Ein Wochenrückblick des Science Media Center, über welche Forschungsergebnisse viele Wissenschaftsjournalisten zeitnah berichten:

Influenza-Tabletten erfolgreich an Mäusen getestet (Science)

Mittels einer niedermolekularen Verbindung namens JNJ4796 konnten Mäuse vor verschiedenen Influenza-A-Viren geschützt werden. Auch im Test mit einer in vitro Zellkultur menschlicher Zellen sind Virusinfektionen neutralisiert worden. Die Verbindung ist klein genug, um kostengünstig als Tablette eingenommen zu werden. Sie ist einem größeren Antikörper nachempfunden, der gegen unterschiedliche Influenza-Viren wirkt. Dieser müsste allerdings gespritzt werden, was teuer wäre. Indem der Antikörper an das Protein Hämagglutinin (HA) am Virus bindet, hindert er es daran, mit einer Wirtszelle zu verschmelzen. Da viele Influenza-Viren das Protein haben, ist er gegen viele Viren wirksam. Ihre Studie haben die Wissenschaftler*innen des niederländischen Janssen Prevention Center und des US-amerikanischen Scripps Research Institute am 08.03.2019 in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht.

Mindestens sechs Mal ist in den deutschsprachigen Medien über die Veröffentlichung berichtet worden. Dabei sind vielfach Aussagen von unbeteiligten Experten zitiert worden, die das Science Media Center Germany (SMC) zur Studie interviewt hatte. So ist die Meinung des SMC-Experten der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster beim aerzteblatt, in der dpa-Meldung, bei Focus Online, beim MDR und bei der Süddeutschen Zeitung wiedergegeben worden. Er hat die Studie als wichtige Grundlagenforschung eingestuft. Klinische Relevanz sah er noch nicht, da das Mittel nur gegen einige Virengattungen wirkt. Bis auf die dpa und den Standard haben alle Medien zudem Aussagen des SMC-Experten der US-amerikanischen Icahn School of Medicine at Mount Sinai übernommen. Dieser meinte, das Forschungsverfahren – kleine Moleküle, die größeren Antikörpern in ihren wesentlichen Punkten nachempfunden sind, gegen Viren einzusetzen – könnte auch bei anderen Erkrankungen anwendbar sein. Ähnlich äußerte sich auch der SMC-Experte der Philipps-Universität Marburg, dessen Ansichten beim MDR und von der Süddeutschen Zeitung zitiert worden sind.

Steckbrief

Journal: Science

Pressemitteilungen: Ja (vom Fachjournal, vom Forschungsinstitut)

Aufgegriffen von:

  • dpa: ntv.de (07.03.2019), Märkische Allgemeine (08.03.2019), Neue Presse (08.03.2019),Tagesspiegel Online (08.03.2019), Welt (08.03.2019)
  • MDR.de (08.03.2019)
  • Süddeutsche Zeitung (10.03.2019)
  • aerzteblatt.de (11.03.2019)
  • Focus Online (12.03.2019)
  • Standard Online (12.03.2019)

Patient nach Stammzellen-Transplantation frei von HIV (Nature)

Nach der Transplantation von Stammzellen mit einer spezifischen Genvariation und einer anschließenden antiretroviralen Therapie ist ein Patient bislang für mindestens 18 Monate frei von Humanen Immundefizienz-Viren (HIV) gewesen. Die Stammzellen waren dem Patienten im Rahmen einer Therapie transplantiert worden, die seinen Lymphdrüsenkrebs bekämpfen sollte. Da der Patient außerdem mit HIV infiziert gewesen ist, sind dafür Stammzellen eines Spenders gewählt worden, der genetisch weitestgehend resistent gegen den Virus ist. Dies liegt daran, dass bei ihm der CCR5-Rezeptor auf Immunzellen, ein typisches Einfallstor für HIV, genetisch bedingt fehlerhaft ausgebildet ist. Ihren Machbarkeitsbeweis haben die Forscher*innen des University College of London zusammen mit einem internationalen Team am 05.03.2019 im Fachblatt Nature publiziert. Im Jahr 2008 war schon einmal ein Patient mittels einer Stammzellen-Transplantation von HIV geheilt worden. Im Unterschied zu jenem Fall haben die Mediziner*innen jedoch dieses Mal lediglich eine Chemo- und keine zusätzliche Strahlentherapie verwendet, um den Krebs zu bekämpfen.

Mindestens neunzehn Mal ist von deutschsprachigen Medien unabhängig voneinander über die Studie berichtet worden. Das Science Media Center Germany (SMC) hat vier unbeteiligte Experten der Cellex GmbH, des Universitätsklinikums Bonn, der Uniklinik Köln und des Universitätsklinikums Heidelberg zur Studie interviewt. Die Experten äußerten sich zuversichtlich bezüglich der langfristigen Heilung des in der Studie präsentierten Patienten und betonten, dass dies die bisherige Evidenz zur Wirksamkeit der Stammzellen-Transplantation weiter stärke. Zugleich legten sie Wert darauf, dass solch eine Maßnahme mit hohen Risiken verbunden sei und deshalb nicht zur Therapie normaler HIV-infizierter tauge. In zahlreichen Artikeln sind Aussagen der SMC-Experten übernommen worden. So haben die Ärztezeitung, die dpa, die Katholische Nachrichten-Agentur, ntv.de, der MDR, scinexx.de, der Spiegel, die Stuttgarter Zeitung, die Süddeutsche Zeitung, tagesschau.de, der Tagesspiegel und die Zeit allesamt aus den SMC-Interviews zitiert. Außerdem hat der Deutschlandfunk ein längeres Interview mit einem weiteren, nicht an der Studie beteiligten Experten der Universität Bochum geführt. Der Experte wies insbesondere darauf hin, dass mit den verfügbaren retroviralen Therapien schon gute und risikoarme Behandlungsmethoden für HIV-Patient*innen zur Verfügung stünden. Einige weitere unbeteiligte Experten sind in der Berichterstattung vorgekommen: So ist in der dpa-Meldung der Präsident der Deutschen Aids-Gesellschaft befragt worden, bei MDR.de ist ein Professor der Technischen Universität Dresden zitiert worden, bei tagesschau.de ein Experte des Universitätsklinikums Freiburg, im Tagesspiegel ein Wissenschaftler der Universität von Pennsylvania und in der Stuttgarter Zeitung ein Oberarzt des Klinikums Stuttgart.

Steckbrief

Journal: Nature

Pressemitteilungen: Ja (vom Forschungsinstitut, vom Forschungsinstitut)

 

Aufgegriffen von:

  • AFP: Kölner Stadt-Anzeiger (05.03.2019)
  • Ärztezeitung Online (05.03.2019)
  • Deutschlandfunk Der Tag (05.03.2019)
  • Deutschlandfunk Forschung Aktuell (05.03.2019)
  • dpa: Handelsblatt (05.03.2019), Osnabrücker Zeitung (05.03.2019)
  • KNA: Frankfurter Allgemeine Zeitung (05.03.2019), Tagesspiegel (05.03.2019)
  • ntv.de (05.03.2019)
  • scinexx.de (05.03.2019)
  • Spiegel Online (05.03.2019)
  • Stuttgarter Zeitung (05.03.2019)
  • Süddeutsche Zeitung Online (05.03.2019)
  • Süddeutsche Zeitung Online (Kommentar) (05.03.2019)
  • tagesschau.de (05.03.2019)
  • Tagesspiegel Online (05.03.2019)
  • WDR.de (05.03.2019)
  • Zeit Online (05.03.2019)
  • Deutschlandfunk (06.03.2019)
  • MDR.de (06.03.2019)
  • Nord-West Zeitung (06.03.2019)

 

Koreanische Buschmücke fasst Fuß in Deutschland (Parasitology Research)

Gleich vier Exemplare der Art Aedes koreicus sind in Hessen von Wissenschaftler*innen des Frankfurter Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums entdeckt worden. Ein Jahr nach dem ersten Fund 2017 sind Mai und Juli 2018 auch Mückenlarven und -puppen dieser Art am gleichen Ort nachgewiesen worden. Daher halten die Forscher*innen es für Wahrscheinlich, dass es Aedes koreicus möglich war, sich dort zu vermehren und den Winter zu überstehen. Sie gehen davon aus, dass sich die Art weiter in Deutschland ausbreiten wird. Obgleich die Mücken in der Lage sind, gefährliche Krankheiten wie die Japanische Enzephalitis zu übertragen, halten die Wissenschaftler*innen sie momentan für ungefährlich. Denn die gefährlichen Erreger kämen bei uns nicht vor. Die Studie ist am 08.02.2019 im Fachblatt Parasitology Research erschienen.

Mindestens elf Mal ist in deutschsprachigen Medien unabhängig voneinander über die Studie berichtet worden. Tenor der Berichterstattung: Vermehrt breiten sich fremde Mückenarten in Deutschland aus – noch sind sie jedoch ungefährlich, da die gefährlichen Krankheitserreger hier nicht vorkommen. Unbeteiligte Expert*innen sind nicht zu Wort kommen.

Steckbrief

Journal: Parasitology Research

Pressemitteilungen: Ja (vom Forschungsinstitut)

Aufgegriffen von:

  • AFP (06.03.2019): ntv.de (06.03.2019), Zeit Online (06.03.2019)
  • hessenschau.de (06.03.2019)
  • scinexx.de (06.03.2019)
  • Spiegel Online (06.03.2019)
  • tagesschau.de (06.03.2019)
  • Ärztezeitung Online (07.03.2019)
  • dpa: aerzteblatt.de (07.03.2019), Süddeutsche Zeitung Online (07.03.2019),Frankfurter Rundschau (08.03.2019)
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung (07.03.2019)
  • Welt Online (07.03.2019)
  • Hessische Niedersächsische Allgemeine (08.03.2019)
  • Wiesbadener Tagblatt (08.03.2019)

*Protokoll: Hendrik Boldt

 

1Die Vorhersage der Auswahl von Themen seitens der Journalisten gleicht dem täglichen Blick in die Glaskugel. Haben Journalisten das entsprechende Fachjournal auf dem Schirm? Werden sie das Thema aufgreifen und berichten? Wenn ja: mit welchem Dreh? Wenn nein: Kann es sein, dass wichtige entscheidungsrelevante Forschungsergebnisse, über die berichtet werden sollte, übersehen werden? Im Science Media Newsreel dokumentiert das Team des SMC [https://www.sciencemediacenter.de/] einmal pro Woche rückblickend die kongruenten Wissenschaftsthemen, die aus namentlich genannten Fachzeitschriften in Presseerzeugnissen und Internetangeboten aufgegriffen wurden. Erwähnt werden nur solche Themen, die bei unserem zugegeben unvollständigen Monitoring in mehr als fünf unterschiedlichen Redaktionen mit textlich nicht identischen Berichten aufgegriffen wurden