Ein Wochenrückblick des Science Media Center, über welche Forschungsergebnisse viele Wissenschaftsjournalisten zeitnah berichten:

37,4 Prozent aller neuen Krebsfälle in Deutschland durch beeinflussbare Risikofaktoren bedingt (Deutsches Ärzteblatt)

Für das Jahr 2018 gilt: 165 000 von insgesamt 400 000 erwarteten neu auftretenden Krebsfällen in Deutschland im Alter von 35 bis 84 Jahren sind auf menschlich modifizierbare Risikofaktoren zurückzuführen. Das haben Wissenschaftler*innen des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg in mehreren am 03.09.2018 im Fachblatt Deutsches Ärzteblatt veröffentlichten Artikeln berichtet. Anhand von Bevölkerungsprojektionen, nationalen Krebsraten, Erkenntnissen zu bestimmten Risikofaktoren und Daten zur Risikoexposition der Bevölkerung hatten sie die sogenannte populationsattributable Fraktion (PAF) für verschiedene Faktoren berechnet. Die PAF gibt an, um wie viel Prozent die Krebsfälle – verglichen mit dem Status quo – weniger würden, wenn ein Risikofaktor komplett eliminiert würde. Als bedeutendste Faktoren haben die Wissenschaftler*innen identifiziert: Tabakkonsum mit 19,3 Prozent, ungesunde Ernährung mit 7,8 Prozent, Übergewicht mit 6,9 Prozent und geringe körperliche Aktivität mit 6,1 Prozent Anteil an den Ursachen neuer Krebsfälle. Unter der Annahme, dass die einzelnen PAF statistisch voneinander unabhängig sind, haben die Wissenschaftler*innen daraus die PAF für alle Risikofaktoren zusammen errechnet. Hätte man sie alle zugleich eliminiert, so gäbe es im Jahr 2018 37,4 Prozent weniger Krebsfälle. Die Forscher*innen geben jedoch zu bedenken, dass nicht bei allen Risikofaktoren ein Absenken auf Null unbedingt wünschenswert sein muss.

Mindestens sieben deutschsprachige Medien haben unabhängig voneinander über die Studie geschrieben. Außerdem ist die entsprechende dpa-Meldung vielfach zitiert worden. In den meisten Artikeln ist ausführlich auf die unterschiedlichen PAF eingegangen worden. Bei scinexx ist darüber hinaus erläutert worden, dass mit Vorsorgeuntersuchungen ein wichtiger modifizierbarer Risikofaktor (genauer gesagt: Protektionsfaktor) nicht in der Studie betrachtet worden ist. Ein Wissenschaftler der Universität Lübeck, der nicht direkt an der Studie beteiligt war, hatte ein Editorial im gleichen Fachblatt publiziert; dieser wurde von der Süddeutschen Zeitung und in der dpa-Meldung zitiert.

 

Steckbrief

Journal: Deutsches Ärzteblatt (Studie in drei Teilen: Rauchen und Alkohol; Infektionen und Umweltfaktoren; Übergewicht, Inaktivität und ungesunde Ernährung)

Pressemitteilungen: Ja (vom Fachblatt)

Aufgegriffen von:

  • dpa (01.09.2018): Welt Online (01.08.2018), Stern Online (01.09.2018), Aachener Nachrichten (03.09.2018), Kölner Stadt-Anzeiger (03.09.2018), Berliner Zeitung (04.09.2018), Bonner General-Anzeiger (04.09.2018), Augsburger Allgemeine (05.09.2018)
  • Spiegel Online (01.09.2018)
  • MDR.de (02.09.2018)
  • SWR.de (03.09.2018)
  • scinexx.de (04.09.2018)
  • Süddeutsche Zeitung (04.09.2018)
  • BR.de (11.09.2018)
  • Berliner Zeitung (18.09.2018)

 

Wind- und Solarparks könnten der Sahelzone und Sahara viel Regen bringen (Science)

500 Liter pro Quadratmeter pro Jahr mehr Regen für die Sahelzone, 150 Prozent mehr Regen in der Sahara, mehr Vegetation und dazu Strom aus erneuerbaren Quellen im Überfluss: All das könnte ein massiver Ausbau von Wind- und Solarparks in der Sahara und den trockensten Regionen der arabischen Halbinsel bewirken. Dies schreiben Wissenschaftler*innen der amerikanischen Universität von Maryland in College Park in einem am 06.09.2018 in der Fachzeitschrift Science veröffentlichten Artikel. In Computersimulationen haben sie die Installation von Windparks, die zusammen durchschnittlich 3 Terawatt (TW) Strom liefern und Solarparks, die zusammen durchschnittlich 79 TW liefern, angenommen. Zusammen würden die Parks in etwa das Viereinhalbfache des momentanen weltweiten Energiebedarfs von etwa 18 TW decken. Die Windparks bremsen allgemein den Wind und vermischen besonders nachts die Luftmassen, wobei sie die Oberflächentemperaturen erhöhen und mehr Niederschlag bewirken. Dagegen tritt die Wirkung der Solarparks ausschließlich tagsüber ans Licht: Sie reflektieren weniger Sonnenstrahlung als der Boden unter ihnen und erhöhen dadurch die Oberflächentemperatur und den Niederschlag. Zusammen bewirken beide Parks im Modell eine Temperaturerhöhung von 2,65 Grad Celsius. Der Niederschlag nimmt in der Simulation besonders deshalb so stark zu, weil ein Wachstum der Vegetation in Folge des anfänglich durch die Parks erhöhten Niederschlags eingerechnet wurde. Die vermehrte Vegetation selbst bewirkt dann wiederrum mehr Niederschlag. 80 Prozent der Steigerung des Niederschlags ist im Modell diesem Vegetationseffekt zuzuordnen.

