Die Plattform “Grüner Journalismus” will Journalisten dazu inspirieren, ein positives Verhältnis zum Thema Nachhaltigkeit zu entwickeln. Und sie will Interesse wecken für bisher wenig beachtete Geschichten. VON LENA KASPER, JONATHAN LINKER UND TORSTEN SCHÄFER.

(Screenshot (C) meta)

(Screenshot (C) meta)

Grüne Medien liegen im Trend. Am Kiosk finden sich Umweltmagazine wie “zeo2“ oder „enorm“, der Sender arte sucht mit „arte future“ nach Ideen für eine nachhaltige Zukunft, und das Portal “Klimaretter.info” berichtet umfangreich über den Energie- und Klimawandel. Doch trotz der vielen Angebote wird der Begriff der Nachhaltigkeit, der in Wissenschaft und Wirtschaft längst eine feste Größe ist, in vielen Redaktionen eher gemieden. Er gilt als abgedroschen oder schwer vermittelbar. Hinzu kommt die oft fehlende Zeit für tiefergehende Recherche – was für so komplexe und unübersichtliche Felder wie die Nachhaltigkeit und ihre Einzelthemen ein besonderes Problem darstellt.

Genau an dieser Stelle setzt „Grüner-Journalismus“ an. Das unabhängige und gemeinnützige Medienportal will Journalisten dazu inspirieren, ein eigenständiges Verständnis der nachhaltigen Entwicklung zu entwickeln. Das Portal vermittelt Ideen für Themen, Recherchequellen und will insgesamt dabei helfen, im weiten Themengebiet von Umwelt und Nachhaltigkeit den Überblick zu behalten.

Das Projekt entstand am Institut für Kommunikation und Medien (ikum) der Hochschule Darmstadt (h_da). Grüner-Journalismus ist nicht nur eine Reaktion auf die in Teilen der Branche vorzufindenden Vorbehalte gegenüber dem Konzept der Nachhaltigkeit, das zumeist über seine Einzelthemen wie etwa Energiewende oder Mobilität wahrgenommen wird. Die h_da reagiert mit dem Angebot auch auf die anhaltenden ökonomischen Probleme der Branche, die aufwendige Recherchen für Journalisten zu einem immer größeren Hindernis machen und auch Weiterbildungen erschweren. Ein gemeinnütziges, kostenloses Recherche- und Bildungsportal, so die Hoffnung, kann hier Abhilfe leisten.

Ein Jahr von der Idee zum Portal

Die Idee zu Grüner-Journalismus hatte Prof. Dr. Peter Seeger, der seit 1996 Professor für Kommunikationswissenschaften an der Hochschule Darmstadt ist und schon länger Themen der nachhaltigen Entwicklung untersucht. Für ihn, der als Sozialwissenschaftler hauptsächlich in den Journalismus-Studiengängen am Mediencampus der h_da lehrt, steht eine gesellschaftswissenschaftliche Perspektive auf Medien im Vordergrund. Ausgehend von diesem Ansatz ist das Projekt im Januar 2013 gestartet.

Inspiriert von New York Times-Autor Andrew Revkin, der Nachhaltigkeit als die „story of our time“ bezeichnet, untersuchte Seeger 2012 den Umgang deutscher Qualitätsmedien mit dem Thema genauer. Sechs Wochen lang wertete er die Ausgaben der überregionalen Zeitungen “taz”, “FAZ” und “DIE ZEIT” aus; die Ergebnisse seiner Forschung führten zur Konzeption von Grüner-Journalismus.

Vom aktuellen Stand der Diskussion aus scheint es naheliegend, Journalisten in ihrer Recherche zu unterstützen – auch, um einen Gegenentwurf zu Lobbykommunikation und PR zu etablieren. In den letzten Jahren haben diese Bereiche öffentlicher Meinungsbildung stark an Bedeutung gewonnen. Doch bis auf Angebote wie den „Mediendienst Integration“, der Journalisten mit Informationen über Migration, Integration und Asyl versorgt, oder das Bewertungssystem für medizin- und umweltjournalistische Beiträge des Medien-Doktors der TU Dortmund, gibt es derzeit noch wenige Journalismus-Portale mit explizit inhaltlicher Ausrichtung. Dies hängt sicherlich mit den wirtschaftlichen Problemen des Journalismus zusammen, teilweise aber auch mit den Neutralitätsdogmen und dem „Hans-Jochachim-Friedrichs-Komplex“ des deutschen Journalismus – Themen, die derzeit unter Stichworten wie „solutions journalism“ oder „Journalismus und Aktivismus“ in Fachmedien kontrovers diskutiert werden.

Eine verständliche Marke für Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen? “Grün”!

Welchen Namen sollte aber ein Medienportal haben, das die festgestellte Scheu vor dem inflationär benutzten Begriff der Nachhaltigkeit abbauen und die Redakteure in ihrer Arbeit unterstützen möchte? Die Wahl fiel auf „Grüner-Journalismus“, da der Titel einprägsam ist. „Grün“ findet zudem als Metapher für Themen der nachhaltigen Entwicklung zunehmend Eingang in die Medien. Assoziationen mit der Farbe suchen etablierte Angebote wie “grünes Leben” (DIE ZEIT), “Green living” (GEO.de), “WiWo Green” (Wirtschaftswoche) oder “grüne Revolutionen” (Serie in der Süddeutschen Zeitung). Grüner-Journalismus bietet Journalisten Schwerpunkt-Dossiers wie etwa „Neue Mobilität“ an, die immer auch das Ziel haben, Zusammenhänge ökologischer, ökonomischer und sozialer Aspekte zu vereinen und so einen Mehrwert für Leser,  und vielleicht auch ein Alleinstellungsmerkmal für ein journalistisches Produkt, zu schaffen.

Darüber hinaus sind alle Journalistinnen und Journalisten  eingeladen, sich auf verschiedenen Wegen bei Grüner-Journalismus einzubringen. Denn ein nur fünfköpfiges Team kann kein vollwertiger Recherchedienstleister sein. Das Projekt versteht sich deshalb bewusst auch als Forum, um im Dialog mit Journalisten stehen zu können. Dabei hilft auch der Beirat, der vor allem aus namhaften, aktiven Journalisten besteht und mit dem regelmäßig Ausrichtung und Zielsetzung von Grüner-Journalismus diskutiert werden. Außerdem verfassen die Beiräte selbst Texte wie taz-Umweltredakteur Bernhard Pötter, der den Klima-Schwerpunkt bearbeitet hat.

Nachhaltigkeit bändigen – Inhalte und Aufbau von Grüner-Journalismus

Das Angebot von Grüner-Journalismus besteht aus mehreren Elementen: Schwerpunkte wie “Energie für alle”, “Klima – bitte angenehm!” oder “Nachhaltige Fischerei” führen zu strukturierten Dossiers einzelner Nachhaltigkeitsthemen und bieten so klassische Zugänge für Journalisten. Hier finden sich umfangreiche Einführungstexte, die einen Überblick über das jeweilige Thema geben, Probleme, journalistische Konflikte und Lösungsansätze ansprechen und anhand von Praxisbeispielen aufzeigen, wie unterschiedliche Medien bisher mit diesem Thema umgegangen sind. Kommentierte Quellen- und Expertenlisten erleichtern überdies den Einstieg in die Recherche; Experteninterviews runden die Schwerpunkte ab.

Im Werkstattbereich berichtet Grüner-Journalismus über spannende Projekte wie den Blog “Zukunft Mobilität” (Grimme-Online-Award), der sich mit Ideen für ein umweltverträgliches Verkehrssystem auseinandersetzt, oder die Plattform “This Big City”, die in bisher acht verschiedenen Sprachen über nachhaltige Stadtplanung berichtet. Grüner-Journalismus will die Nutzer zur Umwelt- und Nachhaltigkeitsberichterstattung motivieren, weshalb die Seite auch über Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten wie das Journalistenkolleg „Tauchgänge“ der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und der Robert-Bosch-Stiftung berichtet.

Die Brücke zur Anbindung an Forschung und Lehre schlägt das Portal, indem Studenten der Hochschule Darmstadt hier geeignete Beiträge aus eigenen Praxis- und Forschungsprojekten veröffentlichen können. Mit dem Fachbereich Journalistik der TU Dortmund und dem dortigen Projekt “Medien Doktor Umwelt”, sind auch begleitende Forschungsprojekte geplant. Gleiches gilt für den Studiengang Technikjournalismus an der Technischen Hochschule Nürnberg, der ebenfalls mit den Darmstädtern kooperiert.

Erste Erfolge und Finanzierungsvorbehalt

Nach dem Start der Seite Ende Februar herrscht mittlerweile Regelbetrieb, und die Besucherzahlen der ersten Wochen waren durchaus erfreulich: In den ersten zwei Monaten hatte Grüner-Journalismus 20.000 Seitenansichten mit einer durchschnittlichen Verweildauer von circa fünf Minuten. Dabei ist aufgefallen, dass Leser die Seite an Werktagen deutlich öfter aufrufen als an den Wochenenden. Davon ausgehend kann angenommen werden, dass die gewünschte Zielgruppe am Arbeitsplatz erreicht, und das Angebot somit wie gewünscht im professionellen Umfeld genutzt wird.

Unerwartet viele motivierende Zuschriften zum Start des Portals haben das Team im Eindruck  bestätigt, ein notwendiges Angebot für eine vorhandene Marktlücke entwickelt zu haben. Seit März ist das Portal zudem mit anderen Nachhaltigkeitsinitiativen der Hochschule Darmstadt als offizielles Projekt der UNESCO Weltdekade “Bildung für nachhaltige Entwicklung” ausgezeichnet.

Für den Dauerbetrieb braucht es allerdings weitere finanzielle Förderung. Entsprechende Anträge sind in Arbeit. Für die Verstetigung des Angebots will die Projektleitung überdies auch die Integration des Portals in Forschung und Lehre vertiefen; Studierenden werden hierzu Bachelor- und Masterarbeiten angeboten. Dazu kommen Fachpublikationen wie etwa hier in der  WPK Quarterly oder im Fachjournalist. Interviewt wurde die Redaktion etwa vom „journalist“ oder der Zeitschrift „forum nachhaltig wirtschaften“. Auch Medien wie FAZ und Darmstädter Echo berichteten über den Launch.

Was die Zukunft  bringt

Um für Journalisten interessant zu bleiben, erweitert Grüner-Journalismus das Angebot mit neuen Artikeln, die zwei bis dreimal wöchentlich erscheinen sowie weiteren Schwerpunkten: 2014 werden noch Dossiers zu den Themen Biodiversität und nachhaltiges Wirtschaften folgen. Geplant sind zudem Pakete zu Ernährung Landwirtschaft, soziales Unternehmertum und grünen Investments.


Lena Kasper ist freie Journalistin und war Praktikantin bei Grüner-Journalismus. Sie beschäftigte sich in ihrer Masterarbeit mit der Evaluation des Portals.

Jonathan Linker studiert Medienentwicklung an der Hochschule Darmstadt und war wissenschaftlicher Mitarbeiter sowie Redakteur bei Grüner-Journalismus.

Torsten Schäfer ist Professor für Journalismus und Textproduktion an der Hochschule Darmstadt. Er koordiniert die Redaktion von Grüner-Journalismus und leitet das Projekt zusammen mit dessen Initiator Prof. Dr. Peter Seeger.