Ein Wochenrückblick des Science Media Center, über welche Forschungsergebnisse viele Wissenschaftsjournalisten zeitnah berichten:

 

Antiretrovirale Therapie senkt Übertragungsrisiko von HIV bei homosexuellen Paaren auf Null (The Lancet)

Bei 782 homosexuellen Paaren mit je einem HIV-positiven Partner ist es trotz ungeschütztem Analsex über den gesamten Beobachtungszeitraum hinweg in keinem Fall zu einer Übertragung des Virus gekommen. Der Grund: Die HIV-positiven Partner haben antiretrovirale Medikamente zu sich genommen, die das Virus in ihrem Körper auf ein Minimum zurückgedrängt haben. Damit ist das Risiko einer Übertragung bei konsequenter Durchführung der antiretroviralen Therapie gleich Null. Zuvor hatte eine ähnliche Studie dies schon für heterosexuelle Paare gezeigt. Die jetzige Studie ist von Wissenschaftler*innen unter Leitung des University College London am 02.05.2019 im Fachblatt The Lancet veröffentlicht worden.

Mindestens sechs Mal ist in deutschsprachigen Medien unabhängig voneinander über die Studie berichtet worden. Kongruent ist die Studie als Beweis gesehen worden, dass HIV-positive Menschen mit richtiger medikamentöser Behandlung das Virus nicht mehr übertragen können. Bei der Deutschen Welle ist ein unbeteiligter Experte des Universitätsklinikums der Ruhr-Universität Bochum zur Studie interviewt worden. Und das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) hat einen unbeteiligten Experten des Heinrich-Pette-Instituts zur Studie zitiert. Zudem ist vom RND und im Standard die Meinung eines unbeteiligten Experten der University of North Carolina in Chapel Hill aus einem parallel zur Studie im The Lancet erschienenen Kommentar wiedergegeben worden. In den Expertenstatements ist vor allem thematisiert worden, ob das HI-Virus damit nun besiegt sei. Einhellig wiesen die Experten darauf hin, dass dem nicht so sei. So sei vielen Betroffenen nicht bekannt, dass sie HIV-positiv seien und weltweit hätten nicht genug Menschen Zugang zum antiretroviralen Medikament.

Steckbrief

Journal: The Lancet

Pressemitteilungen: Nein

Aufgegriffen von:

  • AFP: Focus Online (03.05.2019), t-online.de (06.05.2019)
  • Redaktionsnetzwerk Deutschland: Kieler Nachrichten (03.05.2019)
  • Deutsche Welle (04.05.2019)
  • Spiegel Online (04.05.2019)
  • Standard Online (04.05.2019)
  • dpa: Augsburger Allgemeine (05.05.2019), Frankfurter Allgemeine Zeitung Online (05.05.2019), Kölner Stadt-Anzeiger (05.05.2019), Neue Zürcher Zeitung Online (05.05.2019), Süddeutsche Zeitung Online (05.05.2019), Südwest Presse (05.05.2019), Welt Online (05.05.2019), Zeit Online (05.05.2019), aerzteblatt.de (06.05.2019)

 

Stillstand des Jetstreams sorgt für Wetterextreme und kommt immer öfter vor (Environmental Research Letters)

Extreme Wettersituationen der Jahre 2003, 2006, 2015 und 2018 sind eventuell durch einen stillstehenden Jetstream mitverursacht worden. Diese starke Windströmung fließt in wellenförmigen Bewegungen – mal weiter nördlich, mal weiter südlich – von West nach Ost um die Nordhalbkugel. Normalerweise verschieben sich die Wellen ständig. Für das Jahr 2018 haben die Wissenschaftler*innen der Universität Oxford und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung zeigen können, dass ein unüblich lange stillstehender Jetstream zeitlich und räumlich genau mit bestimmten Wetterextremen zusammengefallen ist. Dazu zählen unter anderem Hitzewellen in Westeuropa und am Kaspischen Meer sowie starke Regenfälle in Südost-Europa. Auch für die Jahre 2003, 2006 und 2015 haben sie Evidenz für einen stillstehenden Jetstream während der Hitzeperioden gefunden. Zudem haben die Wissenschaftler*innen ermittelt, dass stillstehende Jetstreams in den letzten Jahrzehnten statistisch signifikant häufiger und langlebiger geworden sind. Sie vermuten, dass sich diese Entwicklung aufgrund des Klimawandels fortsetzen wird. Ihre Studie ist am 26.04.2019 im Fachblatt Environmental Research Letters publiziert worden.

Mindestens sechs Mal ist von deutschsprachigen Medien unabhängig voneinander über die Studie berichtet worden. Dabei sind ausschließlich Studienautoren zitiert worden. Vielfach der trockene Sommer 2018 in Deutschland als Beispiel für durch einen stillstehenden Jetstream verursachte Extremsituation genannt worden.

Steckbrief

Journal: Environmental Research Letters

Pressemitteilungen: Ja (vom Forschungsinstitut)

 

Aufgegriffen von:

  • dpa (29.04.2019): Spiegel Online (20.04.2019), Redaktionsnetzwerk Deutschland (30.04.2019); äquivalent APA: Standard (29.04.2019)
  • Deutschlandfunk Nova (30.05.2019)
  • heise online (01.05.2019)
  • Welt Online (01.05.2019)
  • AFP: taz (03.05.2019)
  • ZDF.de (03.05.2019)

*Protokoll: Hendrik Boldt

 

*Die Vorhersage der Auswahl von Themen seitens der Journalisten gleicht dem täglichen Blick in die Glaskugel. Haben Journalisten das entsprechende Fachjournal auf dem Schirm? Werden sie das Thema aufgreifen und berichten? Wenn ja: mit welchem Dreh? Wenn nein: Kann es sein, dass wichtige entscheidungsrelevante Forschungsergebnisse, über die berichtet werden sollte, übersehen werden? Im Science Media Newsreel dokumentiert das Team des SMC einmal pro Woche rückblickend die kongruenten Wissenschaftsthemen, die aus namentlich genannten Fachzeitschriften in Presseerzeugnissen und Internetangeboten aufgegriffen wurden. Erwähnt werden nur solche Themen, die bei unserem zugegeben unvollständigen Monitoring in mehr als fünf unterschiedlichen Redaktionen mit textlich nicht identischen Berichten aufgegriffen wurden.