Wir veröffentlichen hier das Rede-Manuskript von Ranga Yogeshwar. Gesprochen auf dem March for Science 2019 in Köln.

„Momentan habe ich den Eindruck, dass wir in einem leicht entzündlichen Umfeld leben. Die Feuerwehr der Aufklärung ist jedenfalls in diesen Tagen häufig unterwegs. Da geht es zum Beispiel beim Klima um „Scientist for Future“. Mehr als 12.000 Wissenschaftler haben das Anliegen der protestierenden Jugend unterstützt. An anderer Stelle läutet die Alarmglocke erneut, wenn sich herausstellt, dass zu viele junge Menschen nicht adäquat gegen Masern geimpft sind. In Japan ist die Situation sogar besonders drastisch – Die Impfquote für Gebärmutterhalskrebs fiel von 70 Prozent im Jahr 2013 auf unter 1 Prozent! Ungeheuerlich – eine moderne Industrienation verzichtet auf den Schutz gegen eine tückische Krebsart.

Und erneut schrillt die Glocke, wenn seltsame Theorien zum Feinstaub unsere klare Sicht auf die Fakten trüben oder Handystrahlung zu einer Gefahr erklärt wird. Ich könnte die Liste der Einsätze weiterzählen, doch wenn die Feuerwehr zu häufig ausrücken muss, dann stellt sich irgendwann auch die Frage ob womöglich der Brandschutz im Argen liegt. Brandschutz bedeutet in diesem Zusammenhang: Wie gut funktioniert unsere Aufklärung im Vorfeld? Wie nachhaltig ist Wissenschaftskommunikation denn? Überhaupt wo und wie findet diese Wissenschaftskommunikation überhaupt statt?

Forscher reden zwar gerne von einem Dialog mit der Öffentlichkeit, doch seien wir ehrlich: Dieser Dialog muss mehr sein als ein kurzes Q&A nach einem Fachvortrag oder ein Werbebanner in einer Ausstellung. Manche verwechseln zudem das public understanding of science mit public acceptance of science und Wissenschaftsorganisationen meinen gar, dass reines Marketing für das eigene Forschungsfeld bereits ausreiche. Die Realität belegt: Tut es nicht!

Ein Beispiel: Als Wissenschaftsjournalist finde ich es bedauerlich, dass ich während meiner jahrelangen Arbeit im Fernsehen nie eine aktive Unterstützung aus der Wissenschaft erhielt. Im Rundfunkrat des WDR sitzen Vertreter der Kirche und selbst der Landesjagdverband NRW ist vertreten – doch die Wissenschaft fehlt. Das liegt nicht am WDR alleine, sondern an der Sorglosigkeit mit der Wissenschaftsorganisationen schweigen statt zu handeln. Seit zwanzig Jahren ist die Wissenschaft aus dem Hauptabendprogramm der ARD verschwunden, doch wo bitte gibt es die gemeinsame Forderung der Wissenschaftsverbände, dass sich dieses ändern muss? Solch ein Appell würde bestimmt gehört.

Die Wissenschaft klagt gerne darüber, dass unwissenschaftliche Thesen kursieren, doch was bitte macht die Wissenschaft aktiv dagegen? Aufklärung gibt es nicht zum Null-Tarif, man muss sich dafür einsetzen und zwar auch außerhalb der eigenen vier Wände. Wenn in den Medien Themen wie Stickstoffdioxyd-Grenzwerte oder von der Sinnhaftigkeit des Impfens die Rede ist, dann erwarte ich eine klare, gemeinsame und sichtbare Stellungnahme der Wissenschaft. Wenn einzelne mutige Wissenschaftler das tun und tatsächlich den Dialog mit der Öffentlichkeit suchen, dann brauchen sie zudem Wertschätzung und nicht – wie es oft der Fall ist – Kritik aus den eigenen Reihen. Das Engagement für die Wissenschaftskommunikation spielt momentan keine Rolle bei der Bewertung wissenschaftlicher Leistungen. Obwohl wir dieses seit über 20 Jahren einfordern, passiert so gut wie nichts.

Heute stehen wir erneut hier und treten ein für die Wissenschaft, doch das reicht nicht aus. Es ist an der Zeit in der Fläche aktiv zu werden und sich weit engagierter auch für eine gute und breite Wissenschaftskommunikation einzusetzen. Im letzten Wissenschaftsbarometer glaubt nicht einmal die Hälfte der Befragten, dass Wissenschaftler zum Wohl der Gesellschaft handeln. Eine solche Aussage muss jeden Wissenschaftler betroffen machen, denn wir wissen, dass das so nicht stimmt. Ich meine, das ist auch das Ergebnis eines blinden Flecks, denn wenn Wissenschaft für die Bürger sichtbarer wäre, wenn der Dialog tatsächlich stattfände, dann würden die Menschen anders urteilen.

Die Wissenschaft selbst muss also handeln und konkrete Maßnahmen zu einer verbesserten Kommunikation ergreifen. Das ist kein nice to have, sondern eine immer wichtigere Aufgabe. Erst wenn dieses geschieht und sich unsere Haltung verändert, erst dann sinkt die Brandgefahr und die Feuerwehr der Aufklärung muss nicht mehr so häufig ausrücken.“

Fotos: Swenja Böttcher