Ein Wochenrückblick des Science Media Center, über welche Forschungsergebnisse viele Wissenschaftsjournalisten zeitnah berichten:

Vom Darm zum Hirn: Möglicher Ausbreitungsweg von Parkinson im Mäusemodell bestätigt (Neuron)

Von außen injizierte, fehlerhafte alpha-Synuclein-Proteine haben sich im Mäusemodell vom Magen-Darm-Trakt bis zum Gehirn ausgebreitet und Parkinson-artige Symptome hervorgerufen. Bei Mäusen, denen der Vagus-Nerv – der Magen und Gehirn miteinander verbindet – durchtrennt worden war, haben sich keine fehlerhaften Proteine im Gehirn gebildet und keine Symptomatik gezeigt. Wiederum andere Mäuse, deren Körper nicht selbst intaktes alpha-Synuclein produzieren konnten, sind ebenfalls nicht erkrankt. Bei ihnen konnte sich die Krankheit nicht ausbreiten, da die fehlerhaften Proteine keine weiteren Proteine „anstecken“ konnten. Die Ausbreitung der fehlerhaften alpha-Synucleine und der zugehörigen Symptomatik haben die Wissenschaftler*innen detailliert nachvollzogen. Dabei konnten sie die Braak-Hypothese zur Ausbreitung der Krankheit im Gehirn von Menschen untermauern. Sie hoffen, in weiteren Versuchen mehr darüber zu erfahren, wie sich Parkinson frühzeitig erkennen und die Ausbreitung der fehlerhaften Proteine stoppen lassen könnte. Ihre Studie haben sie am 26.06.2019 im Fachblatt Neuron veröffentlicht.

Mindestens zehn Mal haben deutschsprachige Medien unabhängig voneinander teils sehr ausführlich über die Studie berichtet. Vom Science Media Center Germany (SMC) sind vier an der Studie unbeteiligte Expert*innen interviewt worden, derer drei von verschiedenen Medien zitiert worden sind. So ist der Experte des Universitätsklinikums des Saarlandes von der Deutschen Welle, vom Spektrum und von wissenschaft.de wiedergegeben worden. Eventuell werde eine frühere Erkennung von Parkinson möglich, so der Experte. Er wies jedoch auch darauf hin, dass die Studie zwar zeige, dass sich Parkinson vom Darm Richtung Gehirn ausbreiten könne. Ob dies zwangsweise so geschehe sei damit aber nicht gesagt, zumal auch der umgekehrte Ausbreitungsweg nachgewiesen sei. Ähnlich äußerte sich die SMC-Expertin des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen, die vom Spektrum und von wissenschaft.de wiedergegeben worden ist. Schließlich ist noch der SMC-Experte des Universitätsklinikums Ulm in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zitiert worden. Demnach sei es noch unklar, inwiefern Erkenntnisse aus dem Mäusemodell in diesem Fall tatsächlich auf den Menschen übertragbar seien. Trotzdem könne die Studie helfen, bereits im Magen-Darm-Trakt Parkinson zu bekämpfen oder zu verhindern, dass sich die fehlerhaften Proteine von dort ausbreiten. Abgesehen von den SMC-Expert*innen sind keine weiteren mit ihren Einschätzungen in die Medien gelangt.

Steckbrief

Journal: Neuron

Pressemitteilungen: Ja (von der Fachzeitschrift)

Aufgegriffen von:

  • Deutsche Welle (26.06.2019)
  • Spektrum.de (26.06.2019)
  • St.Galler Tagblatt Online (26.06.2019)
  • Wiener Zeitung Online (26.06.2019)
  • wissenschaft.de (26.06.2019)
  • Deutschlandfunk Forschung Aktuell (27.06.2019)
  • SWR.de (27.06.2019)
  • aerzteblatt.de (28.06.2019)
  • Nau.ch (29.06.2019)
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung Online (08.07.2019)
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Kondensstreifen nehmen stark zu und verändern die Strahlungsbilanz der Erde mehr als die CO2-Emissionen aller Flugzeuge (Atmospheric Chemistry and Physics)

