Ein Wochenrückblick des Science Media Center, über welche Forschungsergebnisse viele Wissenschaftsjournalisten zeitnah berichten: 

CCR5-Mutation senkt Lebenserwartung statistisch signifikant (Nature Medicine)

Individuen der UK Biobank, bei denen die Mutation CCR5-Δ32 homozygot vorlag, hatten im Vergleich mit anderen Individuen im Alter von 41 bis 76 Jahren eine insgesamt um 21 Prozent erhöhte Todesrate. Dies haben statistische Analysen der Daten von ungefähr 400.000 Menschen ergeben. Die Ergebnisse haben Wissenschaftler*innen der Universität Berkeley am 03.06.2019 im Fachblatt Nature Medicine veröffentlicht. Der mögliche Grund für die erhöhte Sterblichkeit: Die CCR5-Mutation schütze zwar vor HIV, reduziere aber den Schutz bei anderen, häufigeren Infektionskrankheiten wie Grippe.

Mindestens acht Mal haben deutschsprachige Medien unabhängig voneinander über die Studie berichtet. Kongruent ist dabei hervorgehoben worden, dass die Experimente He Jiankuis im Lichte der Studienergebnisse ethisch umso falscher gewesen sind. Dieser hatte nach eigener Aussage ähnliche Mutationen von CCR5 bei seinen Versuchspersonen eingefügt, um sie immun gegen HIV zu machen. An der Studie unbeteiligte Expert*innen sind in den Medien nicht zitiert worden.

Steckbrief

Journal: Nature Medicine

Pressemitteilungen: Ja (vom Forschungsinstitut)

Aufgegriffen von:

  • aerzteblatt.de (03.06.2019)
  • Ärzte Zeitung Online (03.06.2019)
  • Deutsche Welle (03.06.2019)
  • dpa (03.06.2019): Tagesspiegel (03.06.2019), Schwarzwälder Bote (03.06.2019), Spiegel Online (03.06.2019), Stern online (03.06.2019), Südwest Presse online (03.06.2019), Zeit Online (03.06.2019), Berliner Zeitung (04.06.2019), Bonner General-Anzeiger (04.06.2019), Frankfurter Rundschau online (04.06.2019), N-tv.de (04.06.2019), Stuttgarter Nachrichten (04.06.2019), Welt  online (04.06.2019),
  • Neue Zürcher Zeitung (03.06.2019)
  • scinexx.de (04.06.2019)
  • WDR 5 (04.06.2019)
  • National Geographic online (05.06.2019)

 

Kohleausstieg ohne CO2-Bepreisung könnte Emissionen erhöhen statt senken (Energiewirtschaftliche Tagesfragen)

Aus zwei Gründen würde ein deutscher Ausstieg aus der Kohlestrom-Produktion ohne gleichzeitige Einführung einer CO2-Steuer und eines Mindestpreises für CO2-Zertifikate die CO2-Emissionen womöglich erhöhen statt senken. Dies schreiben Wissenschaftler des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung in einer Studie, die Anfang Juni im Fachmagazin Energiewirtschaftliche Tagesfragen veröffentlicht worden ist. Demnach käme es einerseits zu einem Rebound-Effekt: Weniger Kohlestrom bedeute ein geringeres Angebot auf dem Strommarkt und höhere Preise. Dadurch würde die Kohleverstromung häufiger kostendeckend und die entsprechenden Kraftwerke verstärkt genutzt. Außerdem gäbe es einen Wasserbett-Effekt: Die ungenutzten C02-Zertifikate der Kraftwerksbetreiber könnten anderswo genutzt werden. Selbst mit bisher bestehenden Löschmechanismen, die Zertifikate vom Markt entfernen würden, könnte der Preis deutlich sinken. In Folge könnten die europaweiten Emissionen sogar steigen. Mit einem Mindestpreis für CO2 im Zertifikatehandel sowie einer CO2-Steuer in Höhe von 35 bis 60 Euro pro Tonne könnte laut den Wissenschaftlern die Erreichung des nationalen Klimaziels sichergestellt werden.

Mindestens acht Mal ist von deutschsprachigen Medien in unterschiedlichen Berichten über die Publikation geschrieben worden. Dabei ist meist ein Bezug zur aktuellen politischen Diskussion über CO2-Steuern hergestellt worden. Stellungnahmen unbeteiligter Expert*innen zur Studie sind nicht zitiert worden. Die Frankfurter Allgemeinen Zeitung ist allerdings auf die kritische Meinung weiterer Wirtschaftswissenschaftler*innen zum deutschen Kohleausstieg eingegangen.

Steckbrief

Journal: Energiewirtschaftliche Tagesfragen

Pressemitteilungen: Ja (vom Forschungsinstitut)

 

Aufgegriffen von:

  • Standard Online (22.05.2019)
  • AFP: Welt Online (04.06.2019), Zeit Online (04.06.2019); ähnlich: APA: Standard Online (04.06.2019)
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung Online (04.06.2019)
  • N-tv.de (04.06.2019)
  • Spiegel Online (04.06.2019)
  • SWR.de (04.06.2019)
  • Tagesspiegel (04.06.2019)
  • heise online (05.06.2019)
  • Süddeutsche Zeitung (05.06.2019)

*Protokoll: Hendrik Boldt

 

* Die Vorhersage der Auswahl von Themen seitens der Journalisten gleicht dem täglichen Blick in die Glaskugel. Haben Journalisten das entsprechende Fachjournal auf dem Schirm? Werden sie das Thema aufgreifen und berichten? Wenn ja: mit welchem Dreh? Wenn nein: Kann es sein, dass wichtige entscheidungsrelevante Forschungsergebnisse, über die berichtet werden sollte, übersehen werden? Im Science Media Newsreel dokumentiert das Team des SMC einmal pro Woche rückblickend die kongruenten Wissenschaftsthemen, die aus namentlich genannten Fachzeitschriften in Presseerzeugnissen und Internetangeboten aufgegriffen wurden. Erwähnt werden nur solche Themen, die bei unserem zugegeben unvollständigen Monitoring in mehr als fünf unterschiedlichen Redaktionen mit textlich nicht identischen Berichten aufgegriffen wurden.