In vielen europäischen Ländern lässt sich der Wissenschaftsjournalismus von Geldgebern unterstützen. Wissenschaftsförderer, Stiftungen, selbst Ministerien öffnen ihre Börsen. Ein Überblick über das, was es so alles gibt. VON MARKUS LEHMKUHL

(Photo credit: CC BY NC SA 2.0: Kiki Follettosa/flickr.com)

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Es ist ein deutlich sichtbarer Kasten, der immer mittwochs in der Beilage „Forschung spezial“ des Wiener Standard erscheint. Daraus geht hervor, dass die Produktion der Beilage finanziell unterstützt wird durch zahlreiche Forschungsinstitutionen, darunter der Wissenschaftsförderfond (FWF), der der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) vergleichbar ist. Darunter auch das Forschungsministerium, die Österreichische Akademie der Wissenschaften sowie zahlreiche einzelne Hochschulen wie etwa die FH Vorarlberg. Die Auflistung endet mit einer Versicherung des Verlages: „Die redaktionelle Verantwortung liegt bei DER STANDARD“.

Unterstützung bedeutet ganz konkret: Allein im ersten Quartal 2013 flossen nur aus den vier genannten Quellen gut 55.500 Euro auf das Konto des Standard. Davon entfielen 14.000 Euro auf den FWF, 23.445 auf das Forschungsministerium, 8.000 auf die Österreichische Akademie der Wissenschaften und gut 10.000 Euro auf die FH Vorarlberg. Die Zahlen gehen aus einer Auflistung der Kommunikationsbehörde Austria hervor, der mit öffentlichem Geld finanzierte Organisationen den Betrag melden müssen, den sie für Medienkooperationen pro Quartal ausgegeben haben. Geregelt ist das im § 3 des Medientransparenzgesetzes, das seit 2012 in Österreich in Kraft ist.

Ohne dieses Gesetz wäre der tatsächliche Umfang der Unterstützung nur schwer ermittelbar gewesen. Denn der Verlag will über die Höhe der Zuwendungen „aus Wettbewerbsgründen“ keine Angaben machen. Immerhin teilt der Verlag aber mit, dass diese Beilage komplett durch Sponsorengelder finanziert werde. Der Umfang der Beilage schwanke je nach Sponsorvolumen. Ohne die Sponsoren gäbe es diese mehrseitige wöchentliche Beilage nicht. Der Standard hätte zwei bis zweieinhalb Wissenschaftsredakteure weniger.

Teile der Wissenschaftsberichterstattung nicht klassisch finanziert

Der Hinweis auf den Wettbewerb erscheint gerechtfertigt. Denn ganz ähnliche Kästchen finden sich bei der zweiten überregional erscheinenden Tageszeitung „Die Presse“. Der Umfang der Unterstützung, den etwa die Presse allein durch den FWF und das Forschungsministerium erhielt, deckt sich fast genau mit dem des Standard. Der Presse flossen im ersten Quartal 2013 aus beiden Quellen gut 38.000 Euro zu.

Außerdem profitieren das Magazin Falter, das seine fünf Mal jährlich erscheinende Beilage „Heureka“ durch Sponsoren finanziert und die APA, die nationale Presseagentur Österreichs, deren Wissenschafts-Dossiers durch Zuwendungen einer ganzen Gruppe von Bundesministerien ermöglicht werden, darunter auch das Forschungsministerium. Mit im Boot ist auch das ORF-Fernsehen, das über Medienkooperationen Produktionskostenzuschüsse erlöst. So für Produktionen, die in Deutschland regelmäßig montags um 19.30 Uhr in der Reihe Akademie über BR alpha verbreitet werden.

Daraus ergibt sich, dass nennenswerte Teile der spezialisierten Wissenschaftsberichterstattung in Österreichs Qualitätsmedien mit nationaler Verbreitung nicht klassisch finanziert sind. Ein Problembewusstsein ist mindestens in der Redaktion des Wiener Standard nicht auszumachen. Aus der Redaktion verlautet, man sei über die Details der Finanzierung des eigenen Produktes nicht genau im Bilde und verweist auf die Geschäftsstelle. Die Art der Finanzierung habe auf die redaktionelle Arbeit aber keinen Einfluss. Finanzierung und Redaktion erscheinen als getrennt voneinander.

