Ein Wochenrückblick des Science Media Center, über welche Forschungsergebnisse viele Wissenschaftsjournalisten zeitnah berichten.

Weniger Luftverschmutzung führt zu besserer Gesundheit, etwas wärmerem Klima und mehr Regen (Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS))

5,5 Millionen Menschen weniger könnten jährlich vorzeitig durch Luftverschmutzung sterben, wenn alle menschlich verursachten Emissionsquellen eingestellt würden, insbesondere fossile Brennstoffe und Landwirtschaft. Zugleich würde sich das Klima rasch erwärmen: Die Aerosole, die durch Luftverschmutzung entstehen, haben eine kühlende Wirkung. Wenn sie fehlen würden, dann stiege die Temperatur laut einer am 19.03.2019 von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Chemie im Fachmagazin PNAS veröffentlichten Studie sprunghaft um 0,73 Grad Celsius an. Jedoch könnte dieser sofortige Erwärmungseffekt auf 0,36 Grad Celsius beschränkt werden. Dies wäre auf eine parallele Verringerung kurzfristig wirksamer Treibhausgase wie troposphärischem Ozon und Methan zurückzuführen. Statt Schadstoffe nur herauszufiltern, um die Luftverschmutzung zu bekämpfen, müssten dafür fossile Brennstoffe gar nicht mehr genutzt und zugleich in der Landwirtschaft der Methanausstoß gesenkt werden. Insgesamt wäre eine Bekämpfung der Luftverschmutzung aus Sicht der Autoren kompatibel mit dem Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. Außerdem würden weniger Aerosole deutlich größere Regenmengen in Indien, Nordchina, Zentralamerika, Westafrika und der Sahelzone verursachen.

Mindestens sieben Mal haben deutschsprachige Medien unabhängig voneinander über die Veröffentlichung berichtet. Das Science Media Center Germany (SMC) hat im Vorfeld Experten des Schweizerischen Tropen- und Public Health-Instituts Basel (SWISS TPH), des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) interviewt. Der Experte des KIT bewertete die Ergebnisse der Studie als sehr unsicher und möglicherweise übertrieben, obgleich er der Studie beschied, methodisch einwandfrei zu sein. Er kritisierte – wie auch der Experte des TROPOS – die Verwendung vorzeitiger Todesfälle als Maßeinheit und schlug vor, stattdessen verlorene Lebensjahre anzugeben. Im Gegensatz zu dieser kritischen Haltung sah der Experte des SWISS TPH in den Ergebnissen bestätigt, dass ältere Schätzungen die Gesundheitslast der Luftverschmutzung noch unterschätzt hätten. Alle hier gelisteten Medienberichte haben mindestens einen der Experten aus den SMC-Interviews zitiert.

Steckbrief

Journal: PNAS

Pressemitteilungen: Ja (vom Fachjournal)

Aufgegriffen von:

  • heise online (25.03.2019)
  • Neue Zürcher Zeitung Online (25.03.2019)
  • Standard (25.03.2019)
  • aerzteblatt.de (27.03.2019)
  • dpa: Berliner Zeitung (27.03.2019), Tagesspiegel (27.03.2019)
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung (27.03.2019)
  • Frankfurter Rundschau (30.03.2019)

 

Pilzerkrankung führt zu weltweitem Massensterben von Amphibien und bedroht Biodiversität (Science)

90 Amphibienarten sind wahrscheinlich schon ausgestorben und mehr als 400 weitere Arten haben einen messbaren Rückgang zu verzeichnen. Schuld ist eine Pilzerkrankung: Chytridiomykose hat in den letzten Jahrzehnten vielen Amphibien zugesetzt. Besonders betroffen waren größere Froscharten in feuchten, tropischen Gebieten, vor allem in Australien sowie Mittel- und Südamerika. Die Studie, die erstmalig die weltweiten Effekte von Chytridiomykose retrospektiv quantifiziert hat, ist am 29.03.2019 von einem internationalen Team von Wissenschaftler*innen unter Leitung der Australian National University und der belgischen Universität Gent in der Fachzeitschrift Science publiziert worden. Obgleich auch Lebensraumverlust, Klimawandel oder invasive Arten zum Rückgang der Amphibien beigetragen haben, ist die Erkrankung in zahlreichen Fällen die Hauptursache gewesen. Die Pilze, die die Erkrankung auslösen, haben sich insbesondere dank der menschgemachten Globalisierung ausgebreitet. Zwar hat das Amphibiensterben bereits in den 1980er Jahren seinen bisherigen Höhepunkt erreicht. Dennoch nehmen 39 Prozent der betroffenen Arten weiter ab und nur 12 Prozent zeigen Anzeichen einer Erholung. Daher sollten aus Sicht der Wissenschaftler*innen rasch Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Neben effektiverer Überwachung der Ausbreitung von Krankheitserregern solle der Handel mit Wildtieren, der Erreger weltweit verbreitet, sofort verringert werden.

Mindestens acht Mal ist von deutschsprachigen Medien unabhängig voneinander über die Publikation berichtet worden. Dabei sind lediglich in der dpa-Meldung sowie bei scinexx.de an der Studie unbeteiligte Expert*innen aus einem parallel zur Studie veröffentlichten Kommentar zitiert worden. Ebenso wie die Studienautor*innen sehen sie die Notwendigkeit, rasch präventive Maßnahmen zum Schutz von Amphibien einzuleiten.

Steckbrief

Journal: Science

Pressemitteilungen: Ja (von der Fachzeitschrift, vom Forschungsinstitut, vom Forschungsinstitut)

 

Aufgegriffen von:

  • dpa: science.ORF.at (28.03.2019), Tagesspiegel (28.03.2019), Bonner General-Anzeiger (29.03.2019), ntv.de (29.03.2019), Spiegel Online (29.03.2019)
  • Spektrum.de (28.03.2019)
  • BR.de (29.03.2019)
  • Deutschlandfunk Forschung Aktuell (29.03.2019)
  • Die Presse (29.03.2019)
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung (29.03.2019)
  • scinexx.de (29.03.2019)
  • Süddeutsche Zeitung (29.03.2019)
  •  

 

*Protokoll: Hendrik Boldt

*Die Vorhersage der Auswahl von Themen seitens der Journalisten gleicht dem täglichen Blick in die Glaskugel. Haben Journalisten das entsprechende Fachjournal auf dem Schirm? Werden sie das Thema aufgreifen und berichten? Wenn ja: mit welchem Dreh? Wenn nein: Kann es sein, dass wichtige entscheidungsrelevante Forschungsergebnisse, über die berichtet werden sollte, übersehen werden? Im Science Media Newsreel dokumentiert das Team des SMC einmal pro Woche rückblickend die kongruenten Wissenschaftsthemen, die aus namentlich genannten Fachzeitschriften in Presseerzeugnissen und Internetangeboten aufgegriffen wurden. Erwähnt werden nur solche Themen, die bei unserem zugegeben unvollständigen Monitoring in mehr als fünf unterschiedlichen Redaktionen mit textlich nicht identischen Berichten aufgegriffen wurden.