Ein Wochenrückblick des Science Media Center, über welche Forschungsergebnisse viele Wissenschaftsjournalisten zeitnah berichten.

Die Vorhersage der Auswahl von Themen seitens der Journalisten gleicht dem täglichen Blick in die Glaskugel. Haben Journalisten das entsprechende Fachjournal auf dem Schirm? Werden sie das Thema aufgreifen und berichten? Wenn ja: mit welchem Dreh? Wenn nein: Kann es sein, dass wichtige entscheidungsrelevante Forschungsergebnisse, über die berichtet werden sollte, übersehen werden? Im Science Media Newsreel dokumentiert das Team des SMC einmal pro Woche rückblickend die kongruenten Wissenschaftsthemen, die aus namentlich genannten Fachzeitschriften in Presseerzeugnissen und Internetangeboten aufgegriffen wurden. Erwähnt werden nur solche Themen, die bei unserem zugegeben unvollständigen Monitoring in mehr als fünf unterschiedlichen Redaktionen mit textlich nicht identischen Berichten aufgegriffen wurden

Erstmals embryoähnliche Strukturen aus Mäuse-Stammzellen erzeugt (Nature)

Erstmals berichten Wissenschaftler, embryoähnliche Zellstrukturen ausschließlich aus Stammzellen erzeugt zu haben. Weder Eizelle noch Spermium kamen dabei zum Einsatz. Im Fachblatt Nature veröffentlichten niederländische Forscher der Universität Maastricht und des Hubrecht Instituts am 02.05.2018 ihre Ergebnisse. In den Versuchen organisierten sich Mäusestammzellen aus Plazenta- und Embryogewebe in vitro selbst zu Strukturen, die wenige Tage alten Embryos ähnelten. Zwar konnten diese nicht lange überleben, geschweige denn sich zu lebensfähigen Embryonen entwickeln. Aber die Wissenschaftler erhoffen sich von dem Studium der „Embryoids“ dennoch neue Erkenntnisse, insbesondere experimentelle Zugänge zu der weitgehend unerforschten Implantation von Embryonen in die Gebärmutter und den Ursachen von Fehlgeburten.

Der Fachartikel wurde in mindestens sieben deutschsprachigen Medien aufgegriffen. Das Verfahren zur Herstellung der embryoähnlichen Zellstrukturen sowie der Nutzen dieser Forschung werden einheitlich geschildert. Science.orf, Spiegel Online und der Standard, die allesamt eine AFP-Meldung als Quelle verwenden, zitieren zudem als Experten die Autoren der Studie. Leichte Unterschiede in der Berichterstattung finden sich bezüglich der Möglichkeit, eines Tages lebensfähige menschliche Embryonen auf ähnliche Weise zu züchten. Der Tagesspiegel erwähnt diese Sorge und ZDF Heute zitiert den CDU Europapolitiker Peter Liese, der die Gefahr sieht, dass eines Tages künstliche Embryonen beim Menschen eingepflanzt werden. Ansonsten werden eventuelle ethische Konsequenzen der möglichen Herstellung lebensfähiger, in-vitro erzeugter Embryonen nicht diskutiert.

 

Steckbrief

–      Journal: Nature

–      Pressemitteilungen: Nein

Aufgegriffen von:

  • Heute.de (03.05.2018)
  • Der Tagesspiegel.de (03.05.2018)
  • Science.orf.at (03.05.2018)
  • Der Standard.de (03.05.2018)
  • Welt Online (03.05.2018)
  • Stuttgarter Zeitung (04.05.2018)
  • Spiegel Online (04.05.2018) 

Genetische Anpassung an Kälte verursacht Migräne-Anfälle (PLOS Genetics)

Eine erbliche Anpassung an Kälte führte womöglich dazu, dass Migräne in der europastämmigen Bevölkerung weiter verbreitet ist als in der afrikastämmigen. Dieses Forschungsergebnis veröffentlichten Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Evolutionäre Anthropologie aus Leipzig am 03.05.2018 in der Fachzeitschrift PLOS Genetics. Sie verglichen Daten zur Verbreitung der relevanten genetischen Varianten in der Bevölkerung mit den klimatischen Bedingungen vor Ort. Die studierte Variante des Gens TRPM8 bewirkt bekanntermaßen eine bessere Temperatur-Regulierung des Körpers bei Kälte und erhöht vermutlich das Migränerisiko. Die Daten zeigen zudem, dass sie im kälteren Europa deutlich weiter verbreitet ist als in Afrika.

Die Studie und ihre Ergebnisse wurden von mindestens neun deutschsprachigen Medien beschrieben. Als Experten kommen allein die Studienautoren zu Wort. Insbesondere werden sie in einer DPA-Meldung zitiert, die von zahlreichen Zeitungen wie der Nordwest Zeitung, der Augsburger Allgemeinen, der Stuttgarter Zeitung, dem Oberbayerischen Volksblatt, den Nürnberger Nachrichten und der Huffington Post so übernommen wurde. Sowohl aus der DPA-Meldung als auch aus den Artikeln bei Spiegel Online und beim Standard wird nicht klar ersichtlich, dass die Studie keine neuen Informationen zur Funktion der Genvariante an sich, sondern ausschließlich Erkenntnisse zur evolutionären Verbreitung der Genvariante erbringt. Diese werden nicht deutlich genug davon abgegrenzt, dass bereits bekannt ist, dass die Genvariante vermutlich das Migränerisiko erhöht und die Temperatur-Regulation des Körpers bei Kälte verbessert. Bei Spektrum.de, Welt Online, Handelblatt.de und auf MDR.de wird dieser Unterschied klarer herausgearbeitet.

 

Steckbrief

–      Journal: PLOS Genetics

–      Pressemitteilungen: Nein

Aufgegriffen von:

  • Spektrum (03.05.2018)
  • Spiegel Online (03.05.2018)
  • Welt online (03.05.2018)
  • Handelsblatt (04.05.2018)
  • FAZ (04.05.2018)
  • Der Standard.at (06.05.2018)
  • MDR (07.05.2018)
  • Ärzteblatt.de (08.05.2018)
  • DPA (03.05.2018) übernommen: Nordwest-Zeitung (03.05.2018), Augsburger Allgemeine (03.05.2018), Stuttgarter Zeitung (03.05.2018), Oberbayerisches Volksblatt (04.05.2018), Huffingtonpost.de (04.05.2018), FAZ (04.05.2018), Nürnberger Nachrichten (05.05.2018)

Arktisches Phytoplankton trotzt dem Klimawandel (Nature Climate Change)

Die Versauerung der Meere im Zuge des Klimawandels hat kaum einen Einfluss auf arktisches Phytoplankton. Dies ist das Resultat einer am 30.04.2018 im Fachmagazin Nature Climate Change von Wissenschaftlern des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung veröffentlichten Studie. Die Wissenschaftler testeten, wie arktische Phytoplankton-Gemeinschaften bei unterschiedlichen Temperaturen, pH-Werten und verschiedenen Lichtverhältnissen reagieren. Erst ab sehr geringen Wassertemperaturen von 1,8 Grad Celsius wurden Produktivität und Biodiversität der Gemeinschaften durch Versauerung in Mitleidenschaft gezogen. Die Wissenschaftler erwarten auf Grund ihrer Forschungen, dass das arktische Phytoplankton zumindest mit der für dieses Jahrhundert prognostizierten Versauerung der Meere kein Problem haben wird. Dadurch unterscheidet es sich von Phytoplankton in anderen Meeresregionen. Der Grund für seine Robustheit könnte laut der Studie darin liegen, dass es ohnehin einen sehr variablen Lebensraum besiedelt. Mal ist es in der Arktis 24 Stunden Sonnenschein ausgesetzt, mal Dunkelheit; mal Süßwasser, mal Salzwasser. Daher ist arktisches Phytoplankton an Veränderungen gut angepasst.

Der Fachartikel wurde in mindestens acht deutschsprachigen Medien aufgegriffen. Es wird durchweg sehr einheitlich berichtet und die wichtigsten Punkte der Studie werden knapp zusammengefasst. Als Experten werden ausschließlich Autoren der Studie zitiert. Übergreifend wird der Studienbefund als ausnahmsweise nicht negative Nachricht zur Umweltveränderung im Zuge des Klimawandels dargestellt.

 

Steckbrief

–       Journal: Nature Climate Change

–      Pressemitteilungen: Ja

Aufgegriffen von:

  • Zeit Online (30.04.2018)
  • Tagesschau.de (30.04.2018)
  • Science.orf.at (30.04.2018)
  • Kurier.at (01.05.2018)
  • Kreiszeitung.de (01.05.2018)
  • DLF 24 (01.05.2018)
  • Berliner Morgenpost (02.05.2018)
  • DPA: Focus Online (01.05.2018) Volksstimme.de (01.05.2018) Spiegel Online (02.05.2018)Große Todeszone im Golf von Oman (Geophysical Research Letters)

Im Golf von Oman befindet sich zwischen 150 und 1000 Metern Tiefe eine sogenannte ‚Todeszone‘ von der Größe Schottlands. Dort können Tiere und Pflanzen aufgrund des niedrigen Sauerstoffgehalts nicht überleben. In einem am 27.04.2018 in Geophyscial Research Letters veröffentlichten Fachartikel beschreiben Wissenschaftler nun die Resultate einer erstmals vorgenommenen detaillierten Datensammlung in dieser Region. Diese wurde mit Hilfe von submarinen Drohnen vorgenommen. Die Resultate überraschten die Wissenschaftler, denn sie zeigen, dass das Gebiet deutlich größer als erwartet und seit 1990 vermutlich deutlich gewachsen ist. Da maritime Todeszonen das Treibhausgas Distickstoffmonoxid (N2O) ausstoßen und die Ergebnisse darauf hindeuten, dass Größe und Wachstum solcher Zonen bisher unterschätzt wurden, fordern die Studienautoren zudem eine Revision der Klimamodelle.

Die Studie wurde in mindestens sechs deutschsprachigen Medien aufgegriffen und darüber hinaus über Agentur-Meldungen weit verbreitet. Sehr konsonant wird dabei über die Datenerhebung per ferngesteuertem Drohnen sowie über die Ausweitung der Todeszone berichtet. Als Experte wird durchgehend der Autor der Studie zitiert. Nur in der Süddeutschen Zeitung kommt mit Johannes Karstensen vom GEOMAR Institut in Kiel eine weitere Stimme zu Wort. Alle Berichte weisen darauf hin, dass die Todeszone größer ist, als bisher angenommen. Auf scinexx.de wird etwas drastischer beschrieben, dass die Todeszone deutlich schneller wächst als bisher vermutet. Zudem wird dort auf die Häufung solcher Todeszonen weltweit aufmerksam gemacht. Als Ursache für die Ausweitung der Todeszone werden in allen Medien übereinstimmend der Klimawandel, Einträge durch Überdüngung und Abwässer genannt. Bezüglich des Nutzens der Erkenntnisse der Studie wird einhellig auf den erhöhten N2O-Ausstoß durch die größere Todeszone hingewiesen. Es wird berichtet, diese Erkenntnis mache es notwendig, die Klimamodelle zu überarbeiten. Eine Einordnung, wie viel größer der N2O Ausstoß und dessen Einfluss in Klimamodellen in etwa sein könnte, wird allerdings nirgendwo vorgenommen. Ebenfalls nicht diskutiert wird die Wirksamkeit möglicher Gegenmaßnahmen.

 

Steckbrief

–          Journal: Geophysical Research Letters

–      Pressemitteilungen: Ja

Aufgegriffen von:

  • Spektrum.de (27.04.2018)
  • Focus Online (27.04.2018)
  • Zeit Online (28.04.2018)
  • Deutsche Welle.com (28.04.2018)
  • T-online.de (28.04.2018)
  • Express.de (28.04.2018)
  • Süddeutsche.de (28.04.2018)
  • NTV.de (28.04.2018)
  • Welt.de (29.04.2018)
  • df.de (29.04.2018)
  • DerStandard.de (29.04.2018)
  • Bonner General Anzeiger (30.04.2018)
  • Berliner Morgenpost (30.04.2018)
  • SZ (30.04.2018)
  • taz (30.04.2018)
  • DiePresse.com (30.04.2018)
  • Scinexx.de (30.04.2018)