Dies deckt sich mit den Angaben von maßgeblichen Förderern nur zum Teil. Eine Einmischung in redaktionelle Entscheidungen ist nach Angaben des FWF nicht vorgesehen. Man sehe sich in der Rolle des „Ermöglichers“ eines qualitativ ansprechenden Wissenschaftsjournalismus, sagt Stefan Bernhardt, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit und Wissenschaftskommunikation beim FWF. Die Zahlungen an den Wiener Standard stünden allerdings dann auf dem Prüfstand, sollte die Redaktion auf eine grundsätzlich wissenschaftskritische Linie umschwenken. Ausdrücklich nicht gemeint damit sei „berechtigte Kritik“ an wissenschaftlichem Fehlverhalten Einzelner. Der Freiraum der Redaktion finde allenfalls dort seine Grenze, wo die gesamte redaktionelle Linie des Standard auf eine kritische Betrachtung des Wissenschaftsbetriebes umschwenke, sagt Bernhard.

Österreich ist kein Sonderfall

Bei Marianne Baumgart von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften klingt das anders. So behauptet Baumgart, Themen vorgeben zu können, die „dann von Redakteuren in völliger Unabhängigkeit geschrieben werden“. Offenbar werden zuweilen Ansprüche von Geldgebern durch den Standard auch befriedigt, indem Anzeigen veröffentlicht werden. So weiß man bei der Fachhochschule Vorarlberg auf Anfrage nicht genau zu sagen, welcher Anteil der Quartalszahlung in Höhe von gut 10.000 Euro auf eine Anzeige entfällt, die der Standard veröffentlichte, und welcher der Redaktionsarbeit zufließt. Die Zahlungen sind für die Unterstützer im Einzelfall mehr als ein Almosen. So steckt die Österreichische Akademie der Wissenschaften pro Quartal gut 30.000 Euro in Medienkooperationen mit dem Standard, der Presse am Sonntag (8500 Euro) und dem ORF (knapp 15.000 Euro). Dies ist nach Angaben von Marianne Baumgart ein „ordentlicher Posten“ des Sachmittelbudgets.

Medienkooperationen dieser Art bestehen in Österreich seit etwa zehn Jahren. Es scheint, als hätte sich das als eine gängige Form etabliert, um Wissenschaftliches durch spezialisierte Redaktionen in die Öffentlichkeit zu bringen. Wie unsere Recherchen zeigen ist Österreich kein nationaler Sonderfall. Auch in der Schweiz, in Irland, Griechenland, Spanien, Finnland und in Estland finden oder fanden sich Beispiele für die „Ermöglichung“ von Wissenschaftsberichterstattung durch mehr oder weniger wissenschaftsnahe Geldgeber: Nationale Wissenschaftsförderorganisationen, Universitäten und private Stiftungen sind es, die für wissenschaftsjournalistische Produkte ihre Börse öffnen. Selbst die Unterstützung konkreter Medienprodukte durch staatliche Stellen ist nicht beispiellos. Nach Angaben von Kostas Dimopoulos, der die griechische Szene seit Jahren beobachtet, sei die Stiftungsfinanzierung in Griechenland die Regel, allerdings komme es gelegentlich auch zu Zahlungen staatlicher Stellen an bestimmte Medienprodukte.