Mindestens sieben deutschsprachige Medien haben unabhängig voneinander über die Studie berichtet. Die dpa, die Huffington Post, die Süddeutsche Zeitung, der SWR und der Tagesspiegel haben dabei aus den vom Science Media Center Germany bereitgestellten Statements zitiert, und zwar Experten des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg, des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Diese haben die Studie als naturwissenschaftlich akkurat, aber bezogen auf den angenommenen Ausbau der Wind- und Solarparks als unrealistisch eingestuft. Vielfach ist darauf aufmerksam gemacht worden, dass mit Desertec bereits ein kleineres Projekt zur Nutzung der Region mit Erneuerbaren Energien bestünde, welches jedoch nur sehr langsam vorankomme. In der dpa-Meldung ist zudem ein unbeteiligter Experte des Karlsruher Instituts für Technologie zur Studie zitiert worden.

Steckbrief

Journal: Science

Pressemitteilungen: Ja (vom Forschungsinstitut)

Aufgegriffen von:

  • SWR.de (06.09.2018)
  • Wiener Zeitung Online (06.09.2018)
  • science.ORF.at (07.09.2018)
  • Tagesspiegel Online (07.09.2018)
  • Huffington Post (10.09.2018)
  • Süddeutsche Zeitung (10.09.2018)
  • dpa: Welt (11.09.2018)

 

Gefährdete Gesundheit – 1,4 Milliarden Menschen bewegen sich zu wenig (Lancet)

Trotz Gesundheitskampagnen gilt: Weltweit ist der Anteil der Menschen, die sich zu wenig bewegen, seit 2001 gleich geblieben. Besonders wohlhabende Länder und – gerade in Ländern mit traditionellen Rollenbildern – Frauen sind vom Problem des Bewegungsmangels betroffen. In Deutschland ist die Zahl der Menschen, die sich zu wenig bewegen, zwischen 2001 und 2016 sogar um 15 Prozent angestiegen. Mit 42,2 Prozent Inaktiven liegt Deutschland nun auf Platz 15 der bewegungsfaulsten Länder der Welt. Damit steht es deutlich schlechter da als viele Nachbarländer wie etwa Österreich mit 30,1 Prozent oder Schweden mit 23,1 Prozent Inaktiven. Die Studie ist am 04.09.2018 im Fachblatt Lancet Global Health veröffentlicht worden. Die Studienautoren – Wissenschaftler*innen der Weltgesundheitsorganisation WHO und der Universität Perth – definierten ausreichende körperliche Aktivität als 150 Minuten moderate Bewegung oder 75 Minuten Sport pro Woche. Alles darunter ist von den Studienautoren als Bewegungsmangel gewertet worden. Die WHO will die Senkung des Bewegungsmangels – immerhin wichtiger Risikofaktor für Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Krebs – um zehn Prozent bis zum Jahr 2025. Um dies noch zu erreichen, fordern die Wissenschaftler*innen unverzüglich politische Maßnahmen.

In mindestens acht deutschsprachigen Medien ist unabhängig voneinander über die Studie berichtet worden. Bei Welt Online und bei der Süddeutschen Zeitung ist dabei eine unbeteiligte Expertin der Universität Sydney aus einem ebenfalls im Lancet veröffentlichten Kommentar zur Studie zu den Gründen des Bewegungsmangels zitiert worden. In der Süddeutschen Zeitung, die einen besonders ausführlichen Bericht zur Studie geliefert hat, ist außerdem ein unbeteiligter Experte der Technischen Universität München speziell zur Situation in Deutschland zitiert worden. Generell ist in vielen Berichten besonders auf die Verschlechterung der Zahlen zu Deutschland aufmerksam gemacht worden.

Steckbrief

Journal: Lancet Global Health

Pressemitteilungen: Ja (von der Fachzeitschrift)

Aufgegriffen von:

  • AFP: Neue Zürcher Zeitung (05.09.2018), Süddeutsche Zeitung (05.09.2018)
  • APA: science.ORF.at (05.09.2018)
  • dpa: Frankfurter Rundschau (05.09.2018), Stuttgarter Nachrichten (05.09.2018)
  • Spiegel Online (05.09.2018)
  • Stern Online (05.09.2018)
  • Welt Online (05.09.2018)
  • Zeit Online (05.09.2018)
  • Süddeutsche Zeitung (06.08.2018)

 

*Protokoll: Hendrik Boldt

 

Die Vorhersage der Auswahl von Themen seitens der Journalisten gleicht dem täglichen Blick in die Glaskugel. Haben Journalisten das entsprechende Fachjournal auf dem Schirm? Werden sie das Thema aufgreifen und berichten? Wenn ja: mit welchem Dreh? Wenn nein: Kann es sein, dass wichtige entscheidungsrelevante Forschungsergebnisse, über die berichtet werden sollte, übersehen werden? Im Science Media Newsreel dokumentiert das Team des SMC einmal pro Woche rückblickend die kongruenten Wissenschaftsthemen, die aus namentlich genannten Fachzeitschriften in Presseerzeugnissen und Internetangeboten aufgegriffen wurden. Erwähnt werden nur solche Themen, die bei unserem zugegeben unvollständigen Monitoring in mehr als fünf unterschiedlichen Redaktionen mit textlich nicht identischen Berichten aufgegriffen wurden.