Bislang glich die Wissenswerte eher Frontalunterricht, während die spannenden Gespräche in den Pausen entstanden. Wie lassen sich Diskussionen besser in die Sessions integrieren? Ideen zum Anstoß in eigener Sache VON KAI KUPFERSCHMIDT

Manchmal braucht es nur einen kleinen Schubs. Letzten November saß ich gerade in der ersten Session meiner ersten Wissenswerte (Thema: Braucht Deutschland ein Science Media Center?) als ich bei Twitter die Nachricht einer Kollegin in einer anderen Session las:

Das war Ansporn genug, Twitter einmal für mehr zu nutzen als interessante Artikel zu verbreiten dabei zwei Sachen festgestellt: Dass das wirklich Spaß machen kann und dass der Diskussion zu folgen und gleichzeitig zu twittern, mich bei vielen Themen wahrscheinlich überfordern würde. Das war keine große Erkenntnis, aber die Art von Erfahrung, die ich mir von der Wissenswerte erhofft hatte.

Auch sonst waren die zwei Tage in Bremen interessant. Ich habe Kollegen, mit denen ich schon häufig telefoniert oder E-Mails ausgetauscht hatte, zum ersten Mal die Hand gegeben. Veranstaltungen zu H5N1-Forschung, Seralini-Studie und Organspende-Skandal haben einige der großen Aufregerthemen des Jahres abgedeckt.

Trotzdem war ich ein wenig unzufrieden! Ich weiß nicht, was ich mir erhofft hatte. Vielleicht zwei Tage der journalistischen Selbstreflexion und auch Selbstvergewisserung. Zwei Tage, an denen ich mit Kollegen darüber diskutiere, warum wir eigentlich erst dann über Forschung berichten, wenn sie in einem Journal erschienen ist, wer die Themen bestimmt, über die wir schreiben und wie sich der Wissenschaftsjournalismus in Zeiten hervorragend gemachter Wissenschafts-PR behaupten kann. Zwei Tage, in denen ich mit Apps konfrontiert werde, die den Journalismus in eine neue Richtung steuern, oder Programme kennenlerne, die mir die Arbeit erleichtern oder sie in Zukunft jedenfalls verändern werden. Kurz: Ich habe mir ein bisschen mehr Grundsätzliches und zugleich ein bisschen mehr Praxis gewünscht.

Diskussionen von den Fluren in die Sessions verlagern

Tatsächlich habe ich alle diese Dinge in Bremen auch erlebt, aber eben meist im Gespräch zu zweit oder zu dritt, in Kaffeepausen oder beim Mittagessen. Und ich glaube, dass die Wissenswerte eine bessere Veranstaltung wäre, wenn wir es schaffen würden, diese Diskussionen von den Fluren und den Stehtischen in die Sessions zu verlagern.

Ein grundsätzliches Problem ist, dass die Wissenswerte wie fast alle Veranstaltungen dieser Art das Konzept des Frontalunterrichts verinnerlicht hat. Auf einem erhöhten Podium sitzen drei oder vier Diskutanten, die – meistens, aber bei weitem nicht immer – verschiedene Positionen vertreten. Am Ende dürfen Fragen gestellt werden. Das ist sinnvoll, wenn die Zuhörer Laien sind, die sich zu einem bestimmten Thema eine Meinung bilden wollen. Doch ist bei der Wissenswerte der Raum voll mit Menschen, um deren Erfahrungen in und mit Redaktionen es gerade geht. (Und Journalisten ohne Meinung sind nach meiner Erfahrung noch seltener als Journalisten ohne Ahnung.)

Das Ziel sollte also sein, so viele Teilnehmer wie möglich in die Diskussion einzubeziehen, anstatt einer Stellvertreterdiskussion zu lauschen. Vielleicht wäre es den Versuch wert, einen Raum bei der WISSENSWERTE einmal anders aufzubauen, kein Podium, kein Panel, sondern alle Stühle auf einer Ebene im Kreis oder Halbkreis. So ein Format braucht natürlich gute Moderatoren, aber im Idealfall kann es dazu führen, dass all das Wissen und all die Meinungen, die in dem Raum versammelt sind auch in die Diskussion einfließen.

Damit so etwas funktioniert, damit Teilnehmer ihre Erfahrungen teilen und ihre Kritik anbringen, müssen aber auch Hürden abgebaut werden. Das können Kleinigkeiten sein: Expeditionen am Anfang der Konferenz statt am Ende könnte den Teilnehmern eine Chance geben, sich vor den Sessions kennenzulernen und ein Kaffeekreis für „Erstis“ könnte Neuzugängen bei der Wissenswerte helfen, Kollegen kennenzulernen und sich wohlzufühlen. Man könnte auch das Saalmikro im Gang abschaffen, das vielen Menschen schon Schweißperlen auf die Stirn treibt, wenn Sie nur darüber nachdenken, aufzustehen und etwas zu sagen. Zwei Mikros, die im Saal rumgereicht werden, sind für viele weniger abschreckend.

Journalistische Ethik im „geschützten Raum“ diskutieren

Es gibt andere Dinge, die ich sinnvoll fände, etwa Sessions, in denen Journalisten unter sich sind. Wenn über Redaktionsprobleme und journalistische Ethik diskutiert werden soll, wäre so ein „geschützter Raum“ hilfreich. Dann könnten wir vielleicht ehrlicher über unsere Schwachstellen und Einfallstore für PR sprechen, als wenn Pressesprecher und Wissenschaftskommunikatoren von Anfang an mit debattieren. Und nach der Konferenz könnten wir ein Wiki anlegen, in dem Feedback gesammelt wird und Themenvorschläge fürs nächste Jahr.

Ich möchte nicht undankbar erscheinen. Dass es in Deutschland ein großes Branchentreffen wie die Wissenswerte gibt, ist toll und das Verdienst vieler Menschen, die dafür hart gearbeitet haben. Doch nun, da die WPK offizieller Träger der WISSENSWERTE ist, haben wir die Chance, das Treffen noch moderner und relevanter für uns Journalisten zu machen. Wir haben die Chance, ein bisschen zu experimentieren.

Die meisten der Ideen und Vorschläge in diesem Text sind im Übrigen nicht von mir. Einige Monate nach der Wissenswerte haben sich eine Handvoll Berliner WPK-Mitglieder noch einmal zusammengesetzt. Wir haben unsere Eindrücke von der Wissenswerte verglichen, Erfahrungen bei anderen Konferenzen ausgetauscht und Vorschläge diskutiert. Ich weiß nicht, wie man so eine Session auf der Wissenswerte nennen würde, aber ich habe dabei viel gelernt und viele Denkanstöße bekommen. Es könnte der Anfang einer interessanten Diskussion darüber sein, was für eine Wissenswerte wir uns wünschen.

Und manchmal braucht es eben nur einen kleinen Schubs.

Die Programmplaner im WPK-Projektbüro an der TU Dortmund – Holger Hettwer und Franco Zotta – sind übrigens für neue Ideen zur WISSENSWERTE jederzeit ansprechbar (holger.hettwer@tu-dortmund.de). Darüber hinaus wollen wir den WPK-Mitgliedern die Möglichkeit geben, konkrete Ideen und Anregungen systematisch einzubringen.


Kai KupferschmidtDer Autor Kai Kupferschmidt hat Molekulare Biomedizin studiert und arbeitet als freier Wissenschaftsjournalist in Berlin für das US-Journal “Science” und im Wissenschaftsressort des Tagesspiegels, sowie für zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften.