publiziert worden.

Mindestens sechs Mal haben deutschsprachige Medien unabhängig voneinander über die Studie berichtet. Dabei ist die Studie zusammen mit weiteren Informationen zu den mutmaßlich durch E-Zigaretten ausgelösten Todesfällen beschrieben worden. Für die Situation in Deutschland haben die Artikel Entwarnung gegeben. Hier sei der Markt deutlich besser reguliert und es seien noch keine solchen Krankheitsfälle bekannt. In einem besonders ausführlichen Artikel hat die Welt auch einen an der Studie unbeteiligten Experten der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie zu den Resultaten befragt. Er meinte, akutes Lungenversagen sei wahrscheinlich bei den sechs bisherigen Toten die Sterbeursache gewesen. Bei 43 Patient*innen der Studie sei jedoch auch der Magen-Darm-Trakt betroffen gewesen, was nicht zu einer Lungenkrankheit passe. Zudem hätten viele auf die Behandlung mit Corticosteroiden angesprochen, was auf eine allergische Entzündungsreaktion hindeute.

Steckbrief

Journal: The New England Journal of Medicine

Pressemitteilungen: Nein

Aufgegriffen von:

  • Zeit Online (07.09.2019)
  • Neue Zürcher Zeitung am Sonntag (08.09.2019)
  • aerzteblatt.de (09.09.2019)
  • heise online (10.09.2019)
  • Süddeutsche Zeitung Online (10.09.2019)
  • Welt Plus (19.09.2019)

 

Je reicher ein Land ist, desto eher sterben Menschen an Krebs anstatt durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen (The Lancet)

Dies hat die Auswertung der Daten von 162 534 Menschen im Alter von 35 bis 70 Jahren aus ärmeren, mittleren und reichen Ländern ergeben. So sind in den reichen Ländern lediglich 23 Prozent der Todesfälle Herz-Kreislauf-Erkrankungen zuzuschreiben gewesen, während es in armen Ländern 43 Prozent waren. Der Anteil der Krebstoten an den Todesfällen ist dagegen mit 55 Prozent in den reichen Ländern deutlich größer gewesen als in den armen Ländern, wo er nur 15 Prozent betragen hat. Dies schreiben Wissenschaftler*innen der kanadischen McMaster University und Université Laval in einer Studie, die am 03.09.2019 im Fachblatt The Lancet veröffentlicht worden ist. Die Gründe für die Unterschiede zwischen den Ländern seien klar: In reicheren Ländern würden Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich besser behandelt. Somit würden daran immer weniger Menschen sterben und relativ dazu würden die komplizierter zu bekämpfenden Krebserkrankungen an Bedeutung gewinnen. Für sich genommen sei die Häufigkeit von Todesfällen durch Krebserkrankungen in armen und reichen Ländern ähnlich. Aus Sicht der Wissenschaftler*innen wird aufgrund des relativen Rückgangs an Herz-Kreislauf-Todesfällen in wenigen Jahrzehnten Krebs weltweit die Todesursache Nummer eins sein.

Mindestens zehn Mal haben deutschsprachige Medien unabhängig voneinander über die Studie berichtet. Der Fokus hat auf der Situation in reicheren Ländern wie Deutschland gelegen. Lediglich das Ärzteblatt hat besonders ausführlich zur hohen Zahl der Herz-Kreislauf-Erkrankungen in ärmeren Ländern berichtet. Unbeteiligte Expert*innen sind nicht zitiert worden.

Steckbrief

Journal: The Lancet

Pressemitteilungen: Ja (von der Fachzeitschrift)

Aufgegriffen von:

  • aerzteblatt.de (03.09.2019)
  • AFP und dpa: Welt Online (03.09.2019), Zeit Online (03.09.2019)
  • APA: Standard Online (03.09.2019)
  • Ärzte Zeitung Online (03.09.2019)
  • BR.de (03.09.2019)
  • Pharmazeutische Zeitung Online (03.09.2019)
  • Spiegel Online (03.09.2019)
  • dpa: Deutsche Apothekerzeitung Online (03.09.2019), Neue Osnabrücker Zeitung (03.09.2019), Bonner General-Anzeiger (04.09.2019), Münchener Merkur Online (04.09.2019), Rheinische Post Düsseldorf (04.09.2019), Stuttgarter Nachrichten (04.09.2019) äquivalent sda: Berner Zeitung (05.09.2019)
  • Focus Online (04.09.2019)
  • scinexx.de (04.09.2019)

*Protokoll: Hendrik Boldt

 

1Die Vorhersage der Auswahl von Themen seitens der Journalisten gleicht dem täglichen Blick in die Glaskugel. Haben Journalisten das entsprechende Fachjournal auf dem Schirm? Werden sie das Thema aufgreifen und berichten? Wenn ja: mit welchem Dreh? Wenn nein: Kann es sein, dass wichtige entscheidungsrelevante Forschungsergebnisse, über die berichtet werden sollte, übersehen werden? Im Science Media Newsreel dokumentiert das Team des SMC einmal pro Woche rückblickend die kongruenten Wissenschaftsthemen, die aus namentlich genannten Fachzeitschriften in Presseerzeugnissen und Internetangeboten aufgegriffen wurden. Erwähnt werden nur solche Themen, die bei unserem zugegeben unvollständigen Monitoring in mehr als fünf unterschiedlichen Redaktionen mit textlich nicht identischen Berichten aufgegriffen wurden.