Der Fernsehfilm „Schlank durch Schokolade“ wollte mit einer unsinnigen Studie aufzeigen, wie leicht sich der Journalismus hinters Licht führen lässt. Und wie fragwürdig die Ernährungsforschung vorgeht. Dabei ist das Projekt selbst ethisch heikel. Das findet auch die Landesärztekammer: Sie ermittelt gegen den beteiligten Arzt. VON HINNERK FELDWISCH-DRENTRUP

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Photo: CC O /ohne Namen/ www.Flickr.com

Die Arte-ZDF-Produktion „Schlank durch Schokolade“ sollte dem Zuschauer direkt vor Augen führen, wie unwissenschaftlich viele Studien und Ernährungstipps sind, die es in die Medien schaffen. Die Autoren entwarfen eine Studie, die mit Sicherheit ein schönes Ergebnis liefert, aber genauso sicher wissenschaftlicher Unsinn ist. Jetzt zeigt sich, dass auch ihr Vorgehen problematisch war, mit möglichen negativen Konsequenzen für den beteiligten Arzt.

Denn das Team wich in einem wichtigen Punkt vom vorgeschriebenen Procedere bei einem medizinischen Versuch am Menschen ab: Es holte keine medizinethische Einschätzung ein, ob es denn ihre Studie so durchführen kann. Zudem wurden die Probanden wahrscheinlich nicht ausreichend über die Studie und ihre Risiken aufgeklärt.

Was war passiert? Über die Facebook-Seite von Arte rekrutierten die Journalisten Peter Onneken und Diana Löbl zwölf Probanden, dazu noch vier Statisten. Sie wurden in drei Gruppen aufgeteilt, die drei Wochen lang entweder eine Diät machten, zusätzlich zur Diät 42 Gramm Schokolade aßen oder ihre normale Ernährung fortführten. Fertig war die völlig unsinnige Ernährungsstudie, mit schlechtem Design, viel zu wenigen Probanden, unsauberer Datenerhebung und falsch berechneter Statistik. Sie veröffentlichten zusammen mit dem amerikanischen Journalisten John Bohannon ihren Artikel in einer zweifelhaften wissenschaftlichen Zeitschrift und verkündeten per Pressemitteilung und Werbefilmen: „Schokolade macht schlank“.

Zweifelhafte Körperverletzung

Das Hauptproblem: Den Teilnehmern der Studie wurde Blut abgenommen. „Jede Durchtrennung der Haut ist eine Körperverletzung“, sagt der Medizinethiker Joerg Hasford, Vorsitzender des Arbeitskreises Medizinischer Ethikkommissionen. Der Bundesgerichtshof habe etwa klargestellt, dass Blutspender über das Risiko bleibender Nervenschädigung aufgeklärt werden müssten. „Wo kommen wir da hin, wenn für jede Spaßgeschichte Blut entnommen wird?“

Das Risiko sei zwar gering, müsse aber immer mit dem Nutzen abgewogen werden. Und der sei hier sehr zweifelhaft. Weder konnte die Studie zu wissenschaftlichen Erkenntnissen führen, noch neue Probleme im Forschungsbetrieb und Mediensystem aufdecken. Denn diese sind zumindest Experten weithin bekannt.[1]

Hasford ist sich zwar nicht sicher, ob eine Ethikkommission so eine Studie wegen der Blutentnahme in jedem Fall missbilligt hätte.  Angesichts der Verletzung körperlicher Integrität hält er das Vorgehen jedoch nicht für adäquat. „Man hätte alles faken können, kein Teilnehmer hätte gestochen werden müssen.“

Die für die Arte-Doku zuständige Redakteurin Linde Dehner wollte die Studie aber möglichst realistisch inszenieren. „Wir haben nicht in Erwägung gezogen, die Studie nachzustellen“, sagt Dehner. Dem Team sei es wichtig gewesen, Originaldaten zu erheben, rechtfertigen sich die Autoren Löbl und Onneken, „um anschaulich zu machen, wie dieser Prozess der relativ willkürlichen Daten Hin-und-Herschieberei genau funktioniert“.

Realität oder Persiflage?

Aber zu realistisch sollte das Ganze dann doch nicht sein: Auf die Frage, warum keine Ethikkomission eingeschaltet wurde, antworten die Autoren Löbl und Onneken, dass es sich nicht um eine Studie, sondern um eine „Studienpersiflage“ handele. Auch der Arzt argumentiert so. Er habe gesagt, dass der Versuch gar nicht hätte gemacht werden müssen, da jeder Experte wisse, dass ähnliche Ergebnisse schnell veröffentlich werden könnten. Die Journalisten hätten ihn damit überzeugt, dass die öffentliche Wirkung bei einem realen Versuch viel größer sei.

Dehner hat sich nach eigenen Angaben mehrfach mit dem Hausjustiziar abgestimmt, der am Ende keine ernsten Bedenken gehabt habe. Die Blutabnahme sei jedoch nicht mit ihr oder den Redakteurs-Kollegen besprochen worden. Die hat der beteiligte Arzt initiiert. Er habe prüfen und ausschließen wollen, sagt er, dass einige der Probanden Vorerkrankungen hatten, wie etwa Essstörungen. Das Team verwendete die Blutwerte auch für die Studie ­­­­­­– und nahm ihnen am Ende der Studie abermals Blut ab, um die Wert mit der ersten Blutprobe zu vergleichen.

Die Blutabnahme habe mit vorherigem Einverständnis der Teilnehmer stattgefunden, sagen Löbl und Onneken. Über mögliche Gefahren wurden die Probanden anscheinend jedoch nicht detailliert aufgeklärt, da das Team sie wohl für einen Routineeingriff hielt. So sagte der beteiligte Mediziner auf Nachfrage, dass er das Risiko einer Blutabnahme für abstrakt und theoretisch halte.

Zumindest für ihn könnte das Projekt jetzt unangenehme Konsequenzen haben: Medizinethiker Hasford hat sich an die Ärztekammer gewandt, die nun wegen des Verdachts auf berufsrechtswidrigen Verhaltens Ermittlungen aufgenommen hat. Wenn ausreichende Hinweise für ein mögliches Fehlverhalten festgestellt werden, wird der zuständige Kammeranwalt in einem nicht-öffentlichen Verfahren Klage erheben. Dem Arzt droht beispielsweise eine standesrechtliche Rüge, sollte er verurteilt werden.

John Bohannon, der für die wissenschaftliche Publikation der Studie hauptverantwortlich war, ist die Problematik scheinbar nicht bewusst. Auf die Frage, warum den Probanden Blut abgenommen wurde, antwortete er: „Weil ich selbstgerechte E-Mails von verkrampften Journalisten wie Ihnen bekommen wollte.“

[1] – http://retractionwatch.com/2015/05/28/should-the-chocolate-diet-sting-study-be-retracted-and-why-the-coverage-doesnt-surprise-a-news-watchdog/.
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Hinnerk Feldwisch-Drentrup ist freier Wissenschaftsjournalist und lebt in Karlsruhe.