Mit 49 Milliwatt pro Quadratmeter (mW/m2) ist der durch Kondensstreifen verursachte Strahlungsantrieb im Jahr 2006 doppelt so groß gewesen wie der durch Flugzeug-CO2-Emissionen hervorgerufene (24 mW/m2). Der Strahlungsantrieb misst den Unterschied zwischen von der Erde aufgenommener Sonnenstrahlung und ins All abgestrahlter Energie und ist dementsprechend relevant für die Klimaerwärmung. Unter der Annahme, dass sich der Flugverkehr bis 2050 vervierfachen wird, werden sich die durch den Flugverkehr verursachten Strahlungsantriebe nach Modellrechnungen von Wissenschaftlerinnen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt deutlich vergrößern. Trotz Energie effizienteren Fliegens erhöhe sich der Strahlungsantrieb durch Flugzeug-CO2 auf 58 mW/m2 und ohne Effizienzgewinne auf 84 mW/m2. Der Antrieb durch Kondensstreifen steige sogar auf 159 mW/m2. Damit sei der durch Kondensstreifen verursachte Strahlungsantrieb beim Fliegen deutlich gewichtiger als die CO2-Emissionen. Allerdings würde bisher nur der CO2-Ausstoß in der Regulierung beachtet. Ohnehin gelte jedoch: Selbst wenn alle technologisch verfügbaren Mittel genutzt würden, könne der Strahlungsantrieb durch Kondensstreifen lediglich um 15 Prozent gesenkt werden.  Die Wissenschaftlerinnen haben ihre Studie am 27.06.2019 im Fachblatt Atmospheric Chemistry and Physics publiziert. Ob die durch den positiven Strahlungsantrieb der Kondensstreifen erwärmte Atmosphäre auch die Oberflächen-Temperatur auf der Erde ansteigen lässt, ist laut Aussage der Wissenschaftlerinnen noch unklar.

Mindestens elf Mal ist von deutschsprachigen Medien unabhängig voneinander über die Studie berichtet worden. Dabei ist nur selten, wie zum Beispiel bei wissenschaft.de, differenziert worden, dass die Kondensstreifen zwar sicher die Atmosphäre erwärmen, aber der Effekt auf die Oberflächen-Temperaturen noch unklar ist. Die Neue Zürcher Zeitung hat einen an der Studie unbeteiligten Experten des US-amerikanischen National Center for Atmospheric Research zur Studie zitiert. Dieser meinte, die Ergebnisse seien mit großer Unsicherheit behaftet, da die schmalen Kondensstreifen nur schwierig rechnerisch zu erfassen seien.

Steckbrief

Journal: Atmospheric Chemistry and Physics

Pressemitteilungen: Ja (von der Fachzeitschrift)

Aufgegriffen von:

  • Deutsche Welle (26.06.2019)
  • MDR.de (27.06.2019)
  • Spiegel Online (27.06.2019)
  • Deutschlandfunk Forschung Aktuell (28.06.2019)
  • dpa: BR.de (28.06.2019), Frankfurter Allgemeine Zeitung Online (28.06.2019), Neue Westfälische (28.06.2019), Redaktionsnetzwerk Deutschland [Hannoversche Allgemeine Zeitung (28.06.2019)], science.ORF.at (28.06.2019), Welt Online (28.06.2019), Wiener Zeitung (28.06.2019)
  • Neue Zürcher Zeitung Online (28.06.2019)
  • SDA: Blick.ch (28.06.2019)
  • SWR.de (28.06.2019)
  • Tagesspiegel Online (28.06.2019)
  • wissenschaft.de (28.06.2019)
  • Standard Online (29.06.2019)
  • heise online (30.06.2019)

 

*Protokoll: Hendrik Boldt

 

1Die Vorhersage der Auswahl von Themen seitens der Journalisten gleicht dem täglichen Blick in die Glaskugel. Haben Journalisten das entsprechende Fachjournal auf dem Schirm? Werden sie das Thema aufgreifen und berichten? Wenn ja: mit welchem Dreh? Wenn nein: Kann es sein, dass wichtige entscheidungsrelevante Forschungsergebnisse, über die berichtet werden sollte, übersehen werden? Im Science Media Newsreel dokumentiert das Team des SMC einmal pro Woche rückblickend die kongruenten Wissenschaftsthemen, die aus namentlich genannten Fachzeitschriften in Presseerzeugnissen und Internetangeboten aufgegriffen wurden. Erwähnt werden nur solche Themen, die bei unserem zugegeben unvollständigen Monitoring in mehr als fünf unterschiedlichen Redaktionen mit textlich nicht identischen Berichten aufgegriffen wurden.