Verschlossene Wissenschaftler, mangelnde Finanzierung, Geringschätzung in Redaktionen – afrikanische Wissenschaftsjournalisten haben überraschend ähnliche Probleme wie ihre Kollegen hierzulande. Die neue Initiative „Script“ soll Abhilfe schaffen: mit Training für Journalisten und Wissenschaftler und Wissenschaftsjournalismus-Studiengängen an afrikanischen Universitäten. Ein Gespräch mit dem Koordinator Charles Wendo.

Zwischen Medien und Wissenschaftlern herrsche „Kalter Krieg“, hat ein Wissenschaftsjournalist in einer Befragung der ugandischen Makerere University gesagt. In der Studie heißt es auch, Wissenschaftler hätten Angst vor der Sensationslust der Journalisten und davor, falsch zitiert zu werden. Wie ist Ihre Erfahrung als langjähriger Wissenschaftsjournalist in Uganda?

Charles Wendo Foto C. Varwig

Der Begriff „Kalter Krieg“ erscheint mir zu stark. Aber es gibt schon Misstrauen. Das rührt von den Unterschieden zwischen Journalisten und Wissenschaftlern her. Wobei es eigentlich sogar mehr Gemeinsamkeiten zwischen beiden gibt. Sie beobachten, recherchieren, stellen Hypothesen auf, sammeln Daten, werten die Daten aus und veröffentlichen. Doch der Journalist hat es eilig. Der Wissenschaftler kann sich in der Regel Zeit lassen. Zudem möchte er, dass man genau das schreibt, was er gesagt hat. Aber er sagt es in einer Sprache, die die Leute nicht verstehen. Der Journalist muss übersetzen, doch dann klagt der Wissenschaftler, man verwässere seine Arbeit. Dabei ist es wie mit Zahlen. Wenn der Wissenschaftler 34,347 Prozent sagt, kann man für den Laien „etwa ein Drittel“ schreiben. Aber solche Dinge erzeugen Reibung.

Wo sehen Sie darüber hinaus die Hauptprobleme im Wissenschaftsjournalismus?

All die Probleme, dass Wissenschaftler nicht kommunizieren wollen und Redakteure Wissenschaftsthemen keine Priorität einräumen, lassen sich in einem Problem zusammenfassen: Es gibt einen Mangel an Journalisten, die die Wissenschaft verstehen und auf einfache und interessante Weise vermitteln. Wenn Wissenschaftler wissen, dass sie mit Journalisten sprechen, die die Wissenschaft verstehen, werden sie sich öffnen.

Nun hat die Robert Bosch Stiftung zusammen mit der britischen Organisation scidev.net das Programm „Script“ ins Leben gerufen, das kürzlich auf der Wissenschaftskonferenz Next Einstein Forum in Ruanda vorgestellt wurde. Was ist das Ziel der Initiative?

Bei Script geht es um den Aufbau von Kapazitäten für Wissenschaftsjournalismus und Wissenschaftskommunikation in der Region, aber auch um eine bessere Verbindung zwischen Journalisten und Wissenschaftlern. Wir bieten zwei Onlinekurse an und helfen Universitäten, Module für Wissenschaftsjournalismus in ihre Studiengänge einzubetten. Wir beginnen mit der University of Nairobi in Kenia und der University of Nassarawa in Nigeria.

Journalisten und Wissenschaftler beim ersten Script-Workshop in Kigali

Wieso ausgerechnet diese beiden Universitäten?

Die beiden haben großes Interesse bekundet. Die University of Nassarawa will nicht nur ein Modul, sondern einen grundständigen Studiengang Wissenschaftsjournalismus. Das sind unsere Pilotprojekte. Wenn wir hier unsere Lektionen gelernt haben, werden andere Universitäten von den Erfahrungen profitieren.

Und wer profitiert von den Onlinekursen?

So sehr dieses Projekt auch für Afrika gedacht ist, der Nutzen geht schon jetzt über Afrika hinaus. Wir haben eine Facebook-Gruppe eingerichtet, um das Networking zu erleichtern, und die ersten beiden Personen, die der Gruppe beigetreten sind, kommen aus Asien. So wird schon jetzt klar, dass auch Menschen außerhalb von Afrika einen Nutzen davon haben.

Sind die Kurse auf Englisch?

Ja. In zwei Jahren wollen wir auch eine Version auf Französisch haben, dann soll eine weitere in arabischer Sprache folgen, die auf Nordafrika abzielt.

Haben Sie einen Plan, wie viele Personen Sie mit Script erreichen wollen?

Wir hoffen, mit dem Onlinetraining in zwei Jahren 500 Journalisten und Wissenschaftler zu erreichen. Zusätzlich erwarten wir, dass mit den Kursen an den Universitäten 400 Studierende von dem Programm profitieren werden.

Muss man für die Onlinekurse bezahlen?

Nein, sie sind dank der Robert Bosch Stiftung kostenlos. Mir ist kein anderes Projekt bekannt, das ein Training in dieser Größenordnung für Journalisten und Wissenschaftler umsonst anbietet. Das Online-Programm des Weltverbands der Wissenschaftsjournalisten ist, meine ich, nicht so umfangreich wie unseres.

Können Sie ein paar Worte zu den Inhalten Ihres Programms sagen?

Es gibt Module, wie man die Wissenschaft vereinfacht, wie man Wissenschaft interessant macht, wie man einen Journalisten findet und mit ihm arbeitet, wie man Statistiken vereinfacht, wie man einen Redakteur anspricht, um nur einige zu nennen. Das ist für die Wissenschaftler. Für Journalisten gibt es Module, die ihnen helfen zu verstehen, was Forschung ist, wie man die Geschichte aus einer wissenschaftlichen Arbeit herausholt, wie man eine Geschichte aus einer Statistik herausholt oder wie man finanzielle Unterstützung findet. Wie sich in Vorgesprächen mit Journalisten gezeigt hat, ist der letzte Punkt sehr wichtig. Sie sagten, selbst mit Training hätten sie nicht das Geld, um gute Stories zu machen. Wir können ihnen kein Geld geben, aber wir konnten eben dieses Modul zum Einwerben von Fördermitteln integrieren.

Wie auf dem Next Einstein Forum zu hören war, greifen Redakteure als Gatekeeper selten Wissenschaftsthemen auf. Dann bringen ausgebildete Journalisten nichts. Muss man auch die Redakteure schulen?

Viele Redakteure sind zu beschäftigt, um ein Training mitzumachen. Doch was viel wichtiger ist: Kein Redakteur wird eine wirklich gute Geschichte ablehnen. Es geht also darum, die Reporter darin zu schulen, den richtigen Riecher für gute Wissenschaftsthemen zu entwickelt. Ein Beispiel: Kürzlich ging es darum, wie man den Herbst-Heerwurm kontrollieren kann, der vom amerikanischen Kontinent eingeschleppt wurde und nun unsere Ernte frisst. Da der Wurm viel Protein enthält und in vielen Regionen Afrikas Insekten gegessen werden, schlug die zuständige Organisation vor, die Würmer zu essen. Diese Info war nicht leicht zu finden. Sie stand irgendwo auf Seite 33 in deren Dokument. Doch ein guter Journalist muss in der Lage sein, so eine Information herauszupicken und eine Geschichte daraus zu machen, der Redakteure nicht widerstehen können.

Ich nehme an, auch die Leser konnten der Wurm-Geschichte nicht widerstehen. Gibt es Erhebungen dazu, was das Publikum will?

Da gibt es leider einen Mangel an Forschung. Aber meine Erfahrung zeigt mir, dass es drei Dinge gibt, an denen die Leute Interesse haben. Erstens jede Information, die ihnen hilft, mehr Geld in die Tasche zu bekommen oder es dort zu behalten. Zweitens: Jede Art von Information, die sich auf ihre Gesundheit auswirkt. Drittens: Alles in Bezug auf Kinder und das Kinderkriegen. Aber da müsste es wirklich mehr Forschung geben.

Abgesehen von solchen Alltagsthemen: Wie kann man Menschen für Mikrobiologie, Kosmologie oder andere Grundlagenforschung begeistern? Oder ist das gar nicht nötig?

Ich denke, dass Grundlagenforschung ebenso wichtig ist wie angewandte Forschung. Wenn wir über Grundlagenforschung berichten, müssen wir aber ihre Relevanz deutlich machen. Ein Wissenschaftler entdeckt beispielsweise Moleküle, die sich im Atem von Malariapatienten befinden. Jetzt werden Sie nicht über irgendwelche Moleküle berichten. Aber ein anderer Wissenschaftler könnte diese Informationen verwenden, um einen Atem-Malariatest zu entwickeln. Als Reporter wählen Sie diesen Blickwinkel. Es geht bei der Grundlagenforschung also um mögliche zukünftige Anwendungen.

In Deutschland gibt es immer mehr öffentlich oder über Crowdfunding finanzierten Journalismus. Welche Finanzierungsmodelle sehen Sie in Zukunft für den Qualitätsjournalismus in afrikanischen Ländern?

Darauf habe ich leider keine Antwort. Und der Wissenschaftsjournalismus hat es auch noch besonders schwer, weil die Geschichten viel mehr Arbeit machen. Während eine Politikreporter fünf Artikel pro Woche schreibt, macht ein Wissenschaftsjournalist vielleicht eine. Bisher versucht man, Sponsoren zu finden. Dann kann man zwar etwas schreiben, aber häufig sind die Themen vom Geldgeber vorgegeben. Nur sehr wenige Leute werden Ihnen Geld geben, um ein Wissenschaftsthema Ihrer Wahl zu machen.

Charles Wendo beim ersten Workshop

Wo wollen Sie in fünf Jahren mit Script stehen?

Wir werden das Programm wissenschaftlich begleiten. Wir denken, dass die Zahl der Wissenschaftsgeschichten steigen wird und auch die Qualität. Auch die Zahl der Journalisten, die über die Wissenschaft berichten, wird steigen. Ob die Öffentlichkeit dann besser über wissenschaftliche Themen informiert ist, ist schwieriger zu messen. Aber sicher wird es mehr Sichtbarkeit der Wissenschaft in den Medien geben. Wenn wir nicht so denken würden, hätten wir das Programm nicht gestartet. Und wir glauben, dass es mehr Dialog zwischen Journalisten und Wissenschaftlern geben wird und damit weniger Misstrauen.

 

Das Gespräch führte Cornelia Varwig

 

Charles Wendo (49) kommt aus Uganda und studierte zunächst Tiermedizin. Bis heute hat er die Lizenz zu praktizieren. 1997 arbeitete er in einem Forschungsprojekt mit Berliner Tierärzten zusammen. Später kam er fast zufällig zum Wissenschaftsjournalismus, nachdem er einen verständlichen Artikel geschrieben hatte, der Redakteuren der größten ugandischen Tageszeitung „New Vision“ gefiel. Er lernte das journalistische Handwerkszeug „on the job“, machte aber trotzdem noch seinen Master in Journalismus. Er arbeitete vier Jahre als Wissenschaftsredakteur bei der „New Vision“, wechselte dann für zwei Jahre in die Kommunikationsabteilung einer medizinischen Forschungseinrichtung und kehrte danach als Chefredakteur der neuen „Saturday Vision“ zurück, wo er vier Jahre blieb. Dann wurde er für weitere vier Jahre Chef der „Sunday Vision“. Danach machte er sich als Trainer für Wissenschaftsjournalismus selbständig, bevor er Ende 2017 die Stelle bei scidev.net im Projekt Script antrat.