Alle Beiträge des Dossiers "Sponsoring des Journalismus"

Alle Beiträge des Dossiers „Sponsoring des Journalismus

In Irland und Estland finden sich mehrere Beispiele der Unterstützung von Radio- und Fernsehsendungen durch die nationalen Wissenschaftsförderorganisationen. Diese Unterstützung ist prinzipiell mit der beim Wiener Standard vergleichbar, allerdings mit einem wesentlichen Unterschied: Nicht staatliche Stellen treten als Förderer auf, sondern ausschließlich Wissenschaftsförderorganisationen. Mindestens im Falle von Estland mischen die Förderer anders als in Österreich im operativen Geschäft kräftig mit und nehmen Einfluss auf Themenwahl und auch die Gestaltung einzelner Beiträge. In Spanien engagieren sich sowohl staatliche Stellen als auch private Stiftungen, um einzelne journalistische Angebote zu unterstützen. Nach Angaben von Gema Revuelta, die seit vielen Jahren an der Universität in Barcelona Wissenschaftskommunikatoren ausbildet, treten einzelne Wissenschaftsorganisationen anders als in Österreich oder der Schweiz nicht auf den Plan, was sie darauf zurückführt, dass Universitäten und zentrale Wissenschaftsförderer nicht über die nötigen Ressourcen verfügen.

Der Wissenschaftsjournalismus in Finnland kommt nach Einschätzung von Esa Väliverronen, Professor für Wissenschaftsjournalismus an der Universität in Helsinki, derzeit weitgehend ohne externe Unterstützung aus. Allerdings gab es auch in Finnland in den 90er Jahren einzelne Medienprodukte, die entweder durch Zusammenschlüsse einzelner Universitäten ermöglicht wurden oder durch private Stiftungen.

Drei Modelle zur Finanzierung von Wissenschaftsjournalismus

Recherchen des Schweizer Magazinjournalisten Yves Demuth zufolge, gibt es in der Schweiz drei Modelle der finanziellen Unterstützung des Wissenschaftsjournalismus durch Externe.

  • Modell 1: Die privaten Stiftungen Mercator und Gebert Rüf finanzieren gemeinsam die Produktion einer wöchentlich erscheinenden Doppelseite im profitablen Gratisblatt „20 Minuten“. Das Geld fließt nicht direkt in die Kasse des Verlegers, der Tamedia AG, sondern in die Kasse der Agentur für Wissenschaftskommunikation „scitech-media“, die der Schweizer Wissenschaftskommunikator Beat Glogger betreibt. Diese Agentur, die auch wissenschaftsnahe PR-Aufträge ausführt, liefert die Doppelseite der Tamedia AG zu.
  • Modell 2: Die Hochschulrektorenkonferenz, also der Zusammenschluss der Schweizer Universitäten, zahlt zwei Drittel der Gehälter für zwei Wissenschaftsredakteure der Schweizerischen Depeschenagentur (SDA).
  • Modell 3 unterscheidet sich vom zweiten Modell dadurch, dass ein Universitäten-Trio (Genf, Lausanne und Neuenburg) eine von ihnen selbst direkt finanzierte Mitarbeiterin an den Westschweizer öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehsender RTS abgestellt hat. In diesem Sender betreut die Mitarbeiterin hauptsächlich eine von zwei auf Wissenschaftsthemen spezialisierte Online Plattform. Man kann diesen Beschäftigungstyp vielleicht am ehesten als „embedded scientist“ bezeichnen, weil die Universitätsbeschäftigte mit RTS email-Adresse für Außenstehende nicht von den regulär Beschäftigten zu unterscheiden ist.

Aus dieser Übersicht ergibt sich, dass solche Finanzierungsmodelle nicht unüblich sind im europäischen Ausland. In sechs von sieben Ländern, in denen wir nachgefragt haben, existieren oder existierten solche Modelle. Auch in Deutschland gab es solche Fälle. So wurde vor mehr als 10 Jahren die ZDF Sendereihe „Humboldts Erben“ üppig mit Mitteln der DFG unterstützt. Derzeit gibt es solche Kooperationen wahrscheinlich nicht. Elisabeth Hoffmann jedenfalls, Vorsitzende des Verbandes der Hochschulsprecher, kennt keine vergleichbaren Beispiele. Ihrer Einschätzung nach werde man aber über kurz oder lang auch in Deutschland über solche Modelle diskutieren.

 


Markus LehmkuhlDer Autor Markus Lehmkuhl ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Arbeitsbereich Wissenschaftskommunikation der Freien Universität Berlin. Er leitet die Redaktion von meta seit 2007.