Elise Andrew beginnt, aus ihrer Facebook-Seite I fucking love Science ein kleines Imperium zu zimmern. Etabliert sich so eine neue Form der Wissenschaftsberichterstattung? VON JOACHIM ALLGAIER

Vor zwei Jahren gestartet und inzwischen fast 20 Millionen Facebook-Fans - eine neue Form der Wissenschaftsberichterstattung. (Screenshot (C) meta)

Vor zwei Jahren gestartet und inzwischen fast 20 Millionen Facebook-Fans – eine neue Form der Wissenschaftsberichterstattung. (Screenshot (C) meta)

Das Problem ist bekannt: Professioneller Wissenschaftsjournalismus wird mehr denn je gebraucht, um Licht ins Dunkel der komplizierten Fakten und Zusammenhänge unserer Zeit zu bringen, den teilweise außer Kontrolle geratenen Wissenschaftsbetrieb selbst kritisch zu durchleuchten, und einer ständig wachsenden Welle von pseudowissenschaftlichem Unsinn entgegenzutreten. Gleichzeitig haben es Wissenschaftskorrespondenten zunehmend schwer, eine Vollzeitanstellung als Journalisten zu finden, und zudem wird die mediale Wissenschaftsberichterstattung zunehmend von Wissenschafts-PR überlagert.

Immer öfter wird darum jetzt der Blick auf das Internet gerichtet; vielleicht findet hier ja die glorreiche Zukunft des Wissenschaftsjournalismus in Form von Crowdfunding oder in Blogs statt, oder vielleicht verlagert sich der Journalismus ja gleich direkt auf Social Media Plattformen wie Facebook. Die im März 2012 gestartete Facebook Seite I fucking love Science könnte möglicherweise ein Kandidat für eine neue erfolgreiche Form der Wissenschaftsberichterstattung im Netz darstellen.

Die Gefolgschaft der Seite ist zum Jahresende 2014 beeindruckend groß und sie wächst beständig weiter. Wie groß, wurde vor kurzem in einem lesenswerten Artikel in der Columbia Journalism Review dargelegt: Inzwischen folgen mehr als 17,9 Millionen Menschen der Seite, das sind mehr Fans als die bekannten Wissenschaftsseiten Popular Science, Discover, Scientific American und die der New York Times zusammen aufbringen.

Amüsant und erstaunlich

Der Untertitel von I fucking love Science lautet „The lighter side of science“. Der Name und diese Selbstbeschreibung weisen bereits darauf hin, dass die Seite nicht allzu ernst gemeint ist und die wunderbaren Seiten der Wissenschaft zeigen will, die vor allem amüsant, interessant oder auch einfach nur merkwürdig oder irritierend sein sollen. Die regelmäßig erneuerten Inhalte haben alle im weitesten Sinn mit Wissenschaft und Forschung zu tun. Oftmals spielen spektakuläre Bilder und andere Schnipsel aus dem Netz eine wichtige Rolle, dazu werden in Form von Kurznachrichten ausgesuchte Neuigkeiten aus Wissenschaft und Forschung präsentiert.

Viele der Nachrichten bestehen aus amüsanten und erstaunlichen News, Facts, Bildern oder auch Cartoons, und viele davon beziehen sich auf Merkwürdigkeiten der Natur, etwa nach dem Muster „Strangest Genitals In The Animal Kingdom“ (31. August 2014), „Jaguar Tastes The Hallucinogenic Effects Of Yage“ (29. Oktober 2014), oder „How Magic Mushrooms Change Your Brain” (29. Oktober 2014). So lustig manche Cartoons oder Beiträge auch oberflächlich erscheinen mögen, präsentieren sie in der Regel doch einen Denkanstoß oder eine wissenschaftliche Gegebenheit.

Gelegentlich finden sich aber auch klassischere Themen aus der Forschung auf der Seite, wie z.B. „Could a vaccine for Alzheimer’s disease be on the way?“ (16. Januar 2013). Bei den Inhalten auf I fucking love Science handelt es sich um einen eklektischen Mix aus Wissenschaftsnachrichten, Gags und Witzen, und zum Teil spektakulären Fotographien und anderen Bildern. Somit verbindet die Seite Fakten, Kuriositäten und Ästhetik in lockerer und doch informativer Art. Dadurch entsteht eine Art visueller Newsticker, was in der Welt der Wissenschaft gerade vor sich geht, ohne dabei auf ein bestimmtes Themengebiet zu fokussieren.

Wer steckt hinter IFLS?

Stutzig gemacht hat viele Leser, wer hinter der Seite steckt. Durch einen Beitrag im März 2013 hat sich herausgestellt, dass es sich bei den Machern der Seite um eine einzelne Macherin handelt: Elise Andrew ist inzwischen 25 Jahre alt, studierte Biologie an der Universität Sheffield, war Social Media Content Managerin bei der LabX Media Group, und sieht sich keineswegs als Journalistin, sondern eher als Wissenschaftsenthusiastin und Kuratorin dessen, was sie an der Wissenschaft „cool“ findet.

Inzwischen jedoch wurde Andrew selbst zu einer Art Wissenschaftscelebrity und wird auf unzähligen Wissenschaftsveranstaltungen sofort von ihren vielen Fans erkannt. Elise Andrew findet es bis heute sehr erstaunlich, dass viele ihrer Leserinnen und Leser die Tatsache kommentiert haben, dass es eine junge Frau ist, die eine Wissenschaftsfanseite im Internet betreibt.

Besonders erwähnenswert auf ihrer Seite ist die beliebte Rubrik „This week in science“, in der, ansehnlich bebildert, jüngste Durchbrüche und größtenteils erstaunliche Ergebnisse aus der aktuellen Forschung schlaglichtartig präsentiert werden. Elise Andrew und ihre Seite waren jedoch nicht völlig frei von Kontroversen. So wurde ihr beispielsweise vorgeworfen, dass sie sich ihr Bildmaterial unrechtmäßig aus dem Internet beschaffte, ohne die Urheber des Bildmaterials angemessen zu würdigen.

Vom Internet ins Fernsehen

Bei I fucking love Science handelt es sich größtenteils um ansprechende und amüsante Wissenschaftspropaganda und Science-Fandom. Im Facebook Feed wird zudem deutlich, wer die Feinde der Seite (und somit der Wissenschaft selbst) sind: Homöopathen, Kreationisten, Astrologen und andere Pseudowissenschaftler werden immer wieder durch den Kakao gezogen und veräppelt. Somit erweist Andrew und I fucking love Science der Forschung und Wissenschaft schon einen Dienst, indem das Bild der Wissenschaft in den buntesten und hellsten Farben gemalt wird. Von einer neuen Form von (Wissenschafts-)Journalismus zu sprechen ginge aber zu weit.

Dies könnte sich jedoch schon sehr bald ändern. Bereits seit August 2013 betreibt Andrew einen eigenen YouTube Kanal und seit November 2013 begleitet eine eigene Website die Facebook Seite, für die inzwischen vier Autoren tätig sind, und auf die man umgeleitet wird, wenn man auf die Beiträge auf der Facebook Seite klickt.  Aus dem etwas anrüchigen I fucking love Science wurde ein weitaus zahmeres IFLScience. Nicht zu vergessen ist auch noch ein exklusiver Internetshop der geekige IFL Produkte, von Schmuck und Modeaccessoires über T-Shirts, Schlafanzüge und Tassen, für die Bescheidwisser von heute bereithält.

Im März 2014 wurde außerdem verlautbart, dass Elise Andrew einen Deal mit dem amerikanischen Science Channel ausgehandelt hat. Noch in diesem Jahr soll ein einstündiges Fernsehformat ausgestrahlt werden, das auf dem Erfolgskonzept von Elise Andrews Facebook Seite I fucking love Science fußt und dessen Namen trägt. Über Wissenschaft im Fernsehen zu berichten, scheint also selbst für eingesessene Internetbewohner nach wie vor attraktiv zu sein.


allgaier_Joachim CroppedJoachim Allgaier ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Technik- und Wissenschaftsforschung an der Alpen-Adria Universität in Klagenfurt.