Die erste hier vorgestellte Studie ist zwar schon am 21.06.2018 erschienen, hat aber erst im Laufe der darauffolgenden Woche vom 25.06. bis 01.07.2018 die Marke von mindestens fünf berichtenden Artikeln in deutschsprachigen Medien überschritten. Deshalb wird sie erst in dieser Ausgabe des Newsreel besprochen.

Bestimmte Herpesviren könnten das Entstehen von Alzheimer begünstigen (Neuron)

Wissenschaftler der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York City haben in Gehirnen von verstorbenen Alzheimerkrankten die genetischen Spuren der Herpesviren 6A und 7 nachgewiesen – und zwar bei doppelt so vielen wie in Gehirnen von Menschen ohne Alzheimer. Kausalität, Korrelation oder nur eine zufällige Assoziation? Die Forscher sagen, sie hätten erstmals konkrete Hinweise dafür erbracht, wie die Herpesviren 6A und 7 dazu beitragen könnten, dass Alzheimer sich entwickelt. Sie haben verschiedene Wege entdeckt, auf denen die Viren womöglich die Krankheit mitverursachen und unterstützen. So beeinflussen sie die Aktivität von Genen, die für das Alzheimerrisiko relevant sind. Zudem verringern sie die Häufigkeit der micro-RNA miR155. Zumindest im Mäuse-Model hat die Reduktion von miR155 zu mehr amyloiden Plaques, die typischerweise mit Alzheimer einhergehen, geführt. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler im Fachjournal Neuron am 21.06.2018 veröffentlicht. Trotz der gefundenen Zusammenhänge gilt: Ob die Herpesviren tatsächlich Alzheimer mitverursachen und das Risiko zu erkranken wirklich erhöhen, lässt sich noch nicht abschließend sagen. Umgekehrt könnte auch Alzheimer die Anfälligkeit für die Viren erhöhen und so deren Häufung in den Gehirnen der Erkrankten erklären.

Die Studienergebnisse sind von mindestens sechs deutschsprachigen Medien diskutiert worden. In der dpa-Meldung zur Studie sind drei unbeteiligte Experten des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen in Bonn, von der Ludwig-Maximilians-Universität München und vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf zu Wort gekommen. Sie alle haben dabei betont, dass die Studie zwar Hinweise dafür liefere, dass die Herpesviren Alzheimer verursachten, dass dies aber erst noch in weiteren Untersuchungen bestätigt werden müsse. Auch die anderen berichtenden Medien haben auf die Notwendigkeit für weitere Forschungen hingewiesen. Einzig bei der Wiener Zeitung wird die Studie bereits als Bestätigung dafür gewertet, dass Viren eine Rolle bei der Entstehung von Alzheimer spielen.

 

Steckbrief

Journal: Neuron

Pressemitteilungen: Ja (von dem Fachjournal, von einer beteiligten Forschungseinrichtung, von einer weiteren beteiligten Forschungseinrichtung, von den Geldgebern der Forschung)

Aufgegriffen von:

  • WienerZeitung.at (21.06.2018)
  • Ärzteblatt (22.06.2018)
  • DPA: Welt Online (22.06.2018), ntv.de (22.06.2018), Berliner Morgenpost online (23.06.2018), Berliner Kurier online (24.06.2018)
  • Scinexx.de (22.06.2018)
  • Nachrichten.at (26.06.2018)
  • t-online.de (26.06.2018)

 

Flugbegleiter haben erhöhtes Risiko für Krebs (Environmental Health)

US-amerikanische Flugbegleiter haben – verglichen mit sozioökonomisch gleichgestellten Mitbürgern – ein erhöhtes Krebsrisiko. Das kann verschiedene Gründe haben, etwa ungesunde Bio- und Schlafrhythmen, erhöhte kosmischer Strahlung, chemische Substanzen in der Luft von Flugzeugkabinen. Zu welchen Teilen was relevant ist, kann noch nicht mit Sicherheit gesagt werden. Flugbegleiter sind den genannten Risikofaktoren vermehrt ausgesetzt; und es gilt als wissenschaftlich gesichert, dass zumindest kosmische Strahlung das Krebsrisiko erhöht. Dies haben Wissenschaftler der Harvard-Universität am 26.06.2018 im Fachblatt Environmental Health berichtet. Sie hatten 5366 US-Flugbegleiter unter anderem dazu befragt, ob sie schon einmal an Krebs erkrankt waren. Verglichen hatten sie deren Aussagen dann mit den Daten von 2729 US-Amerikanern mit ähnlichem sozioökonomischen Status. Deren Daten waren im Zuge einer anderen, für die USA repräsentativen Untersuchung erhoben worden. Alle erfassten Krebstypen waren bei den Flugbegleitern häufiger vorgekommen. Die Wissenschaftler haben deshalb in der Pressemitteilung zu Studie gefordert, die Arbeitszeiten für das Flugpersonal in den USA ähnlich wie in der Europäischen Union der Strahlenbelastung anzupassen.

Mindestens fünf deutschsprachige Medien haben unabhängig voneinander über die Studie berichtet. Dabei hat nur die dpa-Meldung unbeteiligte Experten des Bundesamtes für Strahlenschutz zitiert – diese Meldung ist zahlreich verbreitet worden. Im Zentrum der Berichterstattung hat die Strahlenbelastung für die Flugbegleiter gestanden. Andere mögliche krebsverursachende Umstände sind dagegen am Rande erwähnt worden. Die Stuttgarter Nachrichten haben die Belastung mit kosmischer Strahlung besonders ausführlich dargestellt und mit der Belastung in anderen Berufsgruppen verglichen.

 

Steckbrief

Journal: Environmental Health

Pressemitteilungen: Ja (von einem  Fachjournal)

Aufgegriffen von:

  • Deutschlandfunk (26.06.2018)
  • DPA: Berliner Morgenpost online (26.06.2018), Handelsblatt.de (26.06.2018), Focus Online (26.06.2018), FAZ Online (26.06.2018), ntv.de (26.06.2018), Hamburger Abendblatt (27.06.2018)
  • Scinexx.de (26.06.2018)
  • Stuttgarter Nachrichten.de (26.06.2018)
  • Süddeutsche Zeitung Online (28.06.2018)

Protokoll: Hendrik Boldt

 

  • Die Vorhersage der Auswahl von Themen seitens der Journalisten gleicht dem täglichen Blick in die Glaskugel. Haben Journalisten das entsprechende Fachjournal auf dem Schirm? Werden sie das Thema aufgreifen und berichten? Wenn ja: mit welchem Dreh? Wenn nein: Kann es sein, dass wichtige entscheidungsrelevante Forschungsergebnisse, über die berichtet werden sollte, übersehen werden? Im Science Media Newsreel dokumentiert das Team des SMC einmal pro Woche rückblickend die kongruenten Wissenschaftsthemen, die aus namentlich genannten Fachzeitschriften in Presseerzeugnissen und Internetangeboten aufgegriffen wurden. Erwähnt werden nur solche Themen, die bei unserem zugegeben unvollständigen Monitoring in mehr als fünf unterschiedlichen Redaktionen mit textlich nicht identischen Berichten aufgegriffen wurden.