Ein Wochenrückblick* des Science Media Center, über welche Forschungsergebnisse viele Wissenschaftsjournalisten zeitnah berichten:

Zu viel Kontrolle in der Erziehung schadet Kindern eventuell langfristig (Developmental Psychology)

Besonders fürsorgliche Eltern lassen ihren Kindern eventuell nicht genügend Freiraum, sich zu entfalten und an eigenen Erfahrungen zu wachsen. Dadurch könnten Kinder schwieriger eigene Emotionen und Verhaltensweisen selbst regulieren. Was wiederum den Kindern langfristig schaden könnte, etwa in der Schule. In einer Studie, die im Fachblatt Developmental Psychology am 18.06.2018 veröffentlicht worden ist, ist dieser Zusammenhang erforscht worden. Die Wissenschaftler von der University of Minnesota hatten 422 Mutter-Kind-Beziehungen darauf untersucht, ob übermäßige mütterliche Kontrolle bei Kindern im Alter von zwei Jahren mit geringerer Selbstkontrolle derselben Kinder im Alter von fünf Jahren korreliert, also ob es einen Zusammenhang gibt. Außerdem war der soziale und schulische Erfolg mit zehn Jahren betrachtet worden. Das Ergebnis: Kinder mit einer besonders stark bevormundenden Mutter haben im Alter von fünf Jahren geringere Fähigkeiten gehabt, ihre Emotionen und ihr Verhalten zu regulieren; und mit zehn Jahren hatten sie auch geringere Erfolge im schulischen Umfeld, sowohl im sozialen Miteinander als auch in punkto Leistung.

Mindestens sechs deutschsprachige Medien haben über die Studie berichtet. Meist sind dabei nur die Studienautoren als Experten zitiert worden. Jedoch hat der Deutschlandfunk zur Erläuterung der Studienergebnisse einen unbeteiligten Experten interviewt, der als Kinderfacharzt auch den generellen Kontext der Studie erläutert hat. Der Experte hat dabei auch eine Verbindung zur generellen Erziehungskultur in unserer Gesellschaft gezogen und gefordert, Kindern in der Erziehung mehr Freiheit einzuräumen. Der Tages-Anzeiger und der Kurier haben beide darauf aufmerksam gemacht, dass die Studie nur eine Korrelation zwischen einem bestimmten mütterlichen und kindlichen Verhalten belege – also lediglich einen Zusammenhang. Eine Kausalität, also Ursache-Wirkung-Beziehung, sei damit aber nicht erwiesen. Beim Kurier ist zudem kritisiert worden, dass die psychische Gesundheit der Mütter nicht erhoben worden sei und dass zu wenig auf Veränderungen des Erziehungsstils in der Zeit von zweiten bis zehnten Lebensjahr des Kindes eingegangen worden sei. Beides schränke die Aussagekraft der Studie ein.

 

Steckbrief

Journal: Developmental Psychology

Pressemitteilungen: Ja

Aufgegriffen von:

  • Kurier.at (19.06.2018)
  • Scinexx.de (19.06.2018)
  • Welt Online (19.06.2018)
  • DLF Kultur (20.06.2018)
  • Süddeutsche Zeitung (20.06.2018)
  • Tages-Anzeiger Online (21.06.2018)

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Die Vorhersage der Auswahl von Themen seitens der Journalisten gleicht dem täglichen Blick in die Glaskugel. Haben Journalisten das entsprechende Fachjournal auf dem Schirm? Werden sie das Thema aufgreifen und berichten? Wenn ja: mit welchem Dreh? Wenn nein: Kann es sein, dass wichtige entscheidungsrelevante Forschungsergebnisse, über die berichtet werden sollte, übersehen werden? Im Science Media Newsreel dokumentiert das Team des SMC [https://www.sciencemediacenter.de/] einmal pro Woche rückblickend die kongruenten Wissenschaftsthemen, die aus namentlich genannten Fachzeitschriften in Presseerzeugnissen und Internetangeboten aufgegriffen wurden. Erwähnt werden nur solche Themen, die bei unserem zugegeben unvollständigen Monitoring [http://www.meta-magazin.org/2018/04/04/waehlerische-wissenschaftsjournalisten/] in mehr als fünf unterschiedlichen Redaktionen mit textlich nicht identischen Berichten aufgegriffen wurden.