Die Panelisten auf der diesjährigen Wissenswerte in Magdeburg waren sich einig: Der Wissenschaftsjournalismus sollte politischer werden. Ein Bericht VON MARKUS LEHMKUHL

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Holger Wormer, Professor für Wissenschaftsjournalismus an der Technischen Universität Dortmund, hat das Fernsehen scharf im Blick. Er wirbt für so etwas wie einen „konspirativen“ Ansatz. Die Wissenschaftsredakteure der ARD, schlägt er vor, mögen doch die Tagesschau-Redaktion in Hamburg so lange mit wissenschaftspolitischen Angeboten  nerven, bis die unter der Angebotslast einknicken und mindestens ab und zu auch solche Themen aufgreifen. Auch einen Sendeplatz schlägt er vor. Wissenschaftspolitik könnte als Rausschmeißer aus den Tagesthemen dienen. Schlimmer als das, was derzeit am Schluss der Sendung im Angebot sei, könnten diese Themen gar nicht sein.

Es mag dahingestellt bleiben, wie ernst gemeint dieser Vorschlag war. Gelacht hat jedenfalls niemand.  Was dem Tipp zugrunde liegt, ist aus Sicht von Wormer eine eher traurige Wahrheit.  Wissenschaftspolitik findet im deutschen Fernsehen nicht statt. Während man in Tages- oder Wochenzeitungen solche Themen regelmäßig finde, sei beim Fernsehen permanente Sendepause, ein Befund, der unwidersprochen blieb.

Mehr als Erklärbär und Geschichtenerzähler

Es gibt aus der Sicht von Wormer also ein Problem im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, das in vielen Variationen auf den Dritten den Erklärbären und Geschichtenerzähler gibt, so als wäre die Wissenschaft heutzutage immer noch das Geschäft sympathischer, aber irgendwie schrulliger und irgendwie weltabgewandter Brötler, die sich zwar kompliziert ausdrücken, denen man mit den Mitteln des Fernsehens aber Staunenswertes entlocken kann.

Nach Einschätzung von Thomas Weidenbach, Geschäftsführer der Kölner Produktionsfirma Längengrad, sei mindestens die ARD organisatorisch schlecht gerüstet, um aktuelle Wissenschaftsberichterstattung zu stemmen. Statt politisch ambitionierteren  Wissenschaftsjournalismus zu wagen, erkläre man besonders in den Dritten Programmen lieber die Welt und verteidige die Nische, in der man sich eingerichtet habe.

Nach Meinung von Christina Beck, oberste Öffentlichkeitsarbeiterin der Max Planck Gesellschaft (MPG), müsse der Wissenschaftsjournalismus seinen Streitwert erhöhen. Er gebe „ein gewichtiges Pfund aus der Hand“, wenn er sein Geschäft allein darin sehe, seinem Publikum als Ratgeber zu dienen. Als schlechtes Beispiel für derlei Verbraucher-Journalismus nannte Beck Zeit-Wissen. „Ich glaube nicht, dass man mit so einer Berichterstattung satisfaktionsfähig ist innerhalb einer Redaktion.“

In Redaktionen fehlen Ansprechpartner

Was Beck vermisst, sind Ansprechpartner in Wissenschaftsredaktionen für forschungspolitische Themen, die die MPG umtreiben. Damit weckte sie bei mindestens einem Zuhörer im Plenum Argwohn: Man könne meinen, die PR-Chefin verbinde mit dieser Klage die Hoffnung, dass sie in Wissenschaftsredaktionen leichter Unterstützer ihrer forschungspolitischen Anliegen finde. Das bestritt Beck.

Was unter wissenschaftspolitischen Themen zu verstehen ist, die einer größeren journalistischen Beachtung würdig sind, blieb auf der Session im Ungefähren. Es blieb unklar, ob damit nur das gemeint ist, was heute unter der Rubrik Hochschule und Bildung von einer Reihe von Tageszeitungen mehr oder minder regelmäßig gedruckt wird.

Mindestens Holger Wormer scheint sich unter politischem Wissenschaftsjournalismus vor allem einen kritischeren Wissenschaftsjournalismus vorzustellen: „Je stärker die Wissenschaft den Regeln von Politik oder Wirtschaft folge, desto politischer müsse auch der Wissenschaftsjournalismus werden.“ Damit spielt Wormer darauf an, dass auch die Kommunikation von Wissen durch Wissenschaftler und Wissenschaftsorganisationen nicht als unabhängig gelten darf, sondern als probates Mittel, den eigenen Interessen zu dienen.

Martin Gent, Redakteur der WDR 5 Radiosendung Leonardo, bezweifelte, dass man mit wissenschaftspolitischen Themen genügend Aufmerksamkeit gewinnen könne. Diese Zweifel versuchte Anja Kühne vom Berliner Tagesspiegel und dort zuständig für die Hochschulpolitik zu zerstreuen.  Nach ihrer Erfahrung ist es sehr wohl möglich, ein großes Publikum für diese Themen zu finden. Darauf wiesen mindestens die manchmal überraschend hohen Klickzahlen hin, die ihre Artikel verbuchten. Im Übrigen sei es möglich, diese Themen interessant zu machen. Man müsse sich ihnen nur zuwenden.

 


Markus LehmkuhlMarkus Lehmkuhl ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Arbeitsbereich Wissenschaftskommunikation der Freien Universität Berlin. Er leitet die Redaktion von meta seit 